Ein Deal ist ein Deal

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Die Tage zogen nur so dahin, wie der Wind in den Bäumen. Außerhalb des Hauses war noch immer alles mit Schnee bedeckt und ich hatte eine ganze Weile gebraucht, um mich an diese plötzliche Veränderung zu gewöhnen. Es war viel Zeit vergangen, seit ich diese Welt verlassen hatte und ich hatte das Gefühl, als müsste ich die vergangenen Wochen in irgendeiner Weise nachholen. Seit Tagen verbrachte ich die meiste Zeit damit, mich meinem E-Mail Postfach zu widmen und Termine für die Zukunft zu vereinbaren. Ich wollte, dass auch weiterhin alles so ablief, wie zuvor. Schnell hatte ich vergessen, wie anstrengend dies damals doch gewesen war.

Auch an diesem Tag saß ich wieder mit dem Laptop auf meinen Beinen, auf einem der Sofas im Wohnzimmer. Eine dünne Decke lag um meine Schultern, damit ich es etwas gemütlicher hatte. Draußen war es bereits dunkel und ich hatte auch die Uhrzeit komplett aus den Augen verloren. Da es Winter war, konnte es jede mögliche Uhrzeit sein. Später Nachmittag, mitten in der Nacht oder sogar bereits früher Morgen. Ich wusste es nicht. Meine Aufmerksamkeit galt lediglich den unbeantworteten Mails auf dem Laptop vor mir. Lucifer hatte ich ebenfalls seit einer Weile nicht mehr gesehen. Damit war ich zufrieden. Er hatte bereits einen zu großen Teil meines Lebens eingenommen.

Ich wollte gerade nach der Tasse auf dem Tisch neben mir greifen und einen Schluck daraus trinken, als ich feststellte, dass der Tee darin bereits leer war. Weshalb ich den Laptop mit einem leisen Seufzen von meinem Schoß nahm und mich von meinem Platz auf dem Sofa erhob, um in die Küche zu gehen. Kaffee mochte ich absolut nicht, er war mir einfach zu bitter. Nur schwarzer Tee kam ansatzweise an diese enthaltene Menge an Koffein heran. Ich nahm also ein weiteres Päckchen dieses Tees aus dem Schrank und setzte neues Wasser auf. Dann hieß es erstmal warten.

Ein Moment in dem ich einfach nur still dastand und sich mein Blick seit langem Mal wieder zur Uhr richtete. Wie ich schon befürchtet hatte, war es kurz nach 1 in der Nacht und somit eine Uhrzeit, in der jeder normale Mensch bereits am Schlafen war. Als ich allerdings meinen Blick von der Uhr abwandte um den Tee fertig zu machen, bemerkte ich im Augenwinkel eine Bewegung. Ich stoppte und blickte durch das Fenster nach draußen auf meine Terrasse. Es war kein Licht dort draußen, doch ich konnte ganz deutlich sehen, dass dort jemand saß und diese Person kam mir ziemlich bekannt vor.

Ich wartete jedoch erst, bis der Tee fertig war und betrat erst daraufhin zögernd die Terrasse. Nun erkannte ich es noch deutlicher. Die Person war männlich, groß gebaut und saß mit dem Rücken zu mir gewandt. Ich hätte ihn einfach dort sitzen lassen sollen. Er war mir nicht wichtig genug, als das ich mir hätte Sorgen um ihn machen können und dennoch wunderte es mich, ihn hier draußen zu sehen. Besonders da er doch an so vielen anderen Orten hätte sein können, als hier. Er verhielt sich allerdings schon seit einer ganzen Weile ziemlich seltsam, da sollte dies kein Wunder sein.

„Lucifer?" fragte ich leise, um den schwarzhaarigen jungen Mann vor mir, nicht zu erschrecken. Er reagierte allerdings nicht darauf, weshalb ich langsam näher trat, bis ich mich ungefähr auf gleicher Höhe mit ihm befand. Er saß auf einer der Sonnenliegen, die er halbherzig vom Schnee befreit hatte. Diese Dinge räumte ich nie weg. Im Winter sah hier alles genauso aus, wie im Sommer. „Was machst du hier?" setzte ich erneut an, da ich diese Situation langsam ziemlich gruselig fand. Er schwieg allerdings noch immer, doch er deutete mit einer kurzen Handbewegung auf den Schnee vor sich. Erst einen Augenblick später bemerkte ich, wie nur wenige Meter von uns entfernt ein kleiner Vogel über den Schnee hüpfte. Es musste wohl einer von denen sein, die auch den Winter über hier verbrachten.

„Ich muss mit dir reden, Elodie." Begann Lucifer dann doch zu sprechen. Jedoch nur so leise, dass ich es gerade so verstehen konnte. Ohne darauf zu achten, dass ich mir hier draußen langsam die Füße ab fror oder dass der Tee in meinen Händen die einzige Wärmequelle war, schob nun auch ich den Schnee auf der Liege nebenan, etwas zur Seite und ließ mich dort dann nieder. Mein Blick war dabei weiterhin auf Lucifer gerichtet. Irgendetwas stimmte nicht. Er war viel zu ruhig für seine Art und ich bin mir sicher, dass niemand es gerade als positiv betrachtete, wenn jemand mit einem selbst über etwas sprechen wollte. Es musste also etwas vorgefallen sein.

„Kannst du dir vorstellen, wie lange ich so etwas nicht mehr gesehen habe?" fragte er leise, den Blick noch immer auf den kleinen Vogel weniger Meter vor uns gerichtet. Das kleine Ding schien sich nicht von uns stören zu lassen, es hüpfte einfach weiter mit winzigen Sprüngen über den Schnee, als würde es nach etwas suchen. „Was meinst du?" fragte ich nun etwas leiser, um diesen Vogel nicht zu stören, doch auch jetzt, sah Lucifer nicht zu mir. „Schnee, Vögel.. das Alles. Du warst nicht die einzige, die von Alldem nichts mitbekommen hat, Elodie."

Ich runzelte leicht die Stirn, doch gerade als ich zu sprechen beginnen wollte, drehte Luc seinen Kopf in meine Richtung und ließ mich verstummen. Seine Augen waren nicht mehr feurig rot, es waren auch keine Flammen darin zu erkennen. Sie waren einfach nur in ein dunkles braun getaucht, welches schon fast schwarz sein konnte. Die Farbe, die ich bei Satan sonst immer zu sehen bekam, wenn er aus Rücksicht zu mir, dieses Teufelsding vermied. Dafür war ich ihm sehr dankbar gewesen, doch bei Lucifer verwirrte mich diese Veränderung nur umso mehr.

„Nachdem Levia gegangen ist, habe ich die Hölle nicht mehr verlassen. Das ist jetzt schon eine ganze Weile her." Seine Stimme war so seltsam ruhig, dass man meinen könnte, er sei eine völlig andere Person. Eine Seite von Lucifer, die ich nie kennengelernt hatte und nun als ziemlich gruselig empfand. „Warum?" fragte ich daraufhin allerdings nur, als er nicht automatisch weiter sprach. Natürlich interessierte es mich, was er zu sagen hatte. Immerhin hatte all dies auch damit zu tun, warum ich ausgerechnet mit ihm mein restliches Leben in der Hölle verbringen sollte,

Es folgte ein leichtes Lachen seinerseits und er wandte den Blick wieder von mir ab. Der Vogel war mittlerweile aus unserem Sichtfeld verschwunden und ließ die Welt um uns herum wortwörtlich stillstehen. Kein Geräusch war zu hören, keine kleinste Bewegung zu sehen, abgesehen von dem leichten Wiegen der Bäume im Wind. „Das fragst du noch?" er schüttelte kurz den Kopf. „Sie ist zwar meine Schwester aber das bedeutet nicht, dass ich sie einfach so besuchen kann. Mein Vater wollte das nicht." Ich nickte langsam und versuchte so gut wie irgend möglich, all diese Worte in meinem Gedächtnis abzuspeichern.

„Und du hast das einfach so hingenommen? Du hältst dich doch auch sonst nicht an irgendwelche Regeln." Brummte ich leise und sah, wie sich sein Kiefer ein wenig anspannte. Er saß lediglich mit seiner mittlerweile typischen Lederjacke hier draußen im tiefsten Winter, doch er schien nicht mal annähernd zu frieren. Ganz im Gegenteil zu mir, denn ich trug lediglich einen einfachen Pyjama mit einer Strickjacke darüber. Die Decke lag leider noch im Wohnzimmer. Als Mensch, wie ich einer war, begann man unter solchen Bedingungen eben ziemlich schnell zu frieren. Ich trank daraufhin einen Schluck von meinem Tee, aus dem Versuch heraus, mich dadurch etwas von Innen zu wärmen. Immerhin tat die frische Luft meinem überhitzten Schädel ziemlich gut.

„Es sieht vielleicht nicht danach aus aber sie bedeutet mir mehr, als du denkst. Ich habe versucht sie zu sehen aber Vater hat es irgendwann herausbekommen." Sein Blick war wortwörtlich ins Leere gerichtet. Als wäre er gar nicht hier, sondern an einem ganz anderen Ort, irgendwo in den Gedanken seiner Vergangenheit. „Es tut mir wirklich leid, Elodie. Das alles hier. Ich wusste nicht, dass es solche Ausmaße annehmen könnte." Diese Entschuldigung änderte zwar nichts an der Situation, doch ich wusste, dass er es ernst meinte. Lucifer entschuldigte sich nicht einfach so. Das tat er nie.

„Warum hörst du dann nicht damit auf, Lucifer? Wenn du doch selbst weißt, dass das alles schwachsinnig ist, warum sucht ihr dann nicht nach einer anderen Lösung oder überlasst Zane den Thron, so wie es anfangs bereits geplant war." Wieder spannte sich Lucifers Kiefer etwas an, woran ich merkte, dass er nur sehr ungern über dieses Thema sprach. „Es liegt nicht in meiner Natur das einfach so hinzunehmen. Warum sollte ich der einzige sein, der darunter leiden muss, was damals passierte? Das ist nicht so einfach wie es klingt, Elodie." Nun drehte er doch wieder den Kopf in meine Richtung und blickte mich mit diesen so anders wirkenden Augen an. Ganz so, als säße nicht Lucifer vor mir, sondern Zane, der mit diesem Blick jedes Mal eine gewisse Ruhe ausstrahlte. „Und wie mein Vater immer so gerne sagt; Ein Deal ist ein Deal, selbst mit dem Teufel."

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt