Kapitel 28

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Kapitel 28 : 

„Entschuldigung, bin wohl falsch hier.“, antwortete ich verwirrt. 
„Wen suchst du denn?“, fragte sie nach.
„Ich .. ehm ..“, stotterte ich. 

Ich bekam meinen Satz nicht zu Ende, denn ich war zu sehr damit beschäftigt, dieses Mädchen zu begutachten. Ihre braunen Haare waren zerzaust, ihre Bluse war falsch zugeknöpft. Auf ihrem Gesicht lag ein schüchternes Lächeln und ich bemerkte ihre leicht geröteten Wangen. Ich schätzte sie in meinen Alter, obwohl sie ein ganzes Stück kleiner war als ich. 

„Wer ist denn an der Tür?“, hörte ich plötzlich jemand im Hintergrund sagen. 

Die vertraute Stimme beförderte mich wieder in die Gegenwart. Als Mergim auf einmal neben dem Mädchen trat, traute ich meinen Augen nicht. Er trug nur eine Jogginghose, obenrum ein Hauch von Nichts. Halbnackt, falsch zugeknöpfte Bluse, gerötete Wangen. Mir wurde schlagartig klar, dass ich die beiden gerade bei etwas gestört hatte. Peinlich berührt wandte ich meinen Blick von Mergim. Ich schaffte es nicht, ihm in die Augen zu sehen. Ich wollte es nicht! Warum auch immer. 

„Dafin?“, fragte Mergim ungläubig. „Was machst du denn hier?“ 
„Ich .. deshta me ta ba banesen per hajr. (wollte dir zur Wohnung gratulieren.)“, erwiderte ich. 
„Mir se erdhe. (Willkommen.)“, sagte das Mädchen auf einmal. 

Ach du scheisse! Irgendwie hatte ich absolut nicht damit gerechnet, dass sie Albanerin war! Die beiden ließen mich eintreten und führten mich ins Wohnzimmer. Mergim verschwand kurz ins Nebenzimmer und zog sich ein Shirt über. Ich starrte auf meinen Schoß und versuchte nicht wieder zu diesem Mädchen zu schauen, das neben mir saß. 

„Arbresha, das ist Dafina. Dafina, das ist meine Freundin Arbresha.“, stellte Mergim uns vor. 

Heilige Scheisse, dachte ich mir, als sie mir die Hand hin hielt, die ich zögernd ergriff. Ich setzte ein gezwungenes Lächeln auf und versuchte zu verstehen. Seine Freundin. Er hatte eine Freundin, verdammt?! Seit wann? Arjeta hatte also Recht gehabt, er war verliebt. Aber nicht in mich, wie ich irgendwie .. erleichtert feststellte. Das war doch Erleichterung, die ich gerade verspürte, oder etwa nicht? Täuschte ich mich, oder sah Mergim mir nicht in die Augen? Unglaublich, dass er sowas geheim halten konnte. Ich fühlte mich gerade mies verarscht. Mergim nahm mein Geschenk entgegen, dankte mir und verschwand dann kurz in die Küche. 

„Ist noch alles ganz frisch zwischen uns, aber ich bin verrückt nach ihm!“, flüsterte sie mir zu. 
„Frisch .. inwiefern?“, wollte ich wissen. 
„Ich kenne ihn schon seit ein paar Monaten, aber wir sind erst seit ein paar Tagen zusammen.“ 

Oh .. seit ein paar Tagen also? Sie strahlte mich überglücklich an, mir blieb nichts anderes übrig als ihr Lächeln zu erwidern. Sie wirkte irgendwie total süß und verknallt. Wieso hatte er mir nie von ihr erzählt? Wieso hatte er sich auf ein Treffen mit Arjeta eingelassen, wenn er doch nebenbei eine andere hatte? So war es doch gewesen, anders konnte ich mir das gerade nicht erklären. Ich verstand jetzt auch seinen Wutausbruch, nach meinem Verkupplungsversuch. Es wäre niemals so weit gekommen, wenn er mir das einfach erzählt hätte! Dummkopf! Mir kam es gerade Recht, als Arbresha einen Anruf bekam und gehen musste. Sie umarmte Mergim vor mir und irgendwie .. ich bat Gott mir Geduld zu geben! Ich ertrug diesen Anblick einfach nicht! Als sie endlich weg war, stand ich auf und fing an in die Hände zu klatschen. 

„Was wird das?“, fragte Mergim. 
„Keine Ahnung, mir ist nach Klatschen zumute.“ 
„Womit hab ich diesen Applaus verdient?“ 
„Du bist nicht schwul. Dafür.“
„Was ist denn jetzt dein Problem?“ 
„Mein Problem?! Ist das nicht offensichtlich? Wieso weiss ich nichts, von deiner Freundin?“ 
„Ich würde es dir schon beiläufig erzählen, so wie du es gemacht hast.“, antwortete er ruhig. 

Lautlose SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt