Kapitel 7

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Kapitel 7 : 

„Was willst du hier? Hau ab, ich will dich nicht sehen.“, heulte ich. 

Mergim stand da, mit den Händen in den Hosentaschen und hielt seinen Blick gesenkt. Klasse, er schaffte es jetzt also nicht einmal mehr, mir ins Gesicht zu sehen. Ich war gerade so fertig und am Ende mit den Nerven, dass ich auf ihn zu ging und ihm auf die Brust schlug. 

„Hau ab! Hau einfach ab! Wieso verspricht man Dinge, die man nicht hält? Sowas machen Freunde nicht Mergim! Echte Freunde machen sowas nicht!“, schrie ich. 

Noch immer stand er da und rührte sich nicht. Ich schluchzte wie eine Dumme vor mich hin und schaffte es nicht mich einzukriegen. Plötzlich hob er seine Arme und umarmte mich. Am Anfang wehrte ich mich, aber er blieb hartnäckig und letztendlich gab ich nach. 

„Es tut mir leid. Es tut mir leid, okay? Ich hätte dir Bescheid geben sollen ..“, flüsterte er. 

Seine Stimme klang so komisch und als ich meinen Kopf hob und in seine Tränen gefüllten Augen sah, war ich mehr als verwirrt. Wieso weinte er jetzt? So hatte ich ihn noch nie erlebt. Doch dann machte es klick in meinem Kopf und ich wusste, dass irgendwas nicht stimmte! Schniefend löste ich mich von ihm und trat einen Schritt zurück. 

„Was ist los? Wieso konntest du nicht kommen? Ist was passiert?“, fragte ich geradeheraus. 
„Gestern Abend .. meine Eltern .. sie ..“, er stockte. 
„Was ist mit deinen Eltern Mergim?“, flüsterte ich. 
„Sie hatten einen Autounfall.“

Geschockt schlug ich die Hände vor meinem Mund. Mir wurde klar, wie egoistisch mein Verhalten war und ich schämte mich in Grund und Boden! Ich wischte mir die Tränen weg und näherte mich ihm.

„Geht es ihnen gut? Ich meine .. oh mein Gott ..“, stotterte ich. 
„Papa geht es den Umständen entsprechend gut, aber Mama .. die ganze Nacht bestand Lebensgefahr. Eine Notoperation war notwendig, die zum Glück erfolgreich war. Dafina .. ich hatte solche Angst, dass sie von uns geht..“, sagte er leise. 

Eine Welle der Erleichterung durchflutete meinen Körper! Die Träne, die Mergim gerade über die Wange kullerte, versetzte mir einen schmerzhaften Stich. Instinktiv nahm ich ihn in die Arme. Behutsam strich ich ihm über den Rücken und sagte, dass alles gut wird. Ich stand noch immer unter Schock, weshalb ich es kaum schaffte meine Wohnungstür zu öffnen. Gerade als Mergim durch die Tür trat, öffnete sich die meines Nachbarn. Über seiner Schulter trug er eine Trainingstasche. Lächelnd grüßte er mich. Dann fiel sein Blick zu Mergim, der schon im Flur stand. Bildete ich mir das nur ein, oder war sein Lächeln verschwunden? Ich hatte jetzt keine Zeit um darüber nachzudenken, deshalb nickte höflich und schloss daraufhin die Tür. Ich führte Mergim ins Wohnzimmer und setzte mich neben ihn auf die Couch. 

„Es tut mir wirklich leid, wenn ich dich enttäuscht hab Dafin. Ich hätte nicht ahnen können, dass ..“
„Nein Gimi, mir tut es leid. Ich bin so egoistisch ..“, fiel ich ihm ins Wort. „Ich bin so froh, dass deine Eltern durchkommen werden, es muss ein schreckliches Gefühl gewesen sein.“ 

Sein Schluchzen tat so weh! Noch nie hatte ihn weinen gesehen, und jetzt? Jetzt weinte er wie ein kleines Kind! Ich legte meinen Arm um seine Schulter und drückte ihn fest an mich,während mir selbst die Tränen aus den Augen schossen. Eine ganze Weile saßen wir einfach so da und sagten kein Wort. Die Stille wurde nur von Mergims Schluchzen unterbrochen. In meinen Armen heulte er sich aus, bis er nicht mehr konnte. Wahrscheinlich brauchte er genau das. Ich stand auf und brauchte ihm ein Glas Leitungswasser, da ich nichts anderes hatte. 

„Was war bei dir los? Wieso warst du so am Weinen, als du vorhin kamst?“, fragte er. 

Gute Frage. Wieso hatte ich eigentlich wie eine Idiotin geheult? Es lag nicht am misslungenen Vorstellungsgespräch. Viel mehr ging es um die Nacht davor. Der Vorfall, der mir eine schlaflose Nacht gebracht hatte und wegen dem es letztendlich zur Verspätung kam. Aber das erzählte ich Mergim natürlich nicht. Er leerte sein Glas mit einem Zug und sah mich erwartungsvoll an. 

Lautlose SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt