Mit noch immer zitternden Fingern griff ich nach dem beigen Bademantel, der in der Nähe der Wanne hing und hängte ihn mir anschließend um. Das Kleid der Zeremonie würde ich jetzt ganz sicher nicht tragen, das dauerte mir zu lange und in diesen Pyjama würden mich keine 10 Dämonen mehr bringen. Ich brauchte etwas anderes. Etwas, was meinem Gewissen ein wenig mehr Zuversicht gab. Während ich noch überlegte, trat mir bereits ein passender Gedanke in den Kopf. Levias Kleiderschrank. Ich kannte den Weg dorthin. Dort würde ich sicherlich etwas finden, was meine Stimmung wieder ausgleichen könnte.
Ohne also darüber nachzudenken, was genau ich tat, verließ ich Levias Zimmer und machte mich auf direktem Weg zu ihrem begehbaren Kleiderschrank, der mir bereits bei meinem ersten Aufenthalt einige Möglichkeiten zur Verfügung gestellt hatte. Auch wenn diese Stücke nicht ganz dem Bild entsprochen hatten, dass der ehemalige Teufel sich gewünscht hatte. Doch es kam mir im Augenblick nach der bestmöglichen Idee vor.
Also lief ich, nein.. ich rannte förmlich durch diese Gänge, nur grob wissend welchen Weg ich wählen musste, um an mein Ziel zu kommen. Selbst als ich an zwei kleinen Dämonen vorbeikam, die Andromalius sehr ähnlich sahen, stoppte ich nicht, sondern setzte meinen Weg festentschlossen fort. Einen Vorteil hatte es, Königin zu sein. Ich konnte tun und lassen was ich wollte. Niemand würde es wagen, sich mir in den Weg zu stellen oder Fragen entgegenzubringen.
Sobald die Tür des Kleiderschranks in mein Blickfeld fiel, erfasste mich eine Welle der Erleichterung. Das hier war jedenfalls kein Traum in dem ich tagelang, vielleicht auch wochenlang durch irgendwelche Gänge wandelte, ohne jemals an mein Ziel kommen zu können. Solche Träume hatte ich schon des Öfteren erlebt, doch auch diese hatten sich nicht ansatzweise so real angefühlt, wie der von eben. Mit einem erleichterten Seufzen öffnete ich also die Tür und ermöglichte mir somit den Blick auf das farbenfrohe Innere, welches sich unweigerlich von diesen dunklen Gängen abhob.
Die Tür schloss ich wieder hinter mir, nachdem ich den Raum betreten hatte, mit dem Hintergedanken, so alle Erinnerungen an diesen Traum für einen kurzen Moment auszusperren. Anfangs hatte ich geglaubt, in Levias Zimmer sicher zu sein. Weit entfernt von den Zimmern der Teufelsfamilie. Doch ich hatte mich wohl getäuscht. Während wieder etwas Ruhe in mir einkehrte, durchlief ich die kleinen Gänge, die von Kleidern und unzähligen weiteren Kleidungsstücken umgeben waren. Mein Blick blieb jedoch an einem Kleid hängen, welches wie selbstverständlich meine Aufmerksamkeit auf sich zog.
Es war strahlend weiß, nicht zu weit und auch nicht zu festlich. Genau das, was mir für diesen Moment richtig erschien. Ein Kleid, in dem ich mich wohlfühlen würde. Selbst wenn die Teufelsfamilie etwas dagegen haben könnte. Das hier war meine Wahl. Niemand konnte mir vorschreiben, welche Farbe ich trug. Nicht, nachdem ich vor nur wenigen Stunden zur Königin gekrönt wurde. Die Krone war nur ein bildliches Zeichen gewesen. Also nichts, was ich andauernd mit mir herumtragen musste. Das war nicht notwendig. Die Wesen der Hölle wussten, wer ich war.
Ich ließ den Bademantel achtlos zu Boden fallen und zog mir dieses Kleid über. Ein himmlischer Stoff, der sich im Vergleich zu diesen Sandkörnern so unglaublich sanft auf meiner Haut anfühlte. Am Rücken ein wenig tiefer ausgeschnitten und ein Dekolleté, welches nicht zu viel preisgab. Ärmel, die zwar weit aber so leicht waren, als könnten es Flügel sein. Ein Kleid, welches genau meinen Geschmack traf und mir ein wenig Sicherheit gab. Das hier war etwas, was nur ich allein kontrollieren konnte.
Nachdem ich das Kleid glattgestrichen hatte, entdeckte ich in meinem Augenwinkel einen kleinen Spiegel. Halb versteckt an einer Wand, die von der Tür kaum sichtbar war. Mein Weg führte wie automatisch darauf zu und als mein Blick, den meines Spiegelbildes traf, stockte mir der Atem erneut. Natürlich wusste ich, dass meine Augen nun rot waren und ich mich im Allgemeinen auch anders fühlte. Stärker, hinsichtlich dieses negativen Drucks der auf mir lag. Doch nun mit eigenen Augen zu sehen, wie dieses glühende Rot mir entgegen blickte, war ein völlig anderes Gefühl.
Für einen Augenblick war ich regelrecht in meinem eigenen Spiegelbild gefangen, bis ich wieder in die Realität zurückkehrte, die groben Strähnen meiner Haare richtete und mich wieder von diesem Spiegel entfernte. Seit Wochen hatte ich mich nicht mehr richtig in einem Spiegel ansehen können und auch jetzt hatte ich mich vollends auf meine Augen konzentriert. Alles andere hatte im Augenblick keine Bedeutung für mich. Nur kurz darauf verließ ich diesen Raum wieder und setzte meinen Weg durch diese Gänge fort. Lucifer hatte erwähnt, dass ich wissen würde, wo er sich befinden würde, wenn ich ihn brauchen sollte.
„Was machst du denn hier?" erreichte mich plötzlich eine weitere mir bekannte Stimme und ich entdeckte Zane, der sich in der Nähe der großen Flügeltür aufhielt, als wäre er eben erst aus dieser herausgetreten. Ich lief allerdings an ihm vorbei, ohne auf ihn einzugehen. Zane hingegen, schien das jedoch etwas zu stören. „Elodie warte, du kannst da jetzt nicht rein!" Rief er mir noch hinterher, doch auch das ignorierte ich wissentlich. Ob ich hier rein durfte oder nicht, war mir nun völlig egal.
Wie seltsam es doch war, dass ich nach all diesen Wochen, ausgerechnet auf der Suche nach Lucifer war. Nach allem was er mir angetan hatte. Es war verrückt und fühlte sich doch so selbstverständlich an. Ich lief das kurze Stück weiter, bis ich vor dieser einen Flügeltür stand, hinter der sich am vorigen Tag mein gesamtes Leben verändert hatte. Doch ich war mir nicht sicher, wen ich dahinter antreffen würde.
Die Angst, dass vielleicht nicht nur Lucifer sich dort befand, lähmte mich für einen kurzen Moment. Doch dann siegte die Unsicherheit in mir, die sich schon fast krankhaft nach etwas Ruhe sehnte und ich öffnete entschlossen diese Tür. Dahinter war es still, doch ich konnte ein paar Kerzen und Lichter sehen, die den Raum ein wenig erhellten. Genau so, wie ich ihn bereits kannte. Nichts erinnerte an die Zeremonie des vorigen Tages. Als wäre auch das nur ein simpler Traum gewesen.
„Elodie?" schallte es plötzlich durch den Raum und ich zuckte innerlich zusammen. Erst dann nahm ich die Sanftheit im Klang dieser Stimme war, die nichts mit der Stimme gemein hatte, die ich in meinem Traum und dort in meinen Gedanken gehört hatte. Ich brauchte einen Moment, um Lucifer inmitten dieses Raumes zu entdecken, wie er auf einem der Throne saß und seinen Blick direkt auf mich gerichtet hatte. Die Tür schloss sich mit einem dumpfen Schlag hinter mir und ich setzte mich erneut in Bewegung, diesmal direkt auf Lucifer zu. „Du konntest es wirklich nicht lassen, oder?" Er klang amüsiert, als er wohl die Farbe meines Kleides bemerkte.
Als ich jedoch nicht auf dieses Kommentar reagierte, änderte sich auch etwas in seinem Gesichtsausdruck und er erhob sich von seinem Thron. „Was ist los?" Ich war ihm bereits so nah, dass ich selbst in dem schummrigen Licht ein Flackern in Lucifers Augen erkennen konnte. Ich war allerdings zu aufgewühlt, um genau erklären zu können, was passiert war. „Dein Vater.. er war.." Ich schüttelte leicht den Kopf. Das war doch verrückt. Wenn es wirklich nur ein Traum gewesen war, ein äußerst absurder Traum, dann musste ich mich in diesem Augenblick anhören als wäre ich völlig irre.
„Es ist alles okay, Elli. Er ist nicht hier." Er griff nach meinen Händen und ich spürte direkt die angenehme Wärme, die von diesen ausging. „Du konntest nicht schlafen, habe ich Recht?" fragte er mich und ich gab ich ein bestätigendes Nicken. „Er war in meinem Kopf." Gab ich nur noch als kurze Erklärung zu verstehen, doch seltsamerweise schlich sich ein leichtes Lächeln auf Lucifers Lippen. Durch die Wärme die von ihm ausging, dauerte es nur wenige Augenblicke, bis auch meine Atmung sich wieder beruhigte und mein Puls wieder in einen normalen Rahmen sank. Der glühende Blick mit dem er mich ansah, machte mir keine Angst. Im Gegenteil. „Mein Vater kann dir jetzt nichts mehr tun, Elodie. Nie wieder."
DU LIEST GERADE
Des Teufels Königin
RomanceDer erste Teil der Reihe „In den Fängen des Teufels". - Elodie lebt das Leben, was sich wohl jedes Mädchen wünscht. Sie reist als weltbekanntes Model in unzählige Orte der Welt, besitzt eine große Villa und das Auto ihrer Träume. Doch gequält von sc...