Wieder einmal verzog ich leicht das Gesicht. Von Schutzengeln hatte ich schon viel gehört .. aber warum musste es Raphael sein? Chamuel hätte mir als Schutzengel deutlich besser gefallen. Er wirkte einfach ..friedlicher. „Ich nehme an, daran kann ich nichts ändern?" fragte ich mit einem leicht hoffnungsvollen Klang in der Stimme nach und wurde direkt von einem Kopfschütteln von Chamuel enttäuscht. „Ihr werdet euch besser verstehen .. irgendwann. Du solltest dich glücklich schätzen, nicht jeder hat die Chance seinen Schutzengel kennen zu lernen."
„Das heißt, er ist immer da? Egal wo ich bin und auch ..jetzt?" Der Gedanke daran war gruselig. So einen Stalker-Schutzengel wollte ich wirklich nicht haben. Chamuel begann zu lachen. „Nein, jetzt im Moment ist er nicht hier, ich bin ja da. Er ist eigentlich immer in deiner Nähe, manchmal sichtbar manchmal unsichtbar. Je nach dem, wie es ihm passt. Ich bin mir aber sicher, dass er deine Privatsphäre respektiert." Eine Welle von Erleichterung durchflutete mich. „Oh Gott, danke. Wenigstens das bleibt mir erspart." Ich konnte mir ein leichtes Lachen nicht verkneifen. „Danke nicht Gott, danke Raphael."
Einen Augenblick war es still zwischen uns und ich musste zugeben, dass ich seine Anwesenheit gar nicht mehr so ätzend fand wie zuvor. Er war eigentlich ganz nett und er schien ehrlich zu sein. „Was Levia betrifft .. Luc's kleine Schwester. Was ist damals vorgefallen? Ich habe nur mitbekommen, dass sie sich falsch entschieden haben soll und irgendwas mit einem Azrael." Begann ich wieder zu sprechen und Chamuel nickte langsam. „Azrael ist auch ein Erzengel. Er und Levia haben sich zufällig auf der Erde getroffen und sich anscheinend ohne das übernatürliche Wissen über den anderen, ineinander verliebt."
Darüber zu sprechen schien ihm wohl etwas unangenehm zu sein, da er sich kurz durch die Haare fuhr und dann Tiago zu streicheln begann. Dem Husky schienen die Streicheleinheiten auf jeden Fall zu gefallen. „Aber sie kommt doch aus der Hölle und er aus .." Chamuel nickte und ich widmete seine Aufmerksamkeit nun wieder mir. „Genau das löste eine wortwörtliche Familienkrise aus. Letztendlich entschied sich Levia für die gute Seite, verließ die Hölle und lebt nun mit Azrael zusammen auf der Erde. Wie du dir bestimmt denken kannst, ist es in der Hölle nicht erlaubt, jemanden zu lieben. Ihre Brüder fanden diese Entscheidung natürlich alles andere als gut und hassen sie seither. Luc eindeutig mehr als Satan, schätze ich."
Es war wie eine Glühbirne, die in meinem Kopf zu leuchten begann. Das war also der Grund, weshalb er ihre Entscheidung als falsch betrachtete. Deshalb sprach er so ungerne über sie. Langsam fingen all die kleinen Puzzleteile in meinem Kopf an, seinen Platz zu finden und Sinn zu ergeben. „Das ist alles so verrückt. Es hört sich alles so surreal an .. sowas sollte nicht existieren." Chamuel nickte leicht und griff dann nach meiner Hand. Sie strahlte solch eine angenehme Wärme aus, dass ich ihn nicht davon abhielt, sondern nur meinen Blick darauf heftete. „Es gibt nichts, dass verrückter klingt als das aber es ist die Realität." Ich hob den Blick wieder etwas und das braun meiner Augen traf auf sein strahlendes Blau. „Dir wird nichts passieren, das verspreche ich dir."
Er räusperte sich kurz und ließ meine Hand dann wieder los und erhob sich von seinem Platz. „Ich sollte jetzt gehen. Raphael wird in deiner Nähe sein, er wird auf dich aufpassen." Ich runzelte leicht die Stirn. „Und was ist mit dir? Geht's du wieder zurück? In den Himmel meine ich." Ich merkte selbst, wie bescheuert es klang, so etwas auszusprechen. Der junge Mann vor mir nickte zustimmend. „So ungefähr. Wir sind mal hier, mal dort. Je nach dem, wo man uns braucht. Eigentlich wäre Raphael dafür zuständig gewesen, dir das zu erklären aber .." „.. er hat dafür nicht genug Geduld?" beendete ich seinen Satz und er begann zu lachen. „So könnte man das sagen, ja."
„Chamuel .. bevor du gehst, hätte ich noch eine Frage." Fing ich an und sein Blick richtete sich aufmerksam auf mich „Ja?" „Warum verschwindet ihr nicht einfach so und taucht wieder auf? Luc tut das doch auch. Du hast vorhin geklingelt, obwohl du auch einfach hier hättest auftauchen können." Ich fand es seltsam, dass diese Engel an Türen klingelten und mit Autos durch die Gegend fuhren. Wenn sie verschwinden und auftauchen konnten, wie sie wollten, war das doch gar nicht notwendig. „Sagen wir es mal so: Wir sind eben anständig. Luc ist das egal aber wir haben noch so etwas wie Verstand im Kopf und sich eine Zeit lang wie ein Mensch zu fühlen, ist eigentlich gar nicht so schlimm. Außerdem respektieren wir eure Privatsphäre... Sag mir Bescheid, wenn Raph sich nicht daran halten sollte." Er warf mir noch ein vertrauensvoll wirkendes Lächeln zu und dann .. war er einfach verschwunden. Wie Luft hatte er sich aufgelöst.
Die Situation war so absurd, dass ich zu Lachen begann. Ich musste verrückt sein, eindeutig. Ich sprach mit Geistern und fing sogar an diese Dinge zu glauben. Ich sollte mich also wirklich von Luc fernhalten, wenn sie Recht hatten. In die Hölle verschleppt zu werden, stand eindeutig nicht auf meiner To-Do-Liste. Tiago hatte unser Gespräch nur stumm mitverfolgt und blickte nun zu mir, als der blonde Mann verschwunden war. Vermutlich verstand er selbst nicht, wie das passieren konnte. „Ich weiß, Tiago. Ich weiß." Mit einem Schmunzeln auf den Lippen begann ich ihn schließlich zu streicheln.
Warum ausgerechnet ich Levias Platz einnehmen sollte, konnte Chamuel mir nicht erklären. Ich war allerdings ganz froh darüber, dass ich das hoffentlich nie herausfinden musste. Wenn Raphael ständig in meiner Nähe war, würde Luc .. ich meine natürlich Lucifer .. es schwer haben, mich mit sich zu nehmen. Im Notfall waren die anderen Engel auch noch da, also würde mir schon nichts passieren. So redete ich es mir zumindest ein. Doch trotzdem hatte ich ein mehr als ungutes Gefühl bei der Sache. Wie eine Vorahnung, als würde nicht alles so gut laufen, wie wir uns das vorstellten.
Ich kraulte Tiago noch eine Weile, erhob mich dann aber und brachte den fast leeren Wein zurück in die Küche. Dann griff ich nach meinem Handy und lehnte mich an die Theke. Noch immer gab es keine Nachricht von der Agentur aus Bali. Hatten sie meinen Zusammenbruch nicht mitbekommen oder warum fragten sie nicht nach, wo ich war? Nicht mal Haley oder Chloe schienen wissen zu wollen, warum ich so plötzlich verschwunden war. Absolut seltsam.
Ich warf noch einen Blick auf Instagram, legte mein Handy dann aber zur Seite. Da ich theoretisch noch bis Sonntag in Bali geblieben wäre, hatte ich noch ein paar Tage Zeit, bis ich wieder richtig arbeiten musste. Eigentlich könnte ich mich auch jetzt schon an den Laptop setzen und so vielleicht schneller damit fertig sein, doch wirklich Motivation hatte ich nicht dazu. Lieber nutzte ich diese wenigen Tage als meinen Urlaub und tat einfach mal nichts. Richtig ausgeschlafen hatte ich schon lange nicht mehr und das letzte Mal als ich ein Buch gelesen oder in der Sonne gelegen hatte, war auch schon eine Weile her.
Also nahm ich entschlossen ein Buch aus dem Regal im Wohnzimmer und setzte mich damit auf eines der Sofas. Fast unbewusst war meine Wahl auf 'Engelsnacht' gefallen und ich schmunzelte amüsiert über diesen Zufall. Dass ich ausgerechnet ein Buch auswählte, in dem es ebenfalls um Engel und sowas wie den Teufel ging, war doch wirklich zum Totlachen. Immerhin konnte ich mich so ein wenig von meinem Alltag ablenken. Ich hatte dieses Buch bereits einmal gelesen und konnte mich in vielen Dingen mit der Hauptfigur identifizieren. Vielleicht mochte ich es ja deshalb so gerne.
Wann oder wo ich dieses Buch gekauft hatte, wusste ich nicht. Es hatte wohl einfach irgendwann in meinem Regal gestanden. So begann ich zu lesen, während der Tag sich langsam dem Ende neigte und die Dunkelheit über die herbstliche Umgebung zog. In Bali war es warm gewesen. Doch hier war es nur eine Frage der Zeit, bis die Bäume alle ihre Blätter verlieren würden und der Winter über das Land zog. Doch von alldem bekam ich nichts mit, da ich bereits so versunken in die Worte dieses so fesselnden Buches war.
Erst am späten Abend blickte ich von dem Buch auf und musste feststellen, dass die Zeit deutlich schneller vorbei ging, wenn man sich mit etwas beschäftigte, das einen interessierte. Dennoch machte ich mich fertig und legte mich anschließend ins Bett. Tiago hatte sich wieder auf seinen Stammplatz neben meinem Bett gelegt und schien so, die Tür im Auge zu behalten. Wie eine Art Wachhund, der immer eine böse Überraschung erwartete. Das musste wohl an seiner Rasse liegen. Anders konnte ich mir nicht erklären, dass er die Tür ständig im Auge behielt.
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Hey ihr Lieben! <3
Ich melde mich auch wieder und wollte mal nachfragen, wie euch die Geschichte bis jetzt gefällt.
Ja, anfangs ist es etwas verwirrend da es keine klaren Zusammenhänge gibt aber mit jedem Kapitel ergibt alles etwas mehr Sinn, vertraut mir. ^^
LG Angel
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Des Teufels Königin
RomanceDer erste Teil der Reihe „In den Fängen des Teufels". - Elodie lebt das Leben, was sich wohl jedes Mädchen wünscht. Sie reist als weltbekanntes Model in unzählige Orte der Welt, besitzt eine große Villa und das Auto ihrer Träume. Doch gequält von sc...