Ohne Worte

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Seitdem die beiden Streithähne mich im großen Saal zurückgelassen hatten, stocherte ich gelangweilt in dem Essen herum, welches vor mir auf dem Tisch lag. Eier und Speck, etwas Besseres war ihnen heute wohl nicht eingefallen. Im Grunde genommen spielte es sowieso keine Rolle. Ich hatte ja nicht mal vor, etwas davon zu essen. Sie hatten wohl noch immer nicht verstanden, dass ich nicht gerade gerne etwas aß. Allerdings spielte auch dies mittlerweile nicht mehr wichtig, denn mein Model-Dasein konnte ich nun vergessen.

„Was willst du?" fragte ich leise in die Stille hinein, noch bevor die Person in der Lage war, etwas zu sagen. Ich hatte die dumpfen Schritte auf dem Boden bereits gehört und wusste schon, ohne überhaupt hinsehen zu müssen, wer mal wieder beschloss, meine Ruhe zu stören. Die Schritte verstummten, weshalb ich nun doch den Kopf hob und in Lucifers nun dunkelbraune, fast schon schwarze Augen sah. Entweder war er heute einfach nur mit dem falschen Fuß aufgestanden oder irgendetwas stimmte gewaltig nicht mit ihm.

„Ich wollte dir etwas Gesellschaft leisten." Meinte der sich seltsam verhaltende junge Mann vor mir und ich runzelte leicht die Stirn. Es schien also Punkt Nummer zwei meiner Vermutungen zu sein. Irgendetwas war nicht in Ordnung mit ihm. Dass ich mich etwas skeptisch verhielt, war also vollkommen nachvollziehbar. „Ich komme schon alleine klar, Lucifer. Ich denke nicht, dass mich hier irgendjemand unerlaubt auch nur ansehen würde. Ach ja und deine Augen .. das kannst du dir sparen." Gab ich mit einem gelangweilten Unterton von mir und widmete meine Aufmerksamkeit wieder dem Herumstochern in meinem Essen.

Lucifer schwieg daraufhin, was mir auch ganz recht war. So störte er mich immerhin nicht bei meiner Beschäftigung. Ich hörte wie er wieder näher kam und sich kurz darauf auf dem Stuhl mir gegenüber niederließ. Er hielt sich nie gerne in meiner Nähe auf, warum also war er hier? „Das Ei ist schon tot Elodie, ich denke du kannst es jetzt essen." Hörte ich ihn sagen und ich stoppte in meiner Bewegung. „Warum bist du wirklich hier?" fragte ich nach, ehe ich meiner Beschäftigung weiter nachging. So hatte ich immerhin etwas zu tun, ohne groß über den Grund seines Verhaltens nachdenken zu müssen.

„Das habe ich dir doch eben beantwortet. Du solltest hier nicht alleine sitzen." Nun hob ich doch wieder den Kopf und blickte in seine noch immer normal wirkenden Augen. „Woher dieser Wandel kleiner Teufel? Hast du etwa Angst, dass ich plötzlich verschwinde?" fragte ich, so gleichgültig, dass es selbst mich etwas überraschte, wie bedeutungslos das für mich war. Für einen kurzen Moment konnte ich etwas Rötliches in seinen Augen aufblitzen sehen. Ich lag mit meiner Vermutung also nicht ganz falsch, allerdings hatte ich das bereits erwartet.

„Nein, das ist es nicht. Du hast keine Möglichkeit von hier zu verschwinden und das weißt du." Meinte er, jedoch etwas leiser als gewöhnlich. Augenblicklich ließ ich von meinem Essen ab und erhob mich von meinem Platz. „Dann ist es ja anscheinend nicht notwendig, mir Gesellschaft zu leisten." Es gab keinen Grund sich darüber aufzuregen. Unter all diesen Räumen gab es noch unzählige weitere Möglichkeiten, meine Ruhe zu haben. Dass ließ ich mir nicht von ihm und seiner plötzlichen Anhänglichkeit nehmen.

Ohne auf eine Antwort von ihm zu warten, schlug ich meinen Weg Richtung Tür ein, die zum Gang meines Zimmers führte. Doch noch bevor ich den Türgriff überhaupt erreichen konnte, spürte ich eine Hand an meinem Arm, die mich stoppen ließ. Diesmal fühlte sie sich kalt an, seine Hand. Ein Zeichen dafür, dass seine Augen noch immer nicht das Rot zeigte, dass ich von ihm gewohnt war. Mit einem Seufzen drehte ich mich in Lucifers Richtung und blickte unbeeindruckt zu ihm hoch. Seine Hand entfernte er allerdings nicht von meinem Arm.

„Dieser Ort ist nicht so schrecklich wie du denkst, immerhin leben wir ja auch hier." Begann er zu erzählen, doch ich schüttelte leicht den Kopf. „Es ist vielleicht euer Zuhause, doch meines ist es nicht. Das wird es auch nie sein." Ihm dies zu sagen, störte mich nicht. Es war eine Tatsache, die ihm eigentlich hätte bewusst sein sollen. Nach dem Ganzen konnte er nicht verlangen, dass ich diesen Ort hier freiwillig mein Zuhause nannte.

„Ich meine es ernst, Elodie. Nicht alles hier ist grausam, du hast es nur noch nicht gesehen. Ich könnte dir.." Ich schüttelte erneut den Kopf und schob seine Hand von meinem Arm „Nein, Lucifer. Ich weiß nicht was du damit erreichen willst aber spar dir die Mühe." Ich trat einen Schritt zurück um die Distanz zwischen uns zu vergrößern. Warum verstand er es denn nicht? Ich gab ihm doch bereits genau das, was er wollte.

„Als Kind habe ich Geschichten über diesen Ort hier gehört und dabei wurde nie etwas Positives erzählt. Seitdem ich weiß, dass die Hölle wirklich existiert, ist es für mich ein Ort voller Qualen. Du brauchst dafür also keine Wort zu verschwenden, Lucifer. Versuche nicht so zu sein wie Zane. Dein Bruder ist auch nicht gerade das netteste Wesen aber was erhoffst du dir davon, dich so zu verhalten wie er? So zu tun, als wäre ich dir nicht egal.." Obwohl ich diese Worte mit einer innerlichen Ruhe aussprach, welche wohl eher einer Leere glich, konnte ich deutlich sehen, dass Lucifer diese deutlich verstanden hatte.

„Das bist nicht du Lucifer. Auch Zane wird nichts daran ändern, dass ich diesen Ort nicht als mein Zuhause akzeptiere. Wenn du mich wirklich schon so lange beobachtest, solltest du das eigentlich wissen." Während ich dies sagte, hielt ich standhaft Augenkontakt mit ihm. Er sollte endlich erkennen, dass er keine Chance hatte, irgendetwas an dieser Situation zu ändern. Ohne dass Lucifer etwas dazu sagte, konnte ich in seinen Augen bereits eine Veränderung erkennen.

In seinen dunklen, fast schwarzen Augen die meinem durchdringenden Blick standhielten, konnte ich plötzlich ein Flackern erkennen. So als würde man eine Kerze anzünden. Er hatte anscheinend eingesehen, dass er mit dieser Methode nicht weiterkam. Das Flackern in seinen Augen wurde heller, bis sie mir schließlich mit dem feurigen Rot entgegen stachen, dass ich bereits von ihm kannte. Vielleicht hätte ich das als Sieg ansehen können. Doch meine Lippen zierte nicht mal der Hauch eines Lächeln. Mein Gesichtsausdruck blieb weiterhin gleichgültig.

„Ist es nicht viel schöner, man selbst sein zu können?" fragte ich mit einem leicht ironischen Unterton in der Stimme. „Gib mir nicht noch mehr Gründe um dich zu hassen." Mit diesen Worten unterbrach ich unseren Blickkontakt, strich über das schwarze Kleid, welches ich noch immer trug und wandte mich von ihm ab, um den Saal zu verlassen. Diesmal hinderte mich Lucifer jedoch nicht daran. Er hatte meine Worte einfach schweigend hingenommen.

Nachdem ich die große Flügeltür hinter mir zuschlagen hörte, blieb ich in dem darauffolgenden Gang stehen. Mir war nicht danach, Levias Zimmer zu betreten. Dort wirkte es zu hell. Zu freundlich um dieses langweilige Leben zu fristen. In meinem Kopf tauchte wieder dieser eine Ort auf, den Luc mir an diesem Morgen erst gezeigt hatte. Vielleicht zog ich die Möglichkeit eines eigenen Rückzugsortes ja doch in Erwägung. Wenn Lucifer Recht behielt, hatte ich dort für die restliche Zeit meine Ruhe.

Den Weg dorthin wieder zu finden, würde allerdings ziemlich schwierig werden. Zumal ich mich auf der anderen Seite des großen Saals befand und ich ganz sicher nicht wieder dort hineingehen würde. Einem weiteren Gespräch mit Lucifer ging ich mit Vergnügen aus dem Weg. Also blieb mir nichts Anderes übrig, als planlos durch die Gänge zu irren. Vielleicht fand ich den Weg zu diesem, laut Lucifer, besonderem Garten, auch ohne Hilfe.

Mal rechts, mal links entlang. Dann geradeaus und wieder rechts. Unzählige Male das selbe Spiel. Die Orientierung hatte ich dabei schon lange verloren. Ohne jegliche Ahnung, wo genau ich mich nach diesen ganzen Abzweigungen eigentlich befand, irrte ich einfach weiter, durch das von Mauern umgebene Monstrum namens Hölle. Womöglich dauerte es Stunden, Tage, Wochen.. doch irgendwann würde ich diesen Ort schon finden. Lucifer konnte es egal sein was ich tat, immerhin hatte ich sein Angebot doch etwas widerwillig angenommen.

Ichrannte nicht durch diese Gänge. Ich hoffte nicht, diese eine Tür so schnell wiemöglich zu finden und es war mir auch egal, wie lange ich bei dieser Suchebrauchte. Ich schritt mit einer gewissen Ruhe durch die Gänge, die für mancheschon fast gruselig wirken könnte. Denn die Suche nach diesem Raum, war dieletzte kleine Aufgabe, die ich mir gab. Und sobald ich diesen Ort gefundenhatte, war ich frei. Dort würde mich niemand mehr daran hindern können, meineneigenen Weg zu gehen. 

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt