Zeit

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P.o.V. Lucifer

„Weiß Vater, dass ihr hier seid? Auf der Erde?" fragte mich meine kleine Schwester mit diesem langsam wieder auftretenden unsicheren Blick in ihren Augen. Ich schüttelte daraufhin nur den Kopf. „Bist du völlig verrückt? Elodie ist schon viel zu lange weg, er wird merken, dass sie nicht mehr da ist!" Ich seufzte leise und nickte erneut. „Ich weiß. Deshalb bin ich ja hier. Ich denke es ist die beste Entscheidung, wenn ich zurück gehe. Ohne Elodie." „Bist du dir sicher?" Es stand eine Wand aus Hass und Verachtung zwischen uns und dennoch konnte ich in ihren Augen so etwas wie Besorgnis erkennen.

„Ich kann ihr das nicht noch einmal antun, Levia. Das würde sie nicht schaffen." Ich erhob mich von meinem Platz, woraufhin Levia es mir gleichtat. „Dir ist hoffentlich klar, dass Vater das nicht zulassen wird. Er ist.." Es reichte eine kurze Handbewegung von mir, um sie verstummen zu lassen. „Du kennst mich Levia. Es war ein Fehler, diesen Deal mit ihm einzugehen und jetzt muss ich das wieder geradebiegen." Levia nickte langsam und traute sich nun doch, ein kleines Stück in meine Richtung zu gehen. „Du hast mir alles genommen, Lucifer. Genau wie Elodie. Zane wird einen Weg wissen, um dir zu helfen und ich.. werde sehen was ich tun kann. Wir sind eine Familie, Luc."

Damit widersprach sie zwar allen Worten, die sie zuvor ausgesprochen hatte, doch sie hatte Recht. Wir waren eine Familie. Das waren wir schon immer gewesen und selbst nach dem Tod unserer Mutter hatten wir uns gegenseitig Halt gegeben. Wenn wir nicht zusammenhielten, würde unserer Familie endgültig untergehen. Ein leichtes Lächeln zog sich über meine Lippen. „Danke, Levia. Versuche ein Auge auf Elodie zu haben, während ich weg bin." Ihr Nicken konnte ich nur noch kurz wahrnehmen, da hatte ich mich bereits vor ihren Augen in Luft aufgelöst. Der Weg zur Hölle war nie leicht und ohne Elodie würde meine Rückkehr nur noch schwieriger werden.

Eine Weile war es dunkel vor meinen Augen, bis ich mich in dem schummrigen Saal befand, der ein Teil meines Zuhauses war. „Lucifer?" hörte ich eine mir äußerst bekannte Stimme hinter mir und ich drehte mich augenblicklich um. „Satan.." Sprach ich fast schon automatisch aus, als ich meinen älteren Bruder auf einen der Stühle dort sitzen sah. „Wo ist Elodie?" fragte er mich direkt und erhob sich von seinem Platz, als er feststellte, dass Elodie nicht an meiner Seite war. „Sie bleibt auf der Erde. Wo ist Vater?" Ich sah, wie sich etwas in Zanes Augen veränderte. Sie zeigten noch immer dieses Rot, doch jetzt wirkten sie anders. Schuldig.

„Er ist nicht hier, Luc. Ich dachte, du.." „Wie meinst du das mit, er ist nicht hier?" fragte ich im selben Moment und ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit. Vater verließ die Hölle nie. Das letzte Mal war Jahre her. „Er wollte dich suchen. Ich wusste nicht, dass du auf dem Weg hierher bist." Gestand mir Zane, der sich nun um den Tisch herum bewegte, um näher zu mir zu treten. „Wie lange ist er schon weg?" fragte ich, mit langsam steigender Unsicherheit in meiner Stimme. Vielleicht hatte ich mit dieser Entscheidung zu lange gewartet.

„Kurz bevor du hier aufgetaucht bist, ist er gegangen." Ich fuhr mir mit einer Hand durch die Haare. „Das darf doch nicht wahr sein." Brummte ich, woraufhin nun auch Zane langsam verunsichert wirkte. „Lucifer, was ist los? Ist etwas passiert?" Ich gab ein freudloses Lachen von mir, als er dies sagte. „Er wusste nicht, dass ich Elodie mitgenommen habe, Zane. Ich habe sie alleine zurückgelassen und jetzt ist er auf dem Weg zu ihr." Nun zog auch Zane scharf die Luft ein. „Ich dachte, er wusste nichts davon." Ich schüttelte den Kopf. „Ich muss zurück. Vermutlich ist es schon zu spät."

Ich blickte wieder zu Zane, der seine innere Ruhe wohl wieder gefunden hatte. Im Vergleich zu ihm und Levia schien ich wohl als einziger völlig durchzudrehen. „Ich habe Levia informiert aber ich weiß nicht, ob.." „Luc.. sie würde ihr Leben für dich geben, wenn sie könnte. Selbst nach dem, was du getan hast." Dass Levia überhaupt versuchen würde mir zu helfen, erleichterte mich, doch dass sie sich für mich opfern würde, machte mir zunehmend Angst. Ein Gefühl, welches ich schon seit einer Ewigkeit nicht gefühlt hatte und nun mit jedem Moment stärker wurde. Ich wusste nur nicht, woher es so plötzlich kam.

„Du solltest jetzt los, Luc.. und ich komme mit dir." Meinte Zane bestimmt und warf mir daraufhin ein leichtes Lächeln zu. Ich fühlte eine weitere Welle der Erleichterung in meinem Inneren. Trotz dieser Rivalität zwischen uns, wollte er mir helfen. Genau wie Levia es tat. Ich hatte ganz vergessen, was Familie eigentlich bedeutete. Kurz darauf wurde es wieder dunkel und Zane verschwand ebenfalls vor meinen Augen. Diesmal war es nicht mein zweites Zuhause wo wir wieder auftauchten. Es war das Haus von Elodie vor dem wir nun standen und uns einen kurzen Blick zuwarfen. Hoffentlich waren wir nicht zu spät.

Ich trat näher zur Tür, gefolgt von Zane und drückte auf die Klingel. Es war verrückt zu denken, dass sie öffnen würde, wenn mein Vater bereits bei ihr war. Doch anders war es mir nicht möglich, dieses Haus zu betreten, ohne Elodie zu Tode zu erschrecken. Die Tür wurde nur einen Augenblick später geöffnet, doch anders als erwartet, stand nicht Elodie vor mir, sondern Raphael, der ziemlich verwirrt über unser beider Erscheinen war. „Was wollt ihr denn hier?"

Da ich nicht genau wusste, wie ich unsere Anwesenheit erklären sollte, ohne dass es seltsam klang, blickte ich einmal kurz zurück zu Zane, der mir aufmunternd zunickte. „Wir haben möglicherweise ein kleines Problem.. Ist Elodie hier?" Nun schien Raphael noch verwirrter zu sein, doch er öffnete die Tür ein Stück weiter, woraufhin Zane und ich direkt das Haus betraten. Nach kurzem Umsehen wurde mir allerdings klar, dass Elodie nicht anwesend war. Nur Chamuel befand sich einen Raum weiter, der uns nun genauso verwirrt entgegenblickte, wie Raphael es tat. „Zane? Was für ein Problem meint er?" fragte Chamuel daraufhin, da er wohl jedes einzelne Wort hatte hören können.

Zane und ich wechselten kurz einen Blick, ehe ich mich noch einmal grob umsah und mich dann mit einem Seufzen an Raphael wandte. „Mein Vater ist auf der Suche nach Elodie." Fasste ich den Grund unseres Besuchs grob zusammen und Zane nickte bestätigend, bevor er meine Erklärung ergänzte. „Wir dachten, sie wäre zuhause. Wo zur Hölle ist sie und warum bist du nicht bei ihr Raphael?" Nun schien den beiden Engeln doch klar zu werden, worum es eigentlich ging, denn auch sie wechselten einen kurzen Blick.

„Sie ist vor einer Weile zu einem Termin gefahren. Eigentlich sollte sie gleich zurück sein." Gab Raphael von sich und ich sah ihm deutlich an, dass die Unsicherheit nun auch ihn packte. „Du hast sie alleine gehen lassen? Bist du eigentlich völlig durchgeknallt?" warf ich dem blonden Engel direkt vor uns entgegen und ich spürte bereits diese Wut gegen seine Art in mir hochsteigen. Wenn er schon ihr Schutzengel war, dann sollte er auch gefälligst immer in ihrer Nähe sein. „Ich denke nicht, dass ich derjenige bin, der nicht mehr ganz dicht ist." Warf Raphael daraufhin zurück und Zane sprach fast schon automatisch dazwischen. „Hört auf, wir haben jetzt wichtigeres zu klären als das."

Da wir beide ihm diesbezüglich Recht geben mussten, versuchte ich meine Wut auf ihn und das gesamte Himmelvolk zu unterdrücken. „War Levia schon hier?" fragte Zane nun Chamuel, der allerdings nur wieder verwirrt den Kopf schüttelte. „Nein, ich habe sie schon eine halbe Ewigkeit nicht gesehen. Wenn sie Elodie sucht, ist sie vielleicht in die Stadt gefahren. Aber sie sollte gleich hier sein." Ich zweifelte bereits daran, ob Elodie wirklich herkommen würde. Dieses ungute Gefühl in meinem Inneren war mittlerweile so stark geworden, dass ich bereits erwartete, sie nach diesem Tag nie wieder zu sehen.

Ich kannte meinen Vater. Wenn er etwas wollte, konnte er noch schlimmer sein als ich und wenn dies dann schief lief, konnte er alles mit nur einer einzigen Handbewegung zerstören. Wenn Elodie in seine Hände fiel, ohne dass einer von uns in ihrer Nähe war, würde das ihr Ende sein. Da war ich mir absolut sicher. Meine Gedanken zerstreuten sich jedoch vor meinen Augen, als ich ein Geräusch hörte. Dieses vertraute Klicken eines Schlüssels im Schloss. Kurz darauf öffnete sich bereits die Tür und Elodie trat mit ihrem gewohnten Lächeln auf den Lippen in das Haus. Als sie uns alle dort allerdings stehen sah, blieb sie augenblicklich stehen. Verwirrung und Entsetzen waren deutlich von ihrem Gesicht abzulesen. „Was macht ihr denn hier?"

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt