Kapitel 15

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Kapitel 15 : 

„Wer bist du?! Lass mich los!“, schrie ich panisch. 

Dank der Alkoholfahne, die von diesem ekligen Typen ausging, drehte sich in meinem Magen gerade alles! Mir war kotzübel. Das ganze wurde noch um einen Tick qualvoller, als er mich plötzlich durch die Luft wirbelte. Er schwankte dabei so sehr, dass ich befürchtete im nächsten Moment auf den harten Asphalt zu landen. 

„Nur ein bisschen spielen, wir wollen .. nur ein bisschen spielen.“, nuschelte er. 

Ich hielt schockiert den Atem an! Diese Worte .. diese Worte erinnerten mich an jemanden. Sie erinnerte mich an Agron. 'Wir wollen nur ein bisschen spielen.' Sein Standardsatz von früher, wenn er mich beruhigen wollte. Mich überfiel eine Gänsehaut und im nächsten Moment gab ich einen erstickten Schrei von mir. Verflucht! Wieso musste ausgerechnet jetzt meine Stimme weg sein! Mein Mund war staubtrocken, ich schaffte es nicht einmal zu schlucken! Der Mann war ziemlich kräftig, denn er trug mich noch immer. Das war merkwürdig, denn ich hätte schwören können, dass er kurz vor dem Umfallen war! Ich fing an zu zappeln und trat nach ihm. Wieso kam mir keiner zu Hilfe?! Wir standen doch nur ein paar Meter von einem gut besuchten Club entfernt! 

„Lass mich los du Ekel!“, zischte ich verzweifelt. 
„Lass uns .. ein bisschen tanzen.“
„Du sollst mich loslassen, hab ich gesagt! Ich schreie gleich!“, fauchte ich und versuchte ihn meinen Ellenbogen in die Rippen zu rammen, doch es war zwecklos. 
„Wieso? Es gefällt dir doch, oder?“, raunte er lachend. 

Da .. schon wieder. Ich wusste, dass es Zufall war. Das war es doch, oder? Dumme Frage, natürlich war es Zufall! Trotzdem brachten die Worte mich aus dem Gleichgewicht. Für einen kurzen Moment, kam mir Agrons Grinsen in den Kopf. Ich kniff die Augen zusammen und schüttelte meinen Kopf, um die Bilder zu verscheuchen. Der Mann hauchte mir irgendwas in mein Ohr, worauf ich angewidert das Gesicht verzog. Gerade als ich die Hoffnung schon aufgegeben hatte und wieder losbrüllen wollte, kam auf einmal ein Polizist auf uns zu. Oh danke, lieber Gott! Das war meine Rettung! 

„Lass sie los!“, forderte der Polizist den Mann auf. 
„Wir wollen nur tanzen, stimmt doch Prinzessin, oder?“, kicherte er nur. 
„Ich sag es zum letzten mal, lass sie runter!“ 

Ein wenig rüde wurde ich anschließend wieder losgelassen. Endlich hatte ich wieder festen Boden unter den Füßen. Geschockt schlug ich mir die Hände vor dem Mund, als der Beamte dem Mann plötzlich eine rein haute. Das dürfte er doch gar nicht?! Der Besoffene torkelte mehrere Schritten nach hinten und stürzte dann. Als hätte mir jemand die Beine in den Boden betoniert, stand ich da und starrte auf ihn herab. Ich kam mir vor, wie in einem schlechten Film. 

„Scheiss Penner.“, fluchte der Polizist und spuckte auf den Boden. 

Diese Stimme .. ich schüttelte kurz meinen Kopf. Das war unmöglich. Das konnte nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein! Als der Polizist sich schließlich zu mir wandte, sah ich, dass es doch möglich war. Kaan nahm die Mütze von seinem Kopf und fuhr sich einmal durch die Haare. Eine Geste, die trotz dieser dummen Situation, verdammt .. heiß aussah! Oh Gott! Was war nur los mit mir?! Er sah mich kurz an und kam dann langsam auf mich zu. Mein Herz schlug schnell, viel zu schnell. Meine Knie drohten nachzugeben. Auch das noch! 

„Bist du okay?“, fragte er vorsichtig. 

Alles was ich tat, war stumm zu nicken. Meine Lippen waren wie zugeklebt. Köln war so riesig und dann musste ausgerechnet Kaan mich .. retten?! Ich war gerade so schockiert, weil er plötzlich vor mir stand, dass ich den besoffenen Mann vollkommen vergaß. Kaans Augen fixierten mich so intensiv, dass ich automatisch meinen Blick senkte. 

„Hat er dir was getan? Kennst du ihn?“, fragte Kaan. 
„Ich .. ich ..“ 

Ein bisschen blöd kam ich mir schon vor, da ich nicht mal in der Lage war einen anständigen Satz von mir zu geben. Ich fing an zu zittern und zog meine Lederjacke enger um meinen Körper. Plötzlich legte sich Kaans Hand unter mein Kinn und hob meinen Kopf an. 

„Ist dir kalt?“, fragte er sanft. 

Meine Zähne klapperte vor Kälte, aber ich schüttelte trotzdem meinen Kopf. Der Besoffene am Boden, regte sich auf einmal und begann zu würgen. Kaan drehte sich um und schrie ihn an. Ehe ich mich versah, rappelte er sich auf und rannte los. Komisch .. ich hätte schwören können, dass er mindestens 1 Promille im Blut hatte. Aber da sah man wieder, zu was Menschen im Schockzustand in der Lage waren. In der kurzen Zeit, in der Kaan abgelenkt war, schaffte ich es mich zu beruhigen. 

„Danke .. aber .. aber du hättest ihn doch gar nicht schlagen dürfen.“, sagte ich leise. 
„Wieso nicht?“, fragte er überrascht. 
„Er hat mich ja losgelassen und .. und .. ich mein, du bist im Dienst ..“
„Ist mir scheiss egal.“, unterbrach er mich. „Ich hab sowieso nicht als Beamter eingegriffen.“
„Sondern?“, fragte ich verwirrt. 
„Als stinknormaler Zivilist, der einen Besoffenen Vergewaltiger in die Flucht geschlagen hat.“ 

Beim Wort, Vergewaltiger krampfte sich mein Magen zusammen. Ich spürte wie mir jegliche Farbe aus dem Gesicht wich. Daran hatte ich gar nicht gedacht .. 

„Sorry, ich wollte dir keine Angst machen. Aber es sah so aus, als ob er dir an die Wäsche wollte.“ 

Aufgebracht griff ich mir an den Kopf und ließ dabei meine Handtasche fallen. Kaan reagierte schnell und hob sie wieder auf. Als er sie mir reichte, streiften unsere Hände sich. Bei der Berührung verspürte ich eine Art Kribbeln in meiner Hand, das sich durch meinen ganzen Körper zog. Das war bestimmt nur die Kälte, dachte ich mir. 

„Soll ich dich zur Wohnung fahren?“
„Nein, ich bin mit Freunden da, ich sollte wieder rein gehen.“, antwortete ich und schwankte dabei zur Seite.

Kaan hielt mich am Arm fest und sah mich besorgt an. Hätte ich doch vorhin nur was gegessen! Der Alkohol tat mir auf leerem Magen nicht gut, auch wenn es nur zwei Gläser gewesen waren. Dumm, es war einfach nur dumm von mir gewesen! Das hatte ich nun davon. 

„Schau mal Dafina, du kannst kaum noch stehen. Ich fahr dich jetzt zur Wohnung, deinen Freunden kannst du unterwegs eine Nachricht schreiben, damit die sich keine Sorgen machen.“

Sachte zog er mich am Arm und führte mich zu einen Streifenwagen. Er gab mir somit nicht einmal die Chance zu widersprechen, aber ehrlich gesagt wollte ich das auch gar nicht. Nach dem Streit mit Mergim und der Szene mit dem Besoffenen, wollte ich jetzt einfach in mein Bett und schlafen! Während Kaan schweigend fuhr, schrieb ich Mergim und Arjeta eine Nachricht. Keine Minute später klingelte mein Handy. 

„Was soll das heißen, du fährst grade nach Hause?! Mit wem denn?“, wollte Mergim wissen. 
„Ich erkläre es dir Morgen, mach dir keine Sorgen.“, antwortete ich nur. 
„Wieso hast du nicht Bescheid gesagt?“
„Das tu ich doch gerade?“ 

Er war auf Streit aus, das hörte ich an seiner Stimme. Irgendwie hatte er schon Recht, aber ich hatte keine Lust mir jetzt irgendwelche Predigte anzuhören. Bevor er antworten konnte, legte ich auf. Mal wieder hatte ich ihn und Arjeta enttäuscht, aber ich wollte das ja gar nicht! Ich schaltete mein Handy aus und legte es wieder in meine Tasche. Müde lehnte ich meinen Kopf gegen die Autoscheibe und beobachtete die vorbeistreifende Umgebung. Ich saß zum ersten mal überhaupt in einem Polizeiwagen, aber mir gingen so viele andere, schlimmere Gedanken durch den Kopf, dass es mir relativ egal war. Was wäre passiert, wenn Kaan nicht gekommen wäre? Vergewaltiger .. der Gedanke war absurd. Als ob man einfach so jemanden, auf offener Straße vergewaltigen konnte. Trotzdem war das eben die reinste Hölle. Kaan sagte die ganze Zeit über nichts, und dafür war ich ihm überaus dankbar. Ich wollte jetzt nicht reden... 

Als wir vor dem Gebäude hielten, nach ich einmal tief Luft und sah dann endlich zu Kaan rüber. 

„Danke für die Fahrt.“, sagte ich leise. 

Ich stieg aus und merkte, dass auch Kaan den Wagen verließ. Was sollte das? 

„Ich begleite dich bis nach oben.“, sagte Kaan, auf meinen fragenden Blick. 
„Ich komm schon zurecht ..“, erwiderte ich.
„Ich kann erst beruhigt losgehen, wenn ich sehe, dass du in deiner Wohnung bist.“, lächelte er. 

Das war so .. süß von ihm, dass es mir die Sprache verschlug. Wortlos lief ich voraus. Kaan ging dicht hinter mir. Es kam mir vor, als beschütze er mich und ich musste zugeben, dass es ein schönes Gefühl war. Die ganze Zeit über hatte ich gefroren, selbst im Wagen war mir komischerweise kalt. Aber nun, wo wir im Aufzug standen, war mir plötzlich verdammt heiß. Ich wollte mir nicht eingestehen, dass es an Kaans Nähe lag, die mir jetzt erst richtig bewusst wurde. Er stand so nah an mir, dass unsere Arme sich berührten. Zwar nur ganz leicht, aber das reichte schon. Sein Geruch stieg mir in die Nase und vernebelte für einen Moment meine Sinne. Die ganzen Gefühle, die ich in den letzten Wochen unterdrückt hatte, kamen an die Oberfläche. Ob ich nun wollte, oder nicht! Mein Herz schlug richtig schnell und ich zählte die Sekunden. Endlich sprang die Tür auf und wie auf Knopfdruck setzten meine Beine sich in Bewegung. Aber ich Tollpatsch musste ausgerechnet jetzt mit meinen 13 cm Heels umknicken! Ich fiel zur Seite, direkt in Kaans Arme! 

„Alles okay, ich hab dich.“, lächelte er mich an. 

Oh Gott! Nichts war okay! Ich wollte am liebsten im Erdboden versinken. So peinlich! Wie ein Idiotin kam ich mir vor. Noch schlimmer war, dass mein Fuß weh tat. Toll, wirklich toll! Beim Auftreten, verzog ich schmerzhaft das Gesicht. Ich hob meinen Kopf und sah, dass er mich besorgt musterte. Wieso? Wieso tat er das für mich? Ich lag hier im Gang in seinen Armen und mein Herz klopfte wie verrückt. Das war falsch .. 

„Du hast dir weh getan, oder?“, fragte Kaan. 

Er strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und ich spürte wie sich die Härchen auf meinem Nacken aufrichteten. Kam es mir nur so vor, oder näherte er sich mir? Um Gottes Willen ..

Lautlose SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt