Kapitel 47

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Kapitel 47 : 

Ich blieb regungslos stehen und binnen Sekunden stand sie vor mir. Sie hatte gerötete Augen, ihre Schminke war verlaufen, ihre Haare einfach zu einem unordentlichen Dutt gebunden. Ich hatte absolut nicht mit ihr gerechnet! 

„Können wir .. können wir reden, bitte?“, heulte sie. 

Ich zögerte. Erstens, weil ich heute noch was vor hatte, und zweitens, weil ich dieses Mädchen noch nie wirklich gemocht hatte. Aber sie sah mich so verzweifelt an, dass ich letztendlich nickte. Ich war ja kein Unmensch. Ich kramte die Schlüssel aus der Tasche und schloss die Tür auf. Ein Glück, dass Kaan heute Frühschicht hatte, dachte ich mir, während ich sie ins Wohnzimmer führte. Schweigend reichte ich ihr ein Taschentuch und gab ihr ein paar Sekunden, um sich zu sammeln. Irgendwie ahnte ich, wieso sie hier war. 

„Ich brauche deine Hilfe.“, meinte sie schließlich. 

Sie brauchte also meine Hilfe. Als sie nicht weiter sprach, hob ich fragend meine Augenbraue. 

„Mergim er .. er hat mich verlassen.“, stammelte sie schließlich und brach erneut in Tränen aus. 

Verdammt, es tat irgendwie weh sie so zu sehen. Ein Gefühl von mit Mitleid machte sich in mir breit. Ich stand vom Sessel auf, ließ mich neben ihr nieder und legte einen Arm um sie. 

„Das ist so schrecklich, ich fühle mich so schrecklich.“, weinte sie sich aus. 
„Ich verstehe dich.“, sagte ich leise. 

Das tat ich wirklich. Denn allein der Gedanke daran, dass Kaan mich verlässt, war grauenhaft und ließ mein Herz zusammen ziehen. Ich verdrängte das und widmete mich wieder Arbresha. 

„Vielleicht braucht er einfach nur ein bisschen Abstand?“, wollte ich ihr Mut machen. 
„Nein. Er hat gesagt, dass unsere Beziehung keine Zukunft hat.“, schniefte sie. „Weißt du, er ist so toll. Ich liebe ihn, ich liebe wirklich alles an ihn. Er ist hilfsbereit, liebevoll, charmant, witzig. Alles in einem. Aber das musst du, als seine beste Freundin sowieso wissen. Am Anfang war ich so glücklich, dass ich so jemanden wie ihn an meiner Seite hatte. Ich habe Monatelang gewartet.“

Sie hielt inne und schnappte nach Luft. Weinen und Sprechen gleichzeitig, war nicht gerade einfach, das kannte ich von mir selbst. Machtlos saß ich da und strich ihr dabei über den Rücken. 

„Auf was gewartet?“, fragte ich sie. 
„Dass er es sagt. Ich liebe dich. Diese drei Wörter. Ich habe sie nie von ihm gehört.“

Oh man, wie bitter. Sie tat mir so leid, obwohl es mir nie gefallen hatte, dass sie mit Mergim zusammen war. Man merkte einfach, dass sie unter der Trennung litt. 

„Kannst du mit ihm reden? Ich will ihn zurück haben! Du bist seine beste Freundin, vielleicht hört er auf dich. Ich weiß, es ist vielleicht zu viel verlangt. Du kennst mich ja nicht einmal und hast keinen Grund mir zu helfen. Aber ich liebe ihn und will ihm ihn kämpfen.“ 

Puh, ich sollte mit ihm reden. Ich versprach ihr das zu tun und führte sie anschließend aus der Wohnung. Natürlich würde ich mein Versprechen halten, obwohl ich nicht einmal wusste, was genau ich ihm sagen sollte. Ich lehnte meinen Kopf gegen die geschlossene Wohnungstür, schloss meine Augen und atmete ein paar mal tief ein. Klar, sie tat mir leid, aber ich hatte gerade etwas anderes vor. Ich musste nach Hause. Ihnen das sagen, was mir auf der Seele lag...

Die letzten Tage waren so schlimm gewesen, und es hatte mich ungeheure Kraft gekostet, diese Entscheidung zu treffen. Stunden hatte ich damit verbracht, mir auszumalen, was ich sagen würde, wenn sie alle vor mir standen. Mama, Papa, meine Schwestern. Es war Samstag, ich wusste, dass sie da waren. Und ich wollte sie dabei haben. Auch sie sollten wissen, was ich zu sagen hatte. Ich öffnete die Tür des BMW's und steckte den Schlüssel ein. Kaan hatte mir den Wagen für heute zur Verfügung gestellt und ich war froh, nicht mit dem Zug fahren zu müssen. Während ich mich anschnallte, klingelte mein Handy. Es war Mergim. 

Lautlose SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt