Kapitel 58 :
Ich hatte gerade allen ernstes geklaut. Als ich hörte was Markus da verkaufte, fiel mir ein, dass ich gar kein Geld dabei hatte. Und dann .. zack. Einfach eingesteckt und raus gelaufen. Er hatte es nicht einmal bemerkt. Schwer atmend rannte ich förmlich die Straße entlang. Das Tütchen mit dem weißen Pulver hielt ich in meiner Hand, die ich zur Faust geballt hatte. Speed. Amphetamine, die Partydroge schlechthin. Aber ich brauchte sie nicht zum Party machen. Ich musste nur wach bleiben, ich durfte nicht schlafen. Und diese Droge war mein Wundermittel, sie rüttelt einen wach und unterdrückt das Hungergefühl. Ich kannte die Wirkungen, ohne es je benutzt zu haben. Sowas bekam man immer mit. Endlich erreichte ich die Wohnung. Ich schloss auf, warf mich auf die Couch und nahm mehrmals tief Luft. Sollte ich es tun? Zitternd legte ich das Tütchen auf den Tisch und betrachtete es eine Weile. Vielleicht tu ich das Falsche? Vielleicht sollte ich es zurück geben. Nein! Einfach wegwerfen, das wäre besser. Aber ich tat es nicht. Es lag einfach vor mir. Meine Augen fielen zu. Meine Gedanken kreisten umher. Alles war scheiße, einfach scheiße. Ich legte mich auf die Couch und zog die Knie ein.
___ Ich laufe weg vor ihm. Laufe ununterbrochen gegen die Dunkelheit an. Orientierungslos, ohne zu wissen, wo mein Ziel mich hinführt. Mir ist kalt. Ich trage nur meine Jeans, obenrum versuche ich mit meinen Hände die Blöße zu verdecken. Und dann wird es plötzlich heller. Ein großes Feld erstreckt sich vor mir, ein dichter Nebel liegt in der Luft. Ich sehe hier und da Schatten aufblitzen, renne verzweifelt davon, von diesen Schatten, die kein Gesicht haben. Gänsehaut durchfährt meinen Körper. Mein Mund öffnet sich ein wenig, meine Lippe bebt, verzweifelt sauge ich Sauerstoff in meine Lungen. Ich hole tief Luft und will schreien, doch dann legt sich auf einmal eine Hand um meinen Mund und nimmt mir so die Gelegenheit dazu. Der Druck dieser Hand, zieht mich nach hinten. Ein Atem streift meine Wange und dann rieche es wieder. Dieser intensive Geruch, hatte sich tief in meinem Gehirn eingebrannt, genauso, wie dieses Stöhnen, das in meinem Ohr nach klingelt. Ich hasse es, ich hasse es so sehr! Wieso hört das nicht auf? Die Luft wird knapper, immer knapper. Ich werde zu Boden gezerrt. Ich rieche ihn, ich höre ihn und spüre ich ihn schließlich auch. Seine Hände auf meinem Körper. Ich habe solche Angst und mir ist kalt .. mir ist so kalt .. ____
Ich schrack hoch und bemerkte, dass ich schrie. Mein Atem ging schnell, mein Gesicht war nass. Tränen. Ich hatte im Schlaf geweint. Mein ganzer Körper zitterte, total verstört schaute ich mich keuchend im Zimmer um. Es dauerte eine Weile bis ich realisierte, dass ich mich in Arjetas Wohnzimmer befand. Ich hatte aufgehört, meine Albträume zu zählen, aber in den letzten Tagen wurden sie immer häufiger. Und auch .. intensiver. Jedes mal sah ich das gleiche, jedes mal stand ich heulend auf. Ich konnte nicht mehr, ich wollte das nicht mehr! Es war dieser Moment, es war dieser Augenblick, an dem ich zum ersten mal dachte .. ich will nicht mehr. Ich will nicht mehr leben. Um mich herum sah ich nur schwarz, kein Lichtblick, kein Hoffnungsschimmer. Ich war am Ende meiner Kräfte. Der Wille um weiter zu machen, nachdem was passiert war, er war weg. Erst Agron, der mir meine Kindheit, meine Vergangenheit genommen hatte. Kaan, der mich von vorne bis hinten verarscht hatte, nur um seine Frauensammlung zu erweitern. Er hatte mir die Gegenwart genommen, das Hier und Jetzt, in dem ich, wenn auch nur für kurze Zeit, glücklich und zufrieden war. Und dann Mergim, der mir das Messer in den Rücken gerammt hatte, der das kaputt gemacht hatte, was Agron mir noch gelassen hatte. Es war nicht nur ein Stück Haut, die gerissen war. So komisch es auch klingen mag, dieses Jungfernhäutchen war immer mein Schutz gewesen, die Tatsache, dass Agron sich nie weiter getraut hatte, gab mir Kraft zum weiter machen. Kraft, die nun fehlte. Es .. schmerzte so sehr. Ich ertrug den Gedanken nicht! Mein Blick wanderte zu diesem Tütchen, das noch immer auf den Tisch lag. Ich öffnete es und streute ein wenig auf Arjetas Glastisch. Regungslos verharrte ich nun einen Augenblick. Ich wusste was zu tun war. Etliche Male hatte ich sowas in Filmen gesehen. Auf dem Sessel lag meine Handtasche. Ich stand auf, nahm mein Geldbeutel heraus und setzte mich wieder. Mit einer Bankkarte brachte ich das Pulver in die richtige Form. Der Geldschein lag bereit. Ich rollte es ein und zog mir das Pulver in die Nase, ohne lange darüber nachzudenken. Ich spürte, wie es meinen Rachen herunterlief. Es war ein komisches Gefühl, aber ich wusste, die Wirkung würde bald ansetzten...
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Lautlose Schreie
General FictionDafina ist angehende Jura Studentin. Sie zieht von Mannheim nach Köln, wo sie an der Seite ihres besten Freundes studieren wird. Sie ist ein ganz normales Mädchen, doch der Schein trügt. Eine Kindheit voller schlimmer Erinnerungen, ein Schwager, der...