Kapitel 21

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Kapitel 21: 

Ich wartete einen Augenblick, in der Hoffnung ich hätte mich nur verhört. Er wartete jedoch erwartungsvoll auf meine Antwort und blickte mir dabei direkt in die Augen. Das konnte doch nicht sein ernst sein?! Wie kann man so schamlos sein, und diese Frage beim ersten Treffen stellen?! Obwohl ich Jungfrau war, dachte ich nicht einmal im Traum daran, ihm seine Frage zu beantworten.

„A je ti i pa prekun? (Bist du unberührt?)“, fragte ich ihn stattdessen.

Sein Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Überrascht hob er seine Augenbraue und musterte mich lange. Er schien verwirrt von meiner Gegenfrage und brauchte dementsprechend auch einen Moment um mir zu antworten. 

„Was ist das für eine Frage? Ich bin ein Mann.“, meinte er. 
„Achso, das hätte ich jetzt nicht gedacht.“, antwortete ich sarkastisch. 
„Welcher Mann ist in meinem Alter noch Jungfrau?“, lachte er. 
„Wieso verlangst du dann etwas, das du selbst nicht geben kannst?“ 
„Meine zukünftige muss unberührt sein. Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie jemand anders vor mir angefasst hat. Das würde mein Stolz nicht zulassen.“

Das würde sein Stolz nicht zu lassen. So ein Hinterwäldler. Ich musste schon anfangen zu Lachen, so lächerlich war das ganze gerade. Wie er mir noch dreist in die Augen sehen konnte. Unglaublich! Ich stand auf und zupfte meinen Mantel zurecht. 

„Viel Erfolg bei der Suche nach einer Jungfrau. Ich hoffe, du wirst keine finden.“, sagte ich.

Anschließend lief ich ohne ein weiteres Wort zu sagen zu meiner Cousine. Als ich das Geschäft erreichte, stand sie gerade vor der Garderobe und probierte eine Jacke an. Sie kam mir grinsend entgegen. Ihr Lächeln verschwand jedoch, als sie meine Gesichtsausdruck bemerkte. Bevor sie Fragen stellen konnte, winkte ich ab und machte ihr klar, dass ich sofort von hier verschwinden wollte. Wortlos zog sie die Jacke aus, legte diese zurück und folgte mir nach draußen. Ich sah, dass dieser Vollidiot noch immer auf der Bank saß. 

„Geh und sag ihm, er kann nach Hause fahren. Wir nehmen ein Taxi.“, sagte ich nur. 

Sie gehorchte ohne Wiederworte, überquerte die Straße und kam gleich darauf wieder zurück. Nachdem wir ein Taxi gefunden hatten, musste ich erst mal meinen Frust rauslassen. Ich fluchte, auf Deutsch, damit der Fahrer mich nicht verstand. Tippte nebenbei wie wild auf Whatsapp ein und erklärte Arjeta, das soeben passierte. Arta, meine Cousine, sah mich aus den Augenwinkeln an. Die Fragen lagen ihr auf der Zunge, das wusste ich, als sie dann endlich fragte, was denn passiert sei, antwortete ich nicht. Ich wusste nicht, ob sie das mit ihren 16 Jahren und der konservativen Art, mit der sie aufgewachsen war, verstehen würde. Die meisten sahen es als Selbstverständlichkeit an, dass man als Jungfrau in die Ehe gehen sollte. Ich hatte mir darüber irgendwie nie wirklich Gedanken gemacht. Das lag zum größten Teil an dem, was ich durchgemacht hatte. Außerdem machte mich nicht die Tatsache wütend, dass er eine Jungfrau wollte. Viel mehr lag es an seiner Dreistigkeit beim ersten Treffen danach zu fragen. Seine Antwort von wegen er sei ein Mann, machte das ganze auch nicht besser. Letztendlich ist es jedem selbst überlassen, ob er Sex vor der Ehe hat. Ob Mann, oder Frau. Jeder sollte sein Leben so leben, wie er es für richtig hielt. Über andere zu urteilen, war in meinen Augen das aller letzte. Ich behielt meine Gedanken mal wieder für mich, einfach weil es besser so war. Am Ende würde es heißen, ich hätte meiner Cousine den Kopf gewaschen. 

Zu Hause angekommen, warteten die anderen bereits auf uns. Arta setzte sich sofort neben ihre Mutter und hielt erwartungsgemäß den Mund. Sie hatte ohnehin nicht viel zu erzählen. Papa und Agron waren im Wohnzimmer, deshalb wurde das Thema vorerst nicht angeschnitten. Nach ein paar Minuten suchte Teuta meinen Blick und machte dann eine Kopfbewegung Richtung Tür. Ich folgte ihrer Anweisung und kurz darauf saßen wir in der Küche. 

Lautlose SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt