Kapitel 41

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Kapitel 41 :

„Was ist mit ihr?“, fragte ich.
„Sie .. also ich weiß nicht wie ..“
Als er nicht weiter sprach, spürte ich, wie etwas tief in meinem Inneren anfing zu brodeln. 

„Mergim?!“, gab ich mit erstickter Stimme von mir.

Ich trat auf ihn zu und fing an wie verrückt an seinen Armen zu rütteln. Er schaffte es nicht, mir in die Augen zu schauen, stattdessen bohrte er seinen Blick auf die Wand und genau in diesem Moment wurde mir klar, was passiert ist. Mehrere Schritte taumelte ich zurück, griff mir benommen an den Kopf und betete zu Gott, dass ich mich irrte. Ich hatte aufgehört zu atmen. Für einen Moment, war es so still im Flur, dass man eine Stecknadel fallen hören könnte. 
„Ich hab gedacht, dass du schon Bescheid weißt, weil .. weil sie .. heute Morgen schon ..“, er nahm einmal tief Luft und kam auf mich zu. „Es tut mir so leid Dafina .. möge Allah sie ins Paradies bringen.“

Oh, diese Worte waren so zerschmetternd! Mergim wollte mich umarmen, aber ich hob abwehrend meine Hände. Mir war .. mir war, als wäre meine ganze Welt gerade zusammen gebrochen. Meine Knie gaben nach, als hätte mich eine Flut erfasst, die mich nach unten drückte. Es ist nicht in Worte zu fassen, wenn man vom Tod eines geliebten Menschen erfährt. Wenn man erfährt, dass er nun weg ist. Dass dieser Mensch, den man so abgöttisch geliebt hat, dich nie mehr in den Arm nehmen kann. Ich konnte nicht fassen, dass Omas rauchige Stimme von nun an, der Vergangenheit angehörte. Meine Lippe bebte. Mergims Bild, der vor mir kniete, verschwamm. Und dann erreichten die Tränen meine Wangen. Ich weinte. Erst leise, dann immer lauter und lauter, bis ich schließlich wie ein klein Kind schluchzte. Ein gewaltiger, seelischer Schmerz, hatte sich wie ein Lauffeuer in meinem Körper ausgebreitet. Niemand hatte mir Bescheid gesagt. Keiner von ihnen, schien es für nötig gehalten zu haben. So, als gäbe es mich nicht einmal. Als gehöre ich gar nicht zur Familie. Als sei diese Frau, nicht meine Oma gewesen, die ich, seitdem ich denken kann, über alles geliebt hatte. Wie?!! Wie nur, konnten sie so herzlos sein? Wir konnten sie mir das antun? Meine eigene Familie, mein Fleisch und Blut? Trauer und Wut vermischten sich. Mergims Hand lag auf meinem Knie. Sein Gesicht war schmerzverzerrt. Er litt mit mir, er fühlte mit mir, denn er wusste, wie viel sie mir bedeutete.

„Fahr mich .. bitte .. nach Hause. Ich muss sie sehen. Bitte!“, flehte ich mit zitternder Stimme.
„Die sind soweit ich weiß, alle schon losgefahren. Die Beerdigung findet Morgen um 15 Uhr statt. Außerdem glaube ich nicht, dass es eine gute Idee ist, du weißt doch, dass dein Vater ..“
„Ich muss sie sehen!“, schnitt ich ihm das Wort ab und packte ihn mit beiden Händen an den Kragen. „Ich muss sie um Verzeihung bitten. Ich will ein letztes mal meine Hand an ihre Wange legen, auch wenn diese kalt sein wird. Ich muss mich verabschieden, verstehst du das denn nicht?“

Die Verzweiflung in meiner Stimme war nicht zu überhören. Papa schien mich komplett abgeschrieben zu haben. Nachdem er mir den Geldhahn zugedreht hatte und ich zu Kaan ziehen musste, gab es kein Lebenszeichen mehr von ihm. Weder von ihm, noch von Mama. Ja, selbst meine Schwestern schienen sich zu schade, um nachzufragen, wie es mir geht. Es waren so harte Wochen gewesen, ich fühlte mich so unglaublich leer. Diese Leere füllte auch Kaan nicht aus. Ich mein, ja, er war da. Er liebte mich, er unterstützte mich wo es nur ging. Sowohl seelisch, als auch finanziell. Aber es fehlte trotzdem was. Sie fehlten mir. Meine Familie. Und es tat so unendlich weh, dass sie mich so leicht abgeschrieben hatten. Aber was sie gerade machten, ging zu weit. Es ging definitiv zu weit! Mit Mergims Hilfe rappelte ich mich hoch. Ich musste jetzt einen kühlen Kopf bewahren, weinend auf dem Boden zu kauern, brachte mich auch nicht weiter. Kosovo, das war mein Ziel. Durch den Schock, war ich etwas wackelig auf den Beinen, aber schaffte es trotzdem ins Wohnzimmer, wo ich zitternd meinen Laptop aufklappte. Mergim sah mich fragend an.

„Was wird das?“
„Ich muss .. vielleicht finde ich für heute noch einen Flieger.“, antwortete ich.

Ich warf einen Blick auf die Uhr. Es war später Nachmittag, Zeit hatte ich also. Aber dann, fing ich urplötzlich wieder an zu weinen. Verzweifelt vergrub ich das Gesicht in meine Hände.

Lautlose SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt