Am Ende des Tunnels

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Die nächsten Tage verbrachte ich wie ich Trance. Lucifer hielt sein Wort und ließ mich nicht mehr aus seinem Zimmer. Auch wenn er nicht oft hier war, um nach mir zu sehen, wusste ich, dass er jederzeit wieder hereinkommen konnte. Zane hatte ich seit dem Moment auf der Brücke auch nicht mehr gesehen. Es gab also nichts, was mich irgendwie von meinem Tagesablauf ablenkte. Ich schlief demnach die meiste Zeit.

Ich wurde nur wach, wenn Lucifer hereinkam um mir etwas zu Essen und zu Trinken zu bringen. Was ich jedoch kaum anrührte. Sobald er wieder verschwand, ließ ich das Essen sofort liegen. Lucifer sollte denken, dass er auf dem richtigen Weg war. Er sollte sich Hoffnungen machen, dass er sein Ziel bald erreichen würde. Nur schien er nicht zu merken, dass er sich mit jeden Tag der verstrich, immer weiter davon entfernte.

Mein Tagesablauf war einfach gestrickt. Ich schlief den größten Teil des Tages, starrte an die Decke oder aß eine Kleinigkeit, wenn Lucifer mal anwesend war. Weshalb er so oft verschwand, wusste ich nicht. Es war mir mittlerweile auch egal. Desto näher ich meinem eigenen Ziel kam, desto weiter würde er sich von seinem entfernen. Das klang immerhin nach einem guten Plan.

Es musste mittlerweile schon eine Woche vergangen sein, die ich tatenlos hier herumlag. Mein Zeitgefühl war seit meinem ersten Tag an diesem Ort absolut hinfällig. Ich wachte einfach auf und schlief wieder ein. Tag und Nacht in seiner ursprünglichen Form, existierten für mich nicht mehr. Doch an diesem heutigen Tag, würde sich etwas ändern. Das erkannte ich an dem undeutlichen Gemurmel, welches vor der Zimmertür zu hören war.

Doch erst als die Tür einen Spalt breit geöffnet wurde, konnte ich auch die Stimmen hinter dem Gemurmel besser erkennen. Es waren Zane und Luc, die sich anscheinend über irgendetwas nicht ganz einig waren. „Nicht so laut, sie schläft." Brummte Luc leise, woraufhin ein leichtes Schnauben von Zane folgte. „Tu nicht so, als ob dir das wichtig wäre, Luc. Du siehst doch selbst, dass du es nicht alleine schaffst." Ich gab mir nicht mal große Mühe, etwas in diese Worte hinein zu interpretieren.

„Wir können sie nicht zurückbringen und dann einfach wieder mitnehmen. Das ist schwachsinnig und wird nicht funktionieren. Selbst wenn diese Kleingeister das nicht mitbekommen, ist mindestens das halbe Land auf der Suche nach ihr." Wieder war es Lucifer, der mir mit seinem bedrohlichen Unterton in der Stimme eine Gänsehaut bereitete. Vielleicht war er ja doch nicht so dämlich, wie ich anfangs gedacht hatte.

„Also willst du sie hier wirklich sterben lassen? Diese Engel werden sie so oder so finden. Ob tot oder lebendig. Du weißt, dass sie nicht hier bleiben wird." Das leise Murmeln von Zane wirkte sanfter als zuvor und schien Lucifer nachdenklich zu machen, denn es folgte einen Moment Schweigen. Sie wussten wohl nicht, dass ich wach war und ihre Worte mit halben Ohr mitanhörte. Jedoch gingen sie zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Ich machte mir keine Gedanken darum, was all dies zu bedeuten hatte. Dafür fehlte mir mittlerweile einfach die Kraft.

„Ich werde das alleine erledigen. Sonst kommst du noch auf die Idee und lässt sie einfach dort zurück." Meldete sich Lucifer wieder zu Wort und kurz darauf folgte ein gebrummtes „Au!" von ihm. „Sie ist weder hier noch dort drüben in guten Händen, das weiß ich. Ich bin ja nicht dämlich, Luc." „Das bist du nicht aber du bist ein Idiot. Dir wird es auch nicht besser ergehen, wenn das hier schief geht."

Die Worte wurden leiser, woran ich erkannte, dass die Tür sich wieder schloss. Bis sie schließlich mit einem leisen Klicken ins Schloss fiel und die Stimmen davor wieder in ein undeutliches Gemurmel übergingen. Was auch immer sie vor hatten, es war mir herzlichst egal. So lange ich die Möglichkeit zu schlafen hatte und nicht ständig von jedem genervt wurde. Ich wollte doch nur, dass all das hier endlich vorbei war.

Das Gemurmel vor der Tür wurde immer leiser, bis es schließlich endgültig verstummte. Nun war es wieder so still, dass es schon fast schon unangenehm wurde. Kein Wunder also, dass ich mich in solchen Momenten in diesen angenehmen Schlaf zurückzog. Dort musste ich weder etwas sagen, noch sehen, noch sonst irgendetwas fühlen. Es erleichterte den Weg zu meinem Ziel um Einiges. Solange mich niemand bei dieser Ruhe störte.

Aus diesem Grund dauerte es auch nicht lange, bis die Müdigkeit mich übermannte und ich wieder in einen traumlosen Schlaf fiel. Vielleicht war es auch keine Müdigkeit, sondern Erschöpfung, doch das war mir in diesem Moment gleichgültig. Es war ein Hinweis darauf, dass ich meinem Ziel näher kam. Kein Grund also, sich unnötig darüber Gedanken zu machen, was davon nun besser war.

Es kam mir wie Sekunden vor, doch es mussten bereits einige Stunden vergangen sein, als ich eine Bewegung spürte, die meinen Schlaf unterbrach und mich aus dieser Leere heraus riss, die mich umgab. Doch ganz so wirklich, nahm ich das Alles noch nicht war. Oder zumindest nicht mehr. Wie durch einen Schleier nahm ich war, dass mich jemand trug. Doch ich fühlte mich zu schwach, um nachzusehen, wer es war. Es war wie eine kurze Sequenz eines Filmes, in der ich halb mitbekam, was um mich herum passierte, ehe ich wieder in dieses dunkle Nichts fiel und einschlief.

Immer wieder wurde ich wach, nahm einen Sekundenbruchteil war, was um mich herum passierte und fiel dann wieder zurück ins Nichts. Ich hatte keine Angst. Es war in Ordnung. Es war genau das, was ich gewollt hatte, da mir keine andere Möglichkeit geblieben war als das. Die Brücke hatte nicht funktioniert, da war Lucifer zu schnell gewesen. Doch nun konnte auch er nichts mehr tun. Es schien so, als hätte ich wirklich die Chance, mein Ziel zu erreichen. Vielleicht war es kein rundum glückliches Ende, doch ich war zufrieden und mehr brauchte ich nicht. Ich kämpfte nicht mehr dagegen an.

Das nächste Mal erwachte ich aus diesem Zustand, als ich etwas Weiches unter mir spürte. So irritierend weich, dass ich mir sicher war, nicht mehr auf Lucifers Sofa zu liegen. Der Idiot hatte mich wohl ins Bett verfrachtet. Das hätte ihm auch zu Beginn einfallen können. Selbst für mich war ein Sofa nicht gerade der angenehmste Ort um zu Schlafen. Ich hatte ihn allerdings nie gefragt oder darum gebeten. Bevor ich mir jedoch weiter darüber Gedanken machen konnte, brach die Dunkelheit bereits wieder über mir herein.

Es tat nicht weh. Ich hatte keine Schmerzen und bedauerte auch nicht all die Menschen, die ich durch mein Verschwinden würde zurücklassen müssen. Ich sah kein Licht am Ende des Tunnels, wie es so manche beschreiben würden. Vermutlich würde es jeder anders nennen. Diese Leichtigkeit die einen überkam, sobald der Körper die Kraft verlor. Ich musste nur noch Loslassen. All das loslassen, was mich hier noch festhielt. Dann konnte ich endlich frei sein. Frei von alldem.

Doch irgendetwas hinderte mich daran. Ich wollte wirklich. Diesen letzten kleinen Schritt überwinden. Alles zu beenden und endlich diese Freiheit zu spüren, nach der ich mich seit langem sehnte. Doch es geschah nichts. Nichts dergleichen überkam mich. Im Gegenteil. Ich spürte von Sekunde zu Sekunde mehr, wie auch das Gefühl der Leichtigkeit verschwand. Es fühlte sich an, als würde mich etwas zurück nach unten ziehen. So weit nach unten, dass ich das Gefühl hatte, ich würde ertrinken.

Plötzlich verebbte dieses Gefühl und ich erwachte, wie schon so oft in der letzten Zeit, aus diesem Nichts. Wieder sah ich nichts weiter, als diesen weißen Schleier vor meinen Augen, als ich diese zu öffnen versuchte. Nur schemenhaft konnte ich um mich herum etwas erkennen. Nichts Bestimmtes, doch es wirkte heller als zuvor. War das überhaupt noch Lucifers Zimmer oder spielten mir meine Sinne mal wieder einen Streich, wie sie es bereits so oft getan hatten, seit ich in diesem Zustand war.

Sosehr ich mich auch bemühte, mein Sichtfeld blieb weiterhin von diesem hellenSchleier verhüllt und gab mir so keine Chance, auch nur ansatzweise zuerkennen, wo ich mich wirklich befand. Das einzige was ich wusste war, dass ichauf irgendetwas Weichem lag. Aber auch das ließ mich zu keiner Erkenntniskommen. Das war es jedoch nicht, was mich störte. Etwas hatte mich anscheinendzurückgeholt. Ich wusste zwar nicht, wie Lucifer das gemacht hatte, doch erhatte auch diesen letzten Ausweg problemlos zunichte gemacht. 

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Wo glaubt ihr, befindet sich Elodie?

Noch immer bei Lucifer oder vielleicht an irgendeinem anderen Ort?

Wird Lucifer sie irgendwann gehen lassen?

Finden die Engel doch einen Weg, sie zurück zu holen?

Ja ich weiß, so viele Fragen und auf keine davon gibt es momentan Antworten. Aber keine Sorge, all das erfahrt ihr noch in den nächsten Kapiteln! 

Denn genau wie Lucifer schon sagte: Es ist nicht alles so schlimm, wie es anfangs scheint. :)

LG eure schreibmotivierte Angel

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt