Kapitel 33 :
Bevor ich überhaupt die Chance hatte zu reagieren, sprang Arbresha auf und kam strahlend auf mich zu. Sie hielt mir die Hand hin, zog mich an sich und drückte mir zwei Küsschen auf die Wangen. Total überrumpelt setzte ich ein zerknirschtes Lächeln auf. Mein Blick wanderte von Arbresha zu Mergim, der sich nun auch erhob und auf mich zu kam. Es kam mir so vor, als ließe er keine Sekunden lang Kaan aus den Augen. Selbst als er mich kurz umarmte, galt seine Aufmerksamkeit Kaan.
„Freue mich dich zu sehen. Du siehst gut aus.“, sagte Mergim zu mir.
„Danke, du auch.“, antwortete ich lächelnd.
Ich war froh ihn wieder zu sehen, aber irgendwie fühlte ich mich gerade nicht wohl.
„Kaan, das ist Mergim, du kennst ihn ja schon. Und seine Freundin Arbresha.“
Ich drehte mich um und sah zu Kaan, dessen Kiefermuskel angespannt waren. Oh je, das sah nicht gut aus. Obwohl ich so ein schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache hatte, reichten sie sich die Hände. Schweigend. Wortlos. Kaan und Mergim zumindest. Arbresha kam mir wie ein strahlend glücklicher Honigkuchenpferd vor. Sie redete wie ein Wasserfall. Nach kurzem small talk, setzten wir uns. Kaan rückte mir ganz der Gentleman, den Stuhl zurecht. Aber seine gute Laune von vorhin war weg. Und ich wusste, woran das lag. Während Kaan einen Blick in die Speisekarte warf, sah ich aus den Augenwinkeln, wie Mergim in sein Handy tippte. Arbresha zappelte nervös hin und her und schien sich gerade zu beschweren. Da sie leise sprach, spitzte ich die Ohren.
„Aber wir sind doch gerade erst gekommen?“, meckerte sie.
„Hab zu tun Arbresha, das kann nicht warten.“, antwortete Mergim.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und zog einen Schmollmund. Mergim beachtete dies nicht, sondern stand einfach auf. Arbresha folgte seinem Beispiel, ihr blieb ja nichts anderes übrig. Die beiden nickten uns flüchtig zu und verließen das Restaurant.
„Ich mag ihn nicht.“, sagte Kaan auf einmal.
„Du kennst ihn doch gar nicht Schatz.“
„Will ihn auch nicht kennenlernen.“
Ich legte meinen Kopf schief und atmete einmal tief aus.
„Ich will nicht, dass er sagt, dass du gut aussiehst.“, fuhr Kaan fort.
„Wieso, stimmt es etwa nicht?“
Ich sah ihn gespielt beleidigt an und versuchte so die Stimmung zu lockern, was mir dann auch gelang. Kaans Miene veränderte sich, ein Lächeln trat auf sein Gesicht.
„In meinen Augen bist du die aller schönste!“, sagte er und hauchte einen Kuss auf meine Hand.
Es war ein schöner Abend gewesen. Nach dem Essen liefen wir noch durch die Kölner Altstadt und genossen das Mondlicht. Es tat gut sich endlich mal nicht verstecken zu müssen. Gegen 23 Uhr fuhren wir wieder zurück. Vor meiner Wohnungstür, gab mir Kaan einen keuschen Kuss und verschwand dann in seiner Wohnung. Ein anständiger Mann, der mich zu nichts drängte und mir nie das Gefühl gab, dass ihm etwas fehle. Es war traumhaft ..
Weitere Wochen vergingen. Arjeta war wieder ganz die alte, so kam es zumindest rüber. Den Korb von Mergim schien sie überwunden zu haben. Die Klausuren hatten wir erfolgreich hinter uns gebracht. Wir hatten kaum Zeit unsere „Ferien“ zu genießen. Das zweite Semester war schon im vollen Gange. Mergim bekam ich immer seltener zu Gesicht. Er meldete sich nicht und wenn ich ihm mal zufällig in der Uni sah, mied er mich. Ein paar mal hatte ich ihn auch in der Stadt gesehen. Mit Arbresha. Obwohl ich sie nicht kannte, mochte ich dieses Mädchen nicht, denn wie es aussah schien sie mir meinen besten Freund wegzunehmen. Mit Kaan lief jedoch alles perfekt. Arjetas Worten nach zu folgen, führten wir eine Bilderbuchbeziehung, von denen die meisten nur träumten. Zu Hause waren alle Stolz auf mich. Jedes mal, wenn ich ihnen einen Besuch abstattete, war Agron unterwegs, was mir mehr als Recht war. Es war alles perfekt. Es gab wirklich nichts, was ich mir momentan Wünschte, denn ich hatte alles was ich brauchte. Aber kennt ihr das? Man schwebt auf Wolke sieben und ist glücklich. Zum ersten mal passt wirklich alles. Dann passiert etwas, das man nicht erwartet und man fällt mies auf die Schnauze. Aber so richtig. Kennt ihr das? Ja!? Ich auch ..
Ein Mittwoch Abend, wie jeder andere eigentlich auch. Doch dieser Abend sollte ein wahres Desaster werden. Nichtsahnend machte ich mich fertig, um mit Arjeta etwas trinken zu gehen. Kaan würde später dazu stoßen. Mein Spiegelbild zeigte mir ein strahlendes, junges Mädchen. Schnell zog ich noch einmal meinen Lippenstift nach und machte mich dann auf den Weg zu Arjeta. Sie sah mal wieder bezaubernd aus, mit ihren blonden Haaren und den Engelsgleichen Augen.
„Man könnte meinen du machst dich für jemand bestimmtes hübsch.“, meinte ich zu ihr.
„Tja ..“
„Warte mal .. gibt es da etwas, das ich wissen muss Fräulein Kabashi!?“, sagte ich.
Ich stoppte mitten im Lauf und verschränkte die Arme vor der Brust. Mit hochgezogener Augenbraue sah ich sie erwartungsvoll an. Kopfschüttelnd lachte sie auf.
„Na ja .. da gibt es so einen .. er heißt Kujtim.“, gab sie schließlich zu.
„He? Kujtim .. ehm .. ist das etwa ..“
„Ja, das ist der Kumpel von Kaan.“, fiel sie mir ins Wort.
Kujtim, ein großer blonder Albaner, der auf den ersten Blick ein bisschen furchteinflößend auf mich gewirkt hatte. Als Model würde er jetzt nicht durch gehen, mit seinem kleinen Bierbauch, aber er war ein wahrer Witzbold und sein Lachen steckte an. Was ich jedoch nicht verstand war, wie er es geschafft hatte Arjeta rum zu kriegen. Als hätte sie gerade meine Gedanken gelesen, sprach sie weiter.
„Er studiert BWL, wir haben gemeinsame Freunde. Hab ihn auf einer Feier letztens wieder gesehen und .. er hat irgendwie etwas, das mich anzieht. Weiß nicht, wie ich das erklären soll.“
„Arjet, du brauchst gar nichts zu erklären. Solange du glücklich bist, bin ich es auch.“, lächelte ich. „Ich lass es langsam angehen, habe keine Eile. Nicht, dass ich mir am Ende unnötig Hoffnungen mache und er dann in eine andere verknallt ist.“, antwortete sie.
Sie lachte. Man könnte meinen, sie habe das Schauspielern genau so gut drauf wie ich, denn auf den ersten Blick war die Traurigkeit in ihren Worten gar nicht zu hören. Doch ihre Augen, sie sprachen eine ganz eigene Sprache .. mit ihrem letzten Satz meinte sie Mergim. Ich ging nicht darauf ein, da sie mich schon oft gebeten hatte, nicht über ihn zu reden.
In der Shisha Bar herrschte eine angenehme Stimmung. Wir saßen mit ein paar Uni Freunden in einer Sitzecke und nippten an unseren Cocktails, als Kaan und Kujtim dazu kamen.
„Hallo, die Damen. Ich hoffe ihr habt nicht zu lange gewartet.“, sagte Kaan lächelnd.
Ich stand auf und umarmte ihn. Mein Körper verkrampfte sich, denn über Kaans Schulter sah ich wie Mergims Blick auf uns haftete. Na toll! Man könnte meinen Köln sei ein kleiner Kaff. Was hatten die jetzt hier zu suchen? Arbresha, die sich an Mergims Arm geklammert hatte, winkte mir strahlend zu. Ich löste mich von Kaan, nahm tief Luft und strich mir lethargisch über die Haare.
„Alles okay mein Engel?“, fragte Kaan.
„Ja, alles bestens. Mir ist nur ein bisschen warm hier drinnen.“, log ich.
Die Lüge kam mir ohne zu zögern über die Lippen. Eine harmlose Lüge, so dachte ich. Schnell trank ich noch den letzten Schluck meines Cocktails.
„Nicht so schnell, der Abend hat erst angefangen.“, grinste Kaan.
Er setzte sich neben Kujtim, der schon in ein Gespräch mit Arjeta vertieft war. Zwischen den beiden knisterte es gewaltig, das spürte man auf Anhieb. Arjeta hatte dieses schüchterne Lächeln auf dem Gesicht und ihre Wangen waren gerötet, was mich zum schmunzeln brachte. Nach ein paar Minuten in denen ich es schaffte, nicht in die Richtung von Mergim zu sehen, stand ich auf und machte mich auf den Weg zu den Toiletten. Summend stand ich vor dem Spiegel und tuschte mir die Wimpern nach, denn ich dachte es würde ein chilliger Abend werden. Doch ich täuschte mich gewaltig. Nachdem ich fertig war, ging ich wieder zurück und schlug mir geschockt die Hand vor dem Mund, bei dem Anblick der sich mir dort erbot. War das Kujtim? Kujtim und Mergim, die sich da an den Kragen gepackt hatten? Verdammt! Ich rannte so schnell es mit meinen Heels ging zu dem Tumult, der sich da gebildet hatte. Ein paar Mädchen schrien hysterisch herum, am liebsten würde ich denen alle der Reihe nach eine Klatschen, damit sie Ruhe gaben! Mergim hatte eine geplatzte Lippe und Kujtim blutete aus der Nase. Kaan wollte gerade auf Mergim zugehen, doch ich war schneller und ging dazwischen. Mein Atem raste, als hätte ich einen Marathon hinter mir.
„Was zum Teufel ist hier los?!“, wollte ich wissen.
„Dieser Typ meinte Arjeta anzumachen.“, gab Kaan zurück.
„Was für anmachen du Idiot? Ich kenne sie und wollte hallo sagen, hat dein ekliger Freund schiss, dass ich ihm seine Freundin ausspanne?“, schrie Mergim.
Nur mit Mühe hielt ich Kaan zurück. Ich warf ihm einen flehenden Blick zu.
„Bitte nicht. Lass uns einfach gehen. Bitte.“, bat ich leise.
„Das wird ein Nachspiel haben.“, sagte er zu Mergim und hob drohend seinen Zeigefinger.
Ohne noch einmal nach hinten zu schauen, folgten wir Arjeta und Kujtim aus der Shisha Bar. Sie tupfte besorgt mit einem Taschentuch in seinem Gesicht herum. Der Streit ging definitiv von Kujtim aus! Mergim würde niemals unnötig für Stress sorgen. Aber da der Abend schon schlimm genug war, sagte ich nichts.
Kaan fuhr Arjeta und mich zurück. Die ganze Zeit über fluchte er vor sich hin, ich jedoch starrte Gedankenverloren in die Luft. Vier Etagen vor uns stieg sie aus und wünschte uns eine gute Nacht. Gleich Morgen würde ich mit ihr darüber reden. Als die Aufzugtüren sich schlossen, nahm Kaan meine Hand und sah mich entschuldigend an.
„Tut mir leid, ist scheiße gelaufen. Ich bestelle uns was zu essen, okay? Dann kuscheln wir auf meiner Couch und schauen irgendeine Liebesschnulze an.“
„Bollywood?“, antwortete ich.
„Wenn es sein muss.“, grinste Kaan.
Er drückte mich gegen die Aufzugwand und küsste mich leidenschaftlich. Versöhnungskuss, der alles wieder gut machte. Wie er es schaffte, mich so leicht um den Finger zu wickeln. Mit geröteten Wangen schloss ich kurz darauf meine Tür auf und machte mich frisch. Mein Handy fing plötzlich an zu vibrieren. Ich checkte kurz mein Facebook und hielt geschockt den Atem an. Ein Kussbild von Kaan und mir, erschien auf meinem Display. Ganz oben gepinnt, in der Studentengruppe ..
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Lautlose Schreie
General FictionDafina ist angehende Jura Studentin. Sie zieht von Mannheim nach Köln, wo sie an der Seite ihres besten Freundes studieren wird. Sie ist ein ganz normales Mädchen, doch der Schein trügt. Eine Kindheit voller schlimmer Erinnerungen, ein Schwager, der...