Absurdität

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„Alles okay?" fragte mich Lucifer, während ich noch dabei war, diese kurzzeitige Reise zu verarbeiten. Erst dann, begann ich mich umzusehen und gab ein bestätigendes „Mhm." von mir. Es hatte sich nichts verändert, seitdem ich von diesem Ort verschwunden war. Es wirkte alles noch genauso düster und seltsam gruselig, wie bei meiner ersten Ankunft. „Wir sollten sie direkt zu Vater bringen." Meinte Lucifer anschließend und er legte einen Arm um mich, ehe wir uns in Bewegung setzten. Ich war ganz froh darüber. Sonst wäre ich nicht einmal in der Lage, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Zane hingegen antwortete mir nicht.

Genau wie letztes Mal, waren meine Gedanken plötzlich viel lauter als zuvor und es würde mit Sicherheit einen Augenblick dauern, bis ich diese dauerhaft ignorieren könnte. Wir verließen den großen Saal, in dem wir aufgetaucht waren und bewegten uns durch die vielen unzähligen Gänge, bei denen ich auch bei meinem ersten Aufenthalt bereits die Orientierung verloren hatte. „Muss das sein? Können wir das nicht ohne.." begann ich zu murmeln, als ich eine mir mittlerweile bekannte Flügeltür in unserer Nähe entdeckte. Konnten wir das nicht hinter uns bringen, ohne dass ich dem Teufel höchstpersönlich vor die Augen treten musste?

„Es geht nicht anders, Elodie. Tut mir leid." Meldete sich nun doch Zane zu Wort, der sich auf der anderen Seite von mir befand. Als würden die beiden mich vor dem beschützen wollen, was sich um uns herum befand. „Dir wird nichts passieren. Jetzt nicht mehr." Ergänzte Lucifer, ehe wir uns weiter der Flügeltür näherten und Zane diese für uns öffnete. Den Raum der sich dahinter befand, kannte ich bereits. Dennoch lief es mir eiskalt den Rücken hinunter, als ich diese eine Person auf einem der zwei Throne sitzen sah, die sich inmitten diesem befanden.

„Die kleine Elodie. Welch eine Freude, dich hier zu sehen." Schallte die raue und zugleich dunkle Stimme des Teufels durch diesen Raum. Wir hatten uns nur wenige Meter in diesen Raum hineinbewegt, da gab dieser Mann Lucifer bereits ein Zeichen, stehen zu bleiben. Auch darüber war ich froh. Ich wollte diesem Wesen nicht noch einmal so nahe kommen. Selbst wenn er mir, laut den Brüdern, nun nicht mehr wehtun würde. „Sie ist hier, um das zu tun, wofür sie bestimmt ist und du wirst sie ab sofort in Ruhe lassen, Vater." Der Teufel gab nur ein raues Lachen von sich, was mir eine Gänsehaut bereitete. „Natürlich, mein Sohn."

Sein Blick richtete sich schlagartig auf mich und ich konnte mir schon fast denken, was nun folgen würde. „Warum trittst du denn nicht ein wenig näher? Ich würde unsere neue Königin sehr gerne im Detail betrachten können." Bei den Worten des Teufels drehte sich mir wortwörtlich der Magen um. Ich lenkte meinen Blick zu Lucifer, der nur seinen Arm von meiner Schulter nahm und mir aufmunternd zunickte. „Ist schon okay." Er hatte leicht Reden. Für ihn war es nur sein grausamer Vater. Ich selbst, stand hier aber dem grauenhaftesten Wesen gegenüber, welches jemals in meiner Vorstellung existiert hatte.

Trotz meiner Unsicherheit trat ich langsam ein paar Schritte vor, in die Richtung dieses Mannes, der mir in kürzester Zeit eine der wichtigsten Personen meines Lebens genommen hatte. Erst als ich mich einen knappen Meter vor seinem Thron befand, blieb ich stehen. Lucifer und Zane waren die einzigen, die mir an diesem Ort würden helfen können, falls etwas passierte. Ich musste darauf vertrauen, dass sie wussten, was sie taten. „Es ist wirklich traurig, dieses strahlende blau in ihren Augen nicht mehr zu sehen, findest du nicht auch, Lucifer?" Ich hatte bereits gewusst, dass etwas mit meinen Augen wieder nicht in Ordnung war. Es überraschte mich nicht mehr.

„Das ist dein Verschulden, Vater. Du hättest ihr Raphael nicht nehmen sollen." Gab Zane von sich, direkt gefolgt von einem dumpfen Schlag „Au!" Lucifer hatte bereits gehandelt, bevor ich etwas dazu sagen konnte. Er wusste, dass ich nicht über ihn sprechen wollte. Zane musste diese Tatsache eben erst deutlich gemacht bekommen, allerdings mit ein wenig Unterstützung von seinem Bruder. „Dieser winzige Kleingeist?" Der Teufel gab ein raues Lachen von sich und erhob sich von seinem Thron. Wie ein Reflex wollte ich zur Flucht antreten, doch mein Körper reagierte nicht darauf. Ich bewegte mich kein Stück.

„Es gibt etwas, dass du wissen solltest, kleine Elodie." Der Mann trat langsam näher, bis uns nur noch wenige Zentimeter voneinander trennten und ich gezwungen war, meinen Blick zu heben, um ihn weiterhin ansehen zu können. Ich war momentan nicht in der Lage, auf irgendeine Weise zu protestieren. Bevor ich jedoch schnell genug reagieren konnte, spürte ich bereits einen mehr als unangenehmen Griff um meinen Hals, der meinen Atem kurz stocken ließ. Nur wenige Meter hinter mir, konnte ich eine deutliche Bewegung vernehmen, doch was genau dort geschah, konnte ich nicht sehen. Ich konnte mich einzig und allein auf den Druck an meinem Hals konzentrieren, für den der Teufel selbst verantwortlich war.

„Raphael ist noch immer hier, ich sehe es aber nicht gerne, wenn ein Mensch unser Höllenfeuer betritt." Kam es in einem bedrohlichem Knurren von ihm, während ich kaum die Möglichkeit hatte, zu atmen. Der Druck verstärkte sich ein wenig und ich konnte für einen kurzen Moment sogar schwarze Flecken vor meinen Augen tanzen sehen. „Wenn du auch nur versuchst, dich deiner Aufgabe zu entziehen, wird es dir genauso ergehen, wie ihm. Meine Geduld ist begrenzt, Elodie." Erst nach Beendigung dieser Worte, zog er seine Hand zurück und dieses erstickende Gefühl verschwand. Stattdessen strömte die Luft wieder vollends in meine Lungen und ich fasste mir wie automatisch an den Hals.

„Lasst sie nicht aus den Augen und bereitet sie für die Zeremonie vor. Zane, du weißt was zu tun ist." So plötzlich wie er seine Hand um meinen Hals gelegt hatte, so schnell verschwand er auch vor meinen Augen und ich ließ mich vor Erschöpfung auf die Knie fallen. Es war nur ein kurzer Moment gewesen und dennoch hatte er so viel von meiner Energie geraubt, als wäre ich einen ganzen Marathon gelaufen. „Elodie, alles okay?" Lucifer war neben mir aufgetaucht und ich konnte nur mit einem zögernden Nicken antworten. Nichts war okay, aber das war bereits zu erwarten.

„Ich hätte eingreifen sollen, Zane. Sie ist nicht Mutter. Er kann mit Elodie nicht tun und lassen, was er will." Von Zane konnte ich keine hörbare Antwort vernehmen. Stattdessen legten sich zwei Arme um mich, von denen eine angenehme Wärme ausging und mich wieder auf die Beine zogen. „Wir bringen dich in dein Zimmer, Elli. Du kannst dich jetzt ein wenig ausruhen." Das klang nach einer absolut verlockenden Idee. Levias Zimmer war auch damals schon ein Ort gewesen, in dem ich mich wohler gefühlt hatte, als in allen anderen Räumen an diesem grauenhaften Ort. Aus diesem Grund ließ ich mich kommentarlos von Lucifer führen, der kein Problem hatte, den Weg zu diesem Zimmer zu finden.

Unzählige Gänge und weitere unzählige Türen später, konnte ich in einiger Entfernung bereits die Tür erkennen, die ich mir in all den Wochen sehr gut einprägen konnte. „Es wird aufhören, versprochen." Hörte ich Lucifer leise neben mir murmeln, ehe er die Tür zu Levias, genauer gesagt, meinem Zimmer öffnete und mit mir hineintrat. Es reichte nur ein kurzer Blick um festzustellen, dass auch hier noch alles genauso aussah, wie zuvor. Es hatte sich rein gar nichts verändert, was ein eher beklemmendes Gefühl in mir auflöste. Alles hier erinnerte mich an die grausamen Momente, die ich an diesem Ort bereits durchleben musste. Plötzlich war ich mir nicht mehr sicher, ob es wirklich eine so gute Idee gewesen war, hierher zurückzukehren.

„Leg dich hin und ruh dich aus. Ich werde Andromalius schicken, um nach dir zu sehen." „Wirklich Zane? Diesen Nichtsnutz?" fiel Lucifer ihm ins Wort, während er mich zum Bett führte und dort wartete, bis ich mich gesetzt hatte. Seit meiner Ankunft war sowohl mein Körper, als auch mein Kopf damit beschäftigt, die Tatsache zu verarbeiten, dass ich wieder hier war. Und die beiden Brüder waren sich uneinig darüber, ob es eine gute Idee wäre, einen Dämon zu schicken, um nachzusehen, ob mit mir alles in Ordnung war. Wie absurd das doch klang.

„Er ist okay." Brachte ich nun doch die wenigen Worte hervor, welche die beiden Brüder sofort verstummen ließen. Ich konnte die nachdenklichen Blicke der beiden erkennen, wie sie erst mich und dann einander unschlüssig ansahen. Charakterlich waren sie so verschieden und in mancher Hinsicht doch so gleich. „Schick Andromalius her, wenn es notwendig ist." Dieses Wesen kannte ich bereits und ich traf lieber ihn hier an, als irgendein anderes Wesen, welches vielleicht noch seltsamer und gruseliger war, als dieser kleine Dämon.

„Klärt das, was ihr zuerledigen habt, ich brauche hier noch einen Moment." Das schienen die beidenBrüder wohl doch zu verstehen. Zane beantwortete dies nur mit einem Nicken undwandte sich schließlich zum Gehen. Lucifer hingegen blieb noch einen Moment unschlüssig beimir stehen und schien sich nicht ganz sicher zu sein, ob er mich hier wirklichalleine lassen sollte. Doch dann verließ auch er dieses Zimmer.

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt