Ein Wiedersehen?

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„Leute, sie ist wach." Hörte ich jemanden neben meinem Ohr sagen. Die Stimme klang weiblich, doch sie drang nur wie durch Watte in meine Ohren, weshalb ich die Worte nicht ganz so deutlich verstand. Mit jedem Mal, in dem ich meine Augen zu öffnen versuchte, verschwand dieser weiße Schleier vor meinen Augen immer mehr. Selbst, wenn er nicht gänzlich verschwand. „Dann lass ihr doch etwas Freiraum oder willst du den Platz mit ihrer Decke tauschen?"

Es waren Stimmen, die mir seltsam bekannt vorkamen. Nur wusste ich nicht mehr genau, woher. Ich versuchte meinen Kopf etwas zu drehen, um nicht in die blendende Lampe über mir blicken zu müssen. Erst dann erkannte ich Silhouetten von Personen, die in meiner Nähe zu stehen schienen. „Es würde seltsamer aussehen, wenn du das tust." Meinte die weibliche Stimme, die meinem Kopf am nächsten zu sein schien. Allerdings entfernte sie sich nun, in dem sie sich von ihrem Platz erhob und zu einer der anderen Silhouetten wanderte. Es fühlte sich an wie ein Traum, auch wenn ich wusste, dass es keiner sein konnte.

Ich spürte plötzlich etwas Warmes an meiner Hand und drehte meinen Kopf langsam in diese Richtung. Durch diesen weißen Schleier konnte ich die Personen hinter den Silhouetten zwar nicht erkennen, doch es gab eine Sache, die ich überall wiedererkennen würde. Es war das rote Glühen zweier Punkte, die nur von zwei mir sehr bekannten Personen kommen konnten. Keine von ihnen wollte ich in diesem Moment in meiner Nähe haben. Weshalb ich also langsam meine Hand aus dieser anderen zurückzog, bis sie mich nicht mehr berührte.

„Dachtest du wirklich, sie sucht nach dir?" hörte ich eine andere Silhouette fragen, die einen fast schon amüsierten Unterton in der Stimme hatte. „Ich bin mir sicher, dass sie dich nicht hier haben will. Warum gehst du nicht einfach wieder?" Die Worte wirkten freundlich, doch hätte ich die Möglichkeit zu sehen, was hier vor sich ging, hätte ich womöglich bemerkt, dass zwischen diesen anwesenden Silhouetten feindselige Blicke gewechselt wurden.

„Elodie, hey.. wie geht es dir?" hörte ich eine Stimme, auf der gegenüberliegenden Seite meines Bettes. Weit abseits von diesen rot glühenden Punkten. Noch immer konnte ich die Person vor mir nicht richtig erkennen, doch langsam wurden die Konturen etwas deutlicher. Auch die Farben wurden wieder intensiver. Die Person vor mir musste blond sein. Zumindest stachen ihre Haare nicht so sehr hervor, wie es mit den Schatten in diesem Raum der Fall war. Ich wollte etwas antworten, doch mein Mund war so trocken, dass ich lediglich ein leises „Was.." hervorbringen konnte.

„Jo, holst du ihr bitte etwas zu Trinken?" fragte die männliche Stimme neben mir, nun an eine Person hinter sich gewandt. Die genannte Silhouette verschwand auch kurz darauf aus meinem Sichtfeld. Jo. Woher kannte ich diesen Namen? „Ich meine es ernst Luc, wenn du weißt schon wer gleich kommt, bist du ziemlich am Arsch." Wieder eine weibliche Stimme, diesmal jedoch eine andere, die aus der Richtung der roten Augen zu kommen schien. Ich blinzelte ein paar Mal und erkannte so auch endlich, dass die roten Augen zu einer Person mit schwarzen Haaren gehörten. Es gab keine Zweifel daran, dass das hier Lucifer sein musste. Sonst wäre dieser Name nicht erwähnt worden.

"So weit wird es heute nicht kommen." Hörte ich wieder jemand anderen sagen. Wer sich um mich herum befand, konnte ich nicht genau sagen, die Silhouetten wirkten alle gleich. Doch sie waren auf jeden Fall eine bessere Wahl, als Lucifer. Wie automatisch schob ich meine Hand etwas in die Richtung, aus der zuvor die freundliche, jedoch ebenfalls männliche Stimme gekommen war. Die Person, die Jo eben noch nach etwas zu trinken gefragt hatte. Es dauerte einen Moment, doch dann spürte ich, wie eine warme Hand meine ergriff.

Eine Weile herrschte Schweigen in dem Raum, in dem ich mich befand. Es wirkte unnatürlich hell hier drin. Als hätte jemand die Lampen zu weit aufgedreht, wenn das überhaupt möglich war. Doch mit der Zeit wurde alles etwas klarer. Da ich mich nicht mehr auf die Stimmen konzentrieren musste, hatte ich nun die Möglichkeit, meine Sinne zu schärfen. Ich kannte diesen Raum. Zumindest einen, der so ähnlich aussah. Im Himmel war ich nicht, sonst hätte Lucifer nicht hier sein können. Und die Hölle? Seit wann war es hier so hell?

Ich richtete meinen Blick langsam wieder auf die Person neben mir und konnte nun auch die Gesichtskonturen einigermaßen wiedererkennen. „Chamuel.." Ohne Hoffnung in meinen Worten, geschweige denn Erleichterung, sprach ich es einfach aus. Es reichte jedoch, um ihm ein leichtes Lachen zu entlocken. „Ja, ich bin hier Elli. Lucifer kann dir jetzt nichts mehr tun." „Das denkst auch nur du, Cham.." kam es brummend von der anderen Seite des Bettes, auf dem ich, wie ich nun feststellen konnte, lag.

Wenn Chamuel auch hier war, konnte ich unmöglich in der Hölle sein. Das war nicht möglich. Bedeutete das etwa.. ich war wieder auf der Erde? Warum war ich hier? Ich zuckte leicht zusammen, als nur wenige Zentimeter neben meinem Bett eine Person auftauchte. Ebenfalls blond, mit diesen zauberhaften blauen Augen. Allerdings weiblich und mit einem Glas Wasser in der Hand. „Tschuldigung Elodie." Sagte sie direkt und hielt mir dann das Glas entgegen, welches ich langsam mit meiner anderen Hand nahm und vorsichtig einen Schluck daraus trank. Chamuels Hand ließ ich dabei aber nicht los. Es machte diese Situation deutlich erträglicher, wenn ich wusste, dass jemand in meiner Nähe war den ich kannte.

Jo ließ sich wieder auf dem Stuhl neben mir fallen und ich verfolgte ihren Blick, der zu Lucifer führte. Wie ich nun aber feststellen musste, war er nicht mehr der einzige, den ich an seinen roten Augen erkennen konnte. Ein blondes Mädchen neben ihm, starrte ihm mit genau dem selben Blick entgegen, den er mir zuwarf. „Wo bleibt er denn? Wenn er noch länger braucht, reiße ich ihm selbst den Kopf ab."

Es war verwirrend. Blonde Haare und rote Augen. Ich konnte nicht ganz deuten, zu wem sie nun gehörte. Mein Kopf arbeitete jedoch bereits daran, diese Informationen zu verarbeiten und richtig zusammenzusetzen. „Levia." Sprach ich schließlich meine Erkenntnis aus und dieses blonde Mädchen richtete sofort ihren Blick auf mich. Das Rot in ihren Augen verschwand allerdings direkt, als unsere Blicke sich trafen. „Irgendjemand muss ja auf diesen Idioten hier aufpassen."

Im Allgemeinen war Lucifer der einzige in diesem Raum, der mir nicht freundlich gesinnt war. Das erleichterte mich ein wenig. Doch wirklich freuen, konnte ich mich darüber auch nicht. Obwohl nun der richtige Zeitpunkt dafür wäre. Ich war wieder auf der Erde, die Engel waren an meiner Seite und Lucifer konnte im Augenblick nichts tun, was mir schaden könnte. Doch ich wollte ehrlich zu mir selbst sein. Es schien im Augenblick keinen Unterschied zu machen, wo ich mich befand. Mein Ziel war nach wie vor das gleiche.

Plötzlich wurde die Tür dieses Raumes geöffnet und eine mir nur zu bekannte Person, blieb kurz darauf im Türrahmen stehen. Unsere Blicke trafen sich und es war, als würden wir gar nicht miteinander sprechen müssen, um zu wissen, was der andere dachte. „Was hast du mit ihr gemacht, du hirnverkrümmtes Arschloch?" Der blonde, junge Mann ging regelrecht auf Lucifer los, was keiner der anderen Anwesenden auch nur zu verhindern versuchte. Sogar Levia verschränkte lediglich die Arme und beobachtete das Ganze, ohne es irgendwie unterbrechen zu wollen.

Mein Gehirn arbeitete noch nicht schnell genug, um jede dieser Bewegungen genau zu verfolgen. Lucifer schien das nicht ganz kommen gesehen zu haben, weshalb der erste Schlag direkt in seinem Gesicht landete und ihn etwas zurücktaumeln ließ. „Bist du jetzt völlig durchgeknallt?" fauchte Lucifer ihm entgegen und fuhr sich einmal kurz über das Gesicht. Doch da setzte Raphael bereits zu einem weiteren Schlag an. Wo dieser landete, sah ich jedoch nicht mehr, da ich den Blick von ihnen abwandte.

„Hör auf Raphael, es reicht." Meldete sich nun doch Chamuel zu Wort und brachte Raphael dazu, widerwillig von Lucifer abzulassen. Als ich zu ihm sah, entdeckte ich noch immer diese unheimliche Wut in seinen Augen. Doch er versuchte sich zusammenzureißen. Lucifer fasste sich ebenfalls wieder und tat einfach so, als wäre das alles nicht passiert. Obwohl der sich langsam dunkel verfärbende Punkt an seinem Auge, etwas Anderes zeigte.

„Nimmes ihm nicht übel, Elodie. Er musste in den letzten Wochen genauso vielerleiden, wie du. Wir hatten ihm die Erlaubnis gegeben, sich ein wenig abzuregen."Sprach Cham leise in meine Richtung. „Auch wenn ich viel lieber gesehen hätte,wie er ihm den Kopf abreißt.." 

Des Teufels KöniginWo Geschichten leben. Entdecke jetzt