Kapitel 60

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Kapitel 60 : 

Ich schlich durch den Flur und warf einen kurzen Blick durch den Spion. Da stand tatsächlich Teuta! Ich hatte ihr im Krankenhaus eine Nachricht geschrieben und ihr kurz erklärt was passiert war, aber ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie kommen würde. Im ersten Moment wusste ich nicht, was genau ich fühlte, ob es Erleichterung war, nun jemanden bei mir zu haben, oder ich noch Zeit für mich allein brauchte, um den Schmerz zu verarbeiten. Ich öffnete die Tür und fiel meiner Schwester weinend um den Hals. 

„Ist okay, ich bin da.“, flüsterte sie. 

Und dann sah ich ihn. Gewohnt leger gekleidet. Eine dunkle Jeans, mit einem Hemd, dessen obersten Knopf er offen hatte. Eine Hand in der Hosentasche, in der anderen die Autoschlüssel. So stand er vor dem Aufzug und kam nun langsam näher. Unterdessen löste ich mich von Teuta und versuchte wieder gleichmäßig zu atmen. Seine Anwesenheit brachte mich aus dem Gleichgewicht, mein Magen verkrampfte sich. Ich hasste es, wenn er mich so hilflos, so kaputt sah. Wenn er sah, wie schwach ich war. Wieso musste er mitkommen? Ich stolperte wieder in die Wohnung, bevor Agron uns erreicht hatte und lehnte mich im Flur gegen die Wand. Mein Herzschlag ging viel zu schnell, ich bekam kaum Luft und war nebenbei total verschwitzt. Dann fing ich an zu reden, wie ein Wasserfall. Wirr und Durcheinander. Teuta stand neben mir, hielt meine Hand und sprach auf mich ein. Aber ich verstand nichts, ich hörte nicht zu, denn ich war zu sehr damit beschäftigt das Chaos in meinem Inneren zu ordnen. Zu viele Gefühle auf einmal .. einfach zu viel. Agron lief durch den Flur ins Wohnzimmer und nur ein paar Sekunden später stand er wieder da. Mein Blick viel auf seine Hand. Dort hielt er nicht mehr seine Autoschlüssel, sondern das Tütchen. Mein Tütchen, mein Speed. Adrenalin schoss durch meinen Körper. 

„Die Arme ist total verwirrt, der Tod ihrer Freundin ist so schlimm.“, sagte Teuta verzweifelt. 
„Vielleicht liegt es eher an dem hier ..“, antwortete Agron. 

Teuta drehte sich um. Und dann hob dieses miese Schwein die Drogen in die Höhe und wedelte damit durch die Luft. Blanke Wut packte mich, ich taumelte auf ihn zu und riss es ihm aus der Hand. Dabei zerriss das Tütchen und der Rest des Pulver landete auf dem Boden. Ich fluchte, weinte und würde diesem Idioten am liebsten den Schädel einschlagen! 

„Wer hat dir gesagt, dass du das anfassen sollst?“, schrie ich ihn an. 
„Dafina, um Gottes Willen! Sind das Drogen?“ 

Teuta stand nun wieder neben mir und griff nach meinen Arm. 

„Nein, das ist Puderzucker.“, antwortete ich und lachte kurz auf. 

Ich riss mich von ihr los und griff mir an den Kopf. Alles drehte sich und neben mir stand Agron, mit dem Anflug eines höhnischen Lächelns im Gesicht. Ich fragte mich gerade, ob ich womöglich genug Kraft hätte, um ihn auf der Stelle zu erwürgen. Oder ob eines von Arjetas Küchenmessern lang genug wäre, um ihn aufzuspießen. Die psychopathische Mörderin in mir. 

„Scheiße man.“, fluchte ich leise. 
„Dafina du kommst jetzt erst mal mit, ich lass dich hier nicht alleine.“, sagte Teuta. 

Ich schwankte zur Seite. Sowohl Teuta als auch Agron waren sofort zur Stelle, sodass ich nicht auf den Boden landete. Sein fester Druck um meinen Arm, war mir jedoch nicht geheuer. 

„Fass mich nicht an!“, brüllte ich voller Hass und Abscheu. „Fasst mich nicht an, alle beide.“, fügte ich hinzu, als ich Teutas geschockten Gesichtsausdruck bemerkte. 

Nicht jetzt. Nein, nicht jetzt. Aber irgendwann mal, ich schwöre, irgendwann. Ich taumelte nach hinten und lehnte mich mit den Rücken gegen die Wand. Alles drehte sich, alles schwamm vor meinen Augen. Und dann war plötzlich alles schwarz. 

Der Geruch von Desinfektionsmittel stieg in meine Nase, ich schaffte es nur mit Mühe meine Augen zu öffnen. Teuta saß am Bettrand und strich mir über die Hand, von Agron war keine Spur. Das Krankenhauszimmer war klein, ein Fenster, zwei Betten, jedoch war ich die einzige die hier lag. Mir war so komisch, ich fühlte mich so kaputt. 

„Was .. was mach ich hier?“, zitterte meine Stimme. 

Ich versuchte mich aufzurichten, aber Teuta drückte mich sachte zurück. 

„Bleib liegen. Du bist umgekippt, wir haben dich ins Krankenhaus gefahren.“, sagte sie. 
„Aber .. wieso?“, fragte ich verwirrt. 
„Du schläfst seit ein paar Stunden, dir wurde dein Magen ausgepumpt.“ 

Ja, jetzt erinnerte ich mich wieder. Dieser große Schlauch .. 

„Überdosis .. dieses Zeug, du ..“

Teuta sprach nicht weiter, da im nächsten Augenblick die Zimmertür aufsprang. Agron trat ein und mich packte gleichzeitig Panik, denn ich war mir gerade nicht sicher, ob meine Überdosis rechtliche Konsequenzen mit sich ziehen würde. 

„Hab alles geklärt, kein Grund zur Sorge. Morgen darf sie wieder raus.“, sagte er zu Teuta. 

Dann sah er mich an und fragte mich wie es mir ginge. Ich wich seinem Blick aus, starrte zur weißen Decke und versuchte gleichmäßig zu atmen. Er hatte alles geklärt. Wer zum Teufel hatte ihn darum gebeten? Wieso konnte er nicht einfach verschwinden, mich in Ruhe lassen? 

„Wie spät ist es?“, fragte ich Teuta. 
„Kurz nach Mitternacht. Du wirst erst gegen 10 Uhr entlassen und dann fahren wir direkt zu mir. Da ruhst du dich ein paar Tage aus. Keine Widerrede!“, antwortete sie. 

Sie legte mein Kissen zurecht, drückte mich vorsichtig wieder nach hinten und küsste mich auf die Stirn. Sanft strich sie mir über das Haar, sah mich liebevoll an und flüsterte mir dabei zu, dass es ihr leid tue. Aber weder ihr Blick, noch ihre Worte erreichten mich, denn es gibt solche Momente, in denen man gar nichts mehr fühlt. Keinen Schmerz. Keine Trauer. Keine Angst. Nichts. Da ist nur diese unendliche, gähnende Leere, die von Körper und Geist besitzt nimmt... 

Ich hatte eine erschreckend ruhige Nacht. Vielleicht lag es einfach an den Beruhigungsmitteln, oder was auch immer sie mir da verabreicht hatten. Lethargisch zog ich mich um. Teuta half mir dabei, als wäre ich ein kleines Kind. Wenig später standen wir schon vor Agrons Wagen, der gerade ein Telefongespräch beendete. Habt ihr eigentlich eine Ahnung wie schlimm es ist, immer wieder die Anwesenheit eines Menschen zu ertragen, den man hasst? Es ist echt grauenvoll. Wir stiegen ein und während Agron dann den Motor startete, fiel mir wieder der Brief ein. Hastig griff ich nach meiner Handtasche, kramte dort nach dem Brief und stieß einen erleichterten Seufzer aus, als ich diesen auch fand. Teuta telefonierte gerade mit Mama und erkundigte sich nach den Kindern, aber ich spürte Agrons Blick aus dem Rückspiegel auf mir haften, obwohl ich ihn nicht ansah. Mein Körper fing instinktiv an zu zittern, ich ließ den Brief wieder in die Tasche verschwinden und starrte aus dem Fenster... 

Erst als ich ein paar Stunden später auf den Bett dieses Gästezimmers saß, holte ich den Brief wieder hervor. Ich weiß nicht genau wieso Teuta darauf bestand, dass ich mich hier ausruhen sollte. Ehrlich gesagt wäre es mir tausend mal lieber gewesen, wenn ich zu Hause in meinem Bett wäre, aber ja. Ich hatte weder die Kraft, noch die Lust dazu mich zu streiten. Ganz vorsichtig, so als wäre er zerbrechlich, faltete ich den Brief auf und las weiter. 

'.. Es war nicht Mergim. Er war es nicht, das ist die Wahrheit und du musst mir glauben. Er liebt dich Dafina, er liebt dich so sehr, dass ich mich manchmal frage, wie du das übersehen kannst. Aber irgendwann ist mir klar geworden, dass du das bewusst übersiehst. Weil du Angst hast ihn zu verlieren, genauso wie er Angst hat, dich zu verlieren. Er nimmt es in Kauf, seine Gefühle zu unterdrücken und zu verdrängen, nur damit er als dein bester Freund, weiterhin an deiner Seite sein kann. Ich hoffe, nein, ich bete in diesen letzten Stunden, die mir geblieben sind, dass ihr eines Tages zueinander finden werdet und ihr alles hinter euch lassen könnt. Geh deinen Weg Dafina, ich glaube fest an dich. 

Arjeta.' 

Der Brief in meiner Hand zitterte verräterisch. Und so saß ich in diesem Bett, dachte über all das nach, was ich gerade gelesen hatte und doch ergab nichts Sinn. Tränen flossen mir in Strömen über die Wangen und ich wünschte mir nichts sehnlicheres, als dass dieser Mensch, den ich gerade am meisten brauchte einfach da wäre und mich in den Arm nahm. Arjeta. Aber sie war nicht da und sie würde nicht kommen. Der Schmerz. Die Traurigkeit. Jetzt kam alles wieder hoch. Es war alles noch tief in mir und würde mich nicht zur Ruhe lassen kommen. Niemals. 

„Was hast du da?“

Ich fuhr hoch. Agron stand mit verschränkten Armen an der Tür und sah mich neugierig an. Sein Blick fiel auf den Brief, den ich sofort wieder in meine Tasche legte. 

„Das interessiert dich nicht. Verschwinde, ich will schlafen.“, zischte ich. 
„Ich werde also in meinen eigenen Haus raus geworfen?“

Er grinste. Ich hasste ihn, oh mein Gott, ich hasste ihn so sehr! Seine Augen fixierten mich eingehend, von Kopf bis Fuß schien er mich zu inspizieren. Und dann war er auch schon wieder weg und ließ mich allein. Mit meinen tausend Gedanken .. 

Drei Tage vergingen. Ich lag überwiegend in diesem Bett und fühlte mich so hilflos. Teuta zeigte mir den Vogel, als ich sagte, dass ich nach Kosovo zur Beerdigung von Arjeta wolle. Ich sei viel zu schwach für so etwas, der Arzt habe ausdrücklich Bettruhe verordnet. Ich weinte ununterbrochen und erfuhr auch den Grund, wieso ich hier war und nicht zu Hause. Teuta hatte Mama und Papa nichts von meinem Drogenkonsum und meiner Überdosis erzählt. Vielleicht war es besser so. Wie auch immer. Ich nutzte am 4. Tag quasi die einzige Gelegenheit um das Haus zu verlassen und stieg in meinen Wagen, der in .. Agrons Garage stand. Ich fuhr Richtung Köln. Mein Ziel lautete Kujtim. 

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Schaut doch mal bei meiner neuen Geschichte "Seelensplitter" vorbei. Würde mich freuen <3 

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