Kapitel 20

7.8K 309 41
                                    

Kapitel 20 : 

„Es gibt nichts zu reden.“, antwortete ich entschlossen.

Es war unglaublich, was für einen Hass ich gerade verspürte. Als ob es nicht genug wäre, dass er sich an mir vergriffen hatte. Jetzt musste ich mir allen ernstes noch Sorgen um Besa machen. Ich hasste ihn einfach. Ich hasste sein Gesicht, seine Hände, seine Stimme, seine Anwesenheit. Ja, selbst seine bloße Existenz verabscheute ich. Wieso durfte so ein Monster wie er Leben? Wieso wurden Menschen wie er, nicht einfach aus dieser Welt gezogen? Für immer? Fragen über Fragen, zu denen ich keine Antwort fand, egal wie sehr ich nach diesen suchte. Ich nahm meine Handtasche aus dem Wagen und wollte ins Haus gehen, doch Agron ließ nicht locker. 

„Dafina bitte, was ich dir zu sagen habe, ist verdammt wichtig. Ich will nicht, dass die paar Tage, die wir hier miteinander verbringen .. so kalt ablaufen.“

„Kalt ablaufen .. das ich nicht Lache. Erwartest du von mir, dass ich dir um den Hals falle, über jeden deiner dummen Witze lache und so tue, als sei nie was gewesen? Soll ich so tun, als wären wir die dicksten Freunde? So wie jedes mal? Ist es das was du willst!?“, zischte ich ungläubig. 

„Nein! Nein. Ich will einfach nur .. Frieden schließen.“, antwortete er ruhig. 

Ich traute meinen Ohren nicht. Hatte ich gerade wirklich richtig gehört? Er wollte Frieden schließen? Was meinte er damit? Sollte das etwa eine Art Entschuldigung gewesen sein? 

„Das kann nicht dein ernst sein. Zwischen uns wird es niemals Frieden geben. Nicht nach dem was du mir Jahrelang angetan hast! Nicht nach dem du mir mein Leben zur Hölle gemacht hast. Niemals!“, ich hob drohend meinen Zeigefinger und sprach so ruhig wie möglich weiter. „Du bist mein größter Feind! Und nur ein kleiner weiterer Fehltritt von dir und ich schwöre dir, ich werde dein Leben zerstören. So wie du meines zerstört hast. Ich werde keine Sekunde zögern. A more vesh? (Hast du verstanden?)“

Ich genoss die Wirkung meiner Worte. Agron war rot angelaufen und wich meinem Blick aus. Seine Hände waren zu Fäusten geballt und für eine klitzekleine Sekunde, packte mich die Angst. Er konnte hier nicht ausrasten. Er konnte mir hier nichts tun, das wusste ich. Aber was, wenn ich zu weit gegangen war? Was, wenn ich für meinen Ausraster später büßen würde? 

„Ich wollte mich .. doch nur .. entschuldigen. Es tut mir leid!“, zischte er. 

„Manche Dinge sind so schlimm, dass jede Entschuldigung der Welt nicht ausreicht, um es wieder gut zu machen. Dein 'Es tut mir leid' macht das Geschehene es auch nicht rückgängig.“, flüsterte ich. 

Wütend drehte mich um und lief ins Haus. So ein Heuchler! Ich hatte ihn kein einziges Wort abgenommen. Von wegen Frieden schließen. Von wegen es tue ihm leid. Das waren nicht als leere Worte. Außerdem half mir das auch nicht weiter. Alles blieb zurück. Die Erinnerungen, die Narben, die Albträume. Diese Dinge konnte keine Entschuldigung wegspülen, so sehr ich mir das auch wünschte. Ich würde sie mein Leben lang mit mir rumschleppen müssen. Für immer! 

Die ersten beiden Tage verliefen ereignislos. Es war schön hier, die Ruhe tat mir gut. Die Spaziergänge mit den Kindern durch das Dorf und die frische Landluft, halfen mir einen kühlen Kopf zu bewahren. Ich schaffte es wie immer, vor den anderen zu schauspielern und ließ mir nie was anmerken, wenn Agron im Raum war. Lächeln, Lächeln, Lächeln. Standard bei mir. So oft im Spiegel geübt. Immer einsatzbereit. Besuch bekamen wir wie gewohnt reichlich. Besonders meine Tante, Mamas Schwester, blieb überraschend lange. Sie warf mir immer wieder einen Blick zu und grinste mich an. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie etwas im Schilde führte, ich wusste nur nicht was es war. Mit Mergim und Arjeta schrieb ich täglich und ich bereute es so sehr, dass ich Kaan meine Nummer noch immer nicht gegeben hatte. Was ich jetzt geben würde, um seine beruhigende Stimme zu hören .. 

Lautlose SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt