Misstrauen

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Ich stoppte in meiner Bewegung und blickte ihn mit einem ausdruckslosen Blick an. „Was meinst du damit?" fragte ich nach und ließ das Essen einfach achtlos stehen. Es schien mir in diesem Augenblick ziemlich unwichtig zu sein. Nicht, dass ich mir Sorgen um Raphael machte. Dazu war ich nicht in der Lage. Noch nicht. Es war nur ziemlich merkwürdig, dass er einfach so verschwand. Besonders nach den ganzen Geschehnissen.

Es folgte ein Seufzen von Lucifer, der seinen Blick nun von mir abwandte. Doch er schwieg. Er gab mir keine Antwort auf meine Frage. Nicht mal eine winzige Andeutung. Es vergingen nur wenige Sekunden, doch es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Eine Ewigkeit, in der ich eine Antwort auf diese Frage erwartete. Doch sie kam nicht. Lucifer hatte nur weiterhin den Blick von mir abgewandt und sah stumm an mir vorbei zum Fenster.

„Wir gehen jetzt." Meinte er nach dieser gefühlten Ewigkeit und ich erhob mich nur langsam von dem Bett, in dem ich die letzten Wochen fast durchgehend gelegen hatte. „Wird denn niemand fragen, wo.." begann ich, doch Lucifer schüttelte den Kopf. „Niemand wird wissen, dass du jemals hier warst." Brummte er nur und öffnete mir daraufhin die Tür. Ein wenig verwirrt über diese Aussage, trat ich langsam näher und verließ schließlich das Zimmer. Dicht gefolgt von Lucifer, der es wohl gar nicht erwarten konnte, diesen Ort wieder zu verlassen.

Die nächsten Minuten verliefen schweigend. Ich sah keinen Grund darin, ihn weiter auszufragen. Er würde mir sowieso keine Antwort geben. Zumindest nicht auf die Frage, die momentan am wichtigsten schien. Sobald wir allerdings den Eingangsbereich des Krankenhauses verließen und durch die sich automatisch öffnende Tür traten, blieb ich regelrecht wie angewurzelt stehen. Es war weiß. Überall. Durch das Tageslicht schien alles nur noch heller zu erscheinen. Auf den Straßen, den Autos, in den kahlen Bäumen. Überall lag Schnee.

„Aber..was.." setzte ich an, da ich nicht ganz begreifen konnte, was hier passiert war. „Die Welt dreht sich weiter, Elodie. Du warst eine ganze Weile nicht hier." Beantwortete Lucifer mir diese angesetzte Frage, kaum beeindruckt von diesem vielen weiß um uns herum. Da ich allerdings nicht auf seinen abwartenden und langsam ungeduldig wirkenden Blick reagierte, griff er einfach nach meinem Arm und zog mich mit sich. Ein Wunder, dass ich es überhaupt ohne Hilfe bis hierher geschafft hatte. Ich spürte bereits, wie anstrengend dieser kurze Weg für mich war.

„Ich dachte, du wolltest nach Hause. Der Schnee läuft dir nicht weg." Kam es wieder brummend von ihm, bevor sein roter Aston Martin in meinem Blickfeld erschien. Durch seine auffällige Lackierung stach er ziemlich aus dem ganzen weiß heraus. Es fiel mir nicht schwer, ihn zu finden. „Wir fahren wirklich nach Hause?" fragte ich etwas misstrauisch nach, da ich mir plötzlich doch nicht mehr ganz sicher war, ob er das ernst meinte. Vielleicht war es ja doch nur wieder einer seiner Tricks, um mich von Raphael fernzuhalten. Das würde ziemlich gut zu ihm passen.

„Wenn du mich das noch einmal fragst, kannst du den ganzen Weg auch zu Fuß laufen." Wir hatten seinen Wagen erreicht, wo er meinen Arm losließ und sich mit einem nun mittlerweile ziemlich genervten Gesichtsausdruck zu mir wandte. „Ich denke aber nicht, dass du das willst. Also steig ein und.. sei einfach still." Mit diesen Worten öffnete er mir die Tür auf der Beifahrerseite und ich stieg nach kurzem Zögern ohne weiteres Kommentar ein. Kurz darauf schloss Luc die Tür des Wagens auch wieder und ich wurde von der Stille im Inneren des Wagens umhüllt.

Nur einen winzigen Augenblick später, öffnete sich die Tür auf der anderen Seite des Wagens und Lucifer stieg ein. Ich wollte dazu ansetzen etwas zu sagen, doch seine eben gesagten Worte, hielten mich davon ab, auch nur einen Ton von mir zu geben. Lucifer war problemlos dazu im Stande, mir schlimmeres anzutun, als ich mir auch nur vorstellen konnte. Deshalb schwieg ich. Ich schwieg, als er den Motor des Wagens startete, er den Wagen aus der Parklücke heraussteuerte und uns in den Straßenverkehr manövrierte. Ich schwieg den ganzen Weg über, genau wie Lucifer es wollte. Die unglaubliche Schneelandschaft um uns herum, lenkte mich immerhin ein wenig von dieser stillen Fahrt ab.

Sobald mir die Straßen allerdings bekannter wurden und ich meinen typischen Arbeitsweg darin erkannte, wurde ich aufmerksamer. Wir waren also wirklich auf dem Weg zu mir nach Hause. Warum tat er das? Es gab keinen Grund für ihn, mich nach all diesen Ereignissen einfach zurück nach Hause zu bringen. Nichts ergab in diesem Augenblick einen Sinn. Lucifer brachte mich aus einem mir mehr als unklaren Grund nach Hause, Raphael war kommentarlos verschwunden und nicht einen einzigen Engel hatte ich seit Beginn dieses Tages gesehen. Was also war hier los?

Einige Minuten später, parkte Lucifer den Wagen bereits in der mir so bekannten Auffahrt vor meinem Haus. Es war ein seltsames Gefühl es zu sehen. Auch hier war alles von Schnee bedeckt und von außen wirkte es fast so, als wäre seit Beginn des Schneefalls niemand mehr hier gewesen. Nicht eine einzige Spur war im Schnee zu sehen. Keine Fußabdrücke, keine Reifenspuren. Nichts. Wir schienen seit Wochen die ersten zu sein, die diesen Ort hier betraten und aus irgendeinem Grund traute ich mich nicht, diesen Wagen zu verlassen und diesen Ort aus der Nähe zu betrachten.

Dieser Ort, der eigentlich mein Zuhause war und nun doch so verlassen wirkte, als wäre nichts mehr so, wie an dem Tag, an dem ich diese Welt verlassen hatte. Genau das, was ich mir nicht erhofft hatte. Ich wollte diese Veränderung nicht. Es sollte alles so bleiben, wie es gewesen war. Natürlich war dieser winzige Funken an Hoffnung mal wieder ein Reinfall. Nichts war so wie damals und es würde auch nie wieder so sein. Dafür hatte Lucifer bereits gesorgt.

„Du musst schon aussteigen, wenn du nach Hause willst." Gab Lucifer mit einer etwas leiseren Stimme von sich. Er hatte meinen Gesichtsausdruck wohl gemerkt, doch nach einem kurzen Blick zu ihm, sah ich, dass auch er mich etwas skeptisch beobachtete. Als wüsste er nicht, was in mir vorging. Im Vergleich zu Raphael war dies ein ziemlicher Vorteil. Ich wäre nicht gerade erfreut darüber, wenn Lucifer jede kleine Veränderung in meinem Inneren direkt wahrnehmen könnte. Ich musste mich also entscheiden. Lucifer erklären, warum dieser Ort mir Angst machte oder mein Zuhause betreten, um Lucifer aus dem Weg zu gehen. Ich entschied mich für Letzteres.

Ich öffnete die Tür des Wagens mit ein wenig Anstrengung und stieg schließlich aus dem Wagen. Die eisige Luft die mich plötzlich umgab, ließ mich frösteln. Vorhin hatte ich sie nicht so kalt empfunden. Ich war wohl zu überwältigt von diesen Schneemassen gewesen, um irgendetwas anderes wahrzunehmen. Ich schloss die Wagentür wieder und trat schließlich meinen Weg zur Haustür an. Mit langsamen Schritten und um einiges erschwert durch den vielen Schnee, doch ich war lieber dort drinnen, als noch weitere Minuten bei Lucifer zu verbringen.

Meine Tasche lag vermutlich noch immer, seit den vergangen Wochen, im Haus, weshalb ich meinen Schlüssel logischerweise nicht dabei hatte. Das wäre ja auch zu komisch gewesen, doch es wurde mir erst jetzt bewusst. Für Lucifer musste das bestimmt amüsant sein. Jetzt war ich schon zuhause, kurz davor in mein altes Leben zurückzukehren, falls es das überhaupt noch gab, und ich konnte nicht mal diese verdammte Tür öffnen. Ein kleiner Spaß für ihn aber die pure Hölle für mich. Ich hätte mir direkt denken können, dass er all das nicht ernst meinte.

„Suchst du den hier?" hörte ich Lucifers raue Stimme direkt hinter mir und ich drehte mich vor Schreck automatisch zu ihm um. Ich hatte ihn nicht mal aussteigen bzw. näherkommen gehört. Kurz darauf erklärte ich mir bereits selbst, warum. Es gab keine Fußabdrücke zwischen Lucifer und dem Wagen. Es gab also nur eine einzige Möglichkeit, wie er hergekommen war. Und nun stand er dort. Noch immer diesen leicht skeptischen Blick auf seinem Gesicht und meinen Haustürschlüssel in seiner Hand, den er mir nun entgegenhielt.

Da ich nicht direkt danach griff, sondern nur meinen Blick misstrauisch darauf gerichtet hielt, gab Lucifer ein leises Seufzen von sich. „Du dachtest wirklich, dass sei ein Scherz oder?" Er schüttelte leicht den Kopf, trat dann aber an mir vorbei und schloss die Haustür auf. Ich beobachtete ihn lediglich dabei und war nun nur noch verwirrter darüber, was hier gerade vor sich ging. Ich verstand rein gar nichts mehr. „Ich bin zwar ein Sohn des Teufels Elodie, aber ich halte meine Versprechen." Mit diesen Worten öffnete er die Tür ein Stück weiter und trat schließlich zur Seite, um mir den Weg frei zu machen.

Ichwar also wirklich wieder Zuhause. Es war kein alberner Scherz gewesen. Luciferhatte mich zurückgebracht und ließ mich nun endgültig in Ruhe. Wie falsch ichallerdings mit dem letzten Punkt lag, ahnte ich in diesem Augenblick nochnicht.

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt