Kapitel 5

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Kapitel 5 : 

„Hör auf bitte ..“, bettelte ich mit geschlossenen Augen. 
„Ich hab dich vermisst.“, flüsterte er nur. 

Ich wollte das nicht hören! Meine Hände suchten automatisch meinen Kopf, und ich hielt mir die Ohren zu. Mein Körper fing an zu zittern, mein Herz schlug viel zu schnell. Agron schob seine Hand unter meinen Rock und fuhr damit rauf zu meinem Oberschenkel. Ich war wie gelähmt! Von einen Augenblick zum anderen, war ich wieder die kleine 10 jährige Fina, die Angst hat! Einfach nur Angst! Er beugte sich von seinen Sitz weit zu mir rüber, ohne seine Hand von mir zu nehmen. Mit der anderen, packte er mich am Nacken und drückte mir einen feuchten Kuss auf den Mund. Es war so eklig. So widerlich. So falsch! Mein Verstand sagte mir, dass ich mich wehren musste, aber mein Körper reagierte nicht. Angewidert verzog ich das Gesicht, als er die Innenseite meines Oberschenkels streichelte. Er küsste mich den Hals entlang, hielt an meiner Schulter inne und schob dann den Träger meines Tops zur Seite. Mir war kalt. Gänsehaut durchfuhr mich. Hoffentlich würde er sich bald zufrieden geben. Ein paar Küsse, ein paar Streicheleinheiten. Wie gewöhnlich. Und doch sagte mein Instinkt mir, dass es diesmal nicht so ablaufen würde. Er wollte mehr, diesmal wollte er mehr. Das ließen mich seine fordernden Finger wissen. 

„Du bist so wunderschön Fina ..“, keuchte er außer Atem. 

Vorsichtig schnallte er mich ab, spielte danach an meinen Slip und versuchte diesem nach unten zu ziehen. Wie versteinert saß ich da und ließ es geschehen. Ich war bewegungsunfähig vor Schock und Angst. Wie jedes mal! Als er jedoch meinen BH öffnete, schrillten plötzlich die Alarmglocken in mir! Ich wollte nicht mehr! Panisch schlug ich um mich und fing an zu schreien. 

„Hör auf verdammt! Hör auf! Ich will nicht mehr!“, kreischte ich aufgebracht. 

Bislang hatte ich meine Augen geschlossen gehalten, aber als ich diese öffnete, sah ich in Agrons überraschtes Gesicht. Mit meinem plötzliches Widerstand hatte er wohl nicht gerechnet. Ich nutzte seine Unsicherheit und sprang mit einem Satz aus dem Wagen. Einen Augenblick sah ich mich verwirrt um und wollte dann losrennen, als ich von Agron am Handgelenk gepackt wurde. 

„Was machst du da? Steig in den Wagen!“, zischte er wütend. 
„Fass mich nicht an hab ich gesagt!“, brüllte ich ihm entgegen. 

Ich riss mich los und machte mehrere Schritte nach hinten. Hasserfüllt spuckte ich ihm vor die Füße. Ich war selbst verblüfft über meine Reaktion, aber ich wollte das nicht länger mitmachen! 

„Schämst du dich denn gar nicht?“, fragte ich ihn. 
„Dafina, steig in den Wagen.“, befahl er leise. 
„Schämst du dich nicht? Die Schwester deiner Frau so anzufassen? Hast du denn gar kein schlechtes Gewissen? Fragst du dich denn nie, was Teuta machen wird, wenn sie davon erfährt?“

Meine Stimme zitterte vor Angst. Vorsichtig näherte ich mich ihm wieder. Ich merkte, wie er meine Worte in sich auf sog und nachdachte. 

„Sie wird es nicht erfahren.“, sagte er nur. 
„Das liegt an dir Agron.“
„Was soll das heissen?“, fragte er und packte mich erneut an den Handgelenken. 

Sein Blick durchbohrte mich, sein Griff wurde immer stärker. Nur mit Mühe machte ich mich von ihm los. Mein Atem ging nur stoßweise, während ich meine schmerzenden Handgelenke massierte. Ich nahm tief Luft und versuchte die folgenden Worte möglichst ruhig zu sagen. 

„Fass mich .. nie wieder .. nie wieder an! A more vesh? (Hast du verstanden?)“, fragte ich leise. „Ansonsten vergesse ich, dass meine Schwester deine Frau ist. Ich zeig dich an .. ich schwöre dir auf alles was mir heilig ist Agron .. ich zeig dich an!“ 
„Red keinen Unsinn und steig jetzt in den Wagen. Ich fahr dich in deine Wohnung.“, sagte er nun eine Spur sanfter. 

Er hielt mir die Beifahrertür auf und sah mich erwartungsvoll an. Irgendwas an seinen Blick sagte mir, dass ich heute gewonnen hatte. Meine Worte zeigten die gewünschte Wirkung. Aber ich wollte trotzdem nicht mehr in den Wagen steigen. Stattdessen lief ich geradewegs an ihn vorbei, machte den Kofferraum auf und nahm meine zwei Koffer heraus. Das laute Zuknallen der Beifahrertür ließ mich zusammenzucken. 

„Wie du willst.“, sagte Agron. „Dein Verhalten wirst du bereuen, das schwöre ich dir.“ 

Dann stieg er in den Wagen, schaltete den Motor ein und fuhr Rückwärts aus der Gasse raus. Im nächsten Augenblick düste er schon los. Nun stand ich mitten in der Nacht, irgendwo in Köln. Allein .. 

Es war stockdunkel! Mehrere Meter lief ich orientierungslos die Straße entlang. Keine Menschenseele war zu sehen. Hier und da fuhr ein Auto vorbei, aber sonst schien die Gegend verlassen. Es war schließlich schon weit nach Mitternacht. Ich nahm mein Handy und schaltete mein GPS ein. 

„Verdammter Hund.“, murmelte ich leise vor mich hin. 

Meinem Handy nach zu folgen, war ich noch knapp 10 Kilometer von meiner Wohnung entfernt. Laufen wurde also schlecht gehen. Vor allem nicht mit 2 großen Koffern im Schlepptau und 13 cm hohem Absatz. Als ich eine Bank fand, ließ ich mich kurz nieder um einmal durchzuschnaufen. Meine Füße schmerzten, ich hatte Durst und alles was ich jetzt wollte, war schlafen. Als ich plötzlich ein Rascheln hörte, ließ ich panisch meinen Blick durch die Gegend schweifen. Mein Herzschlag verdoppelte sich, ängstlich hielt ich den Atem an. Mit zitternden Fingern tippte ich die Nummer der Taxizentrale in Köln ein. Jetzt war warten angesagt .. und hoffen, dass nicht irgendein Hund, oder noch schlimmer, ein Betrunkener über mich herfällt... 

Eine gefühlte Ewigkeit später hielt dann endlich ein Taxi am Straßenrand. Der Fahrer schien freundlich zu sein, verstaute lächelnd die Koffer im Wagen und fragte mich dann nach meiner Adresse. Während der Fahrt, sah ich immer wieder auf mein Handy. Nichts! Weder ein Anruf, noch eine Nachricht von Mergim. Ich war richtig enttäuscht .. und verletzt. Aber da war noch ein viel stärkeres, intensiveres Gefühl, das den Rest in den Hintergrund rückte. Stolz. Ich war so stolz auf mich, endlich hatte ich es geschafft mich zu wehren. Wahrscheinlich hätte ich das schon viel früher tun sollen, jedoch hatte ich nie den Mut dazu gefunden. Wie auch immer, ich war froh es geschafft zu haben, auch wenn mir seine Drohung nicht aus dem Kopf ging. Was meinte er mit, ich würde mein Verhalten bereuen? Ich wollte jetzt nicht darüber nach denken, da wir sowieso unser Ziel erreicht hatten. Der Fahrer, den ich auf Mitte 50 schätzte, nahm meine Koffer aus dem Wagen. Als er Anstalten machte, mir bis nach oben zu helfen, winkte ich ab. 

„Passt so, danke. Das Gebäude hat einen Aufzug.“, lächelte ich ihn an. „Der Rest ist für sie.“ 

Ich reichte ihm das Geld, das er dankend annahm. Sein herzliches Lächeln erinnerte mich so stark an Papa, dass ich kurz davor war in Tränen auszubrechen. Irgendwie schaffte ich es, mich bis zum Aufzug zusammenzureißen. Dort angekommen, ließ ich es jedoch raus. Der heutige Tag war wohl zu viel für mich gewesen. Ich war erst seit ein paar Stunden weg, und trotzdem verspürte ich jetzt schon eine Sehnsucht nach zu Hause. Nach Papas sicheren Armen, nach Omas vertrautem Duft, nach Mamas liebevollen Worten und ja, auch ihre Predigten vermisste ich jetzt schon. Dass Mergim mich in Stich gelassen hatte, kam genauso überraschend, wie mein Ausraster nach Agrons Fummelei. Es waren anstrengende Stunden gewesen, die an meinen Kräften gezerrt hatten. Ich kramte meinen Schlüssel aus der Handtasche und schloss die Tür zu meiner neuen Wohnung auf. Die Koffer ließ ich achtlos im Flur stehen, müde stieg ich aus den Heels und schleppte mich mit schmerzenden Füßen ins Wohnzimmer. Ich knipste das Licht an, setzte mich auf meine schwarze Ledercouch und starrte ein paar Minuten in die Luft. Schlaf. Das war es, was ich jetzt brauchte. Obwohl hier schon alles eingerichtet war und mich im Schlafzimmer ein kuscheliges Bett erwartete, legte ich mich auf die Couch und döste keine 2 Minuten später ein .. 

-Das Kinderzimmer sieht so toll aus! Ich nehme den Teddy, den ich gekauft hab und leg ihn in das Babybett. Ich bin so aufgeregt, dass ich zum ersten mal Tante werde. Agron kommt aus dem Schlafzimmer und legt einen Finger an den Mund. Er sagt, dass Teuta schläft und jetzt Ruhe braucht. Dann hält er mir eine Hand hin, die ich lächelnd ergreife. Ich mag ihn, er ist toll und ich genieße die Aufmerksamkeit, die er mir jedes mal schenkt. Als er mich in sein Musikzimmer führt, das eine Etage höher liegt, komm ich aus dem Staunen nicht heraus. Es gefällt mir hier. Vor allem das Keyboard. Agron fragt mich, ob ich gerne mal drauf spielen will. Begeistert nicke ich. Dann macht er die Tür zu und meint, dass wir so Teuta nicht aufwecken. Er setzt sich auf den Stuhl vor dem Keyboard und klopft lächelnd auf seine Knie. Ohne zu zögern folge ich seiner Anweisung. Dann tippe ich grinsend auf die Tasten herum und tolle Töne erklingen. Seine Hand liegt auf meinem Oberschenkel. So wie schon oft. Aber diesmal lässt er sie da nicht liegen, sondern steckt die Hand in meine Hot Pans. Ich halte den Atem an. Das fühlt sich komisch an. Ich mag das nicht. Ich sag es ihm auch, aber er meint wir würden Spielen. Nach ein paar Minuten habe ich keine Lust mehr, dieses Spiel gefällt mir nicht. Aber Agron lässt mich nicht los. Er flüstert mir ins Ohr, dass es unser Geheimnis bleiben muss, sonst verliert Teuta ihr Baby. Das will ich nicht, deshalb schweige ich und lass ihn weiterspielen.-

Panisch riss ich meine Augen auf und richtete mich auf. Ich schnappte nach Luft und versuchte mich zu beruhigen. Die Ellenbogen auf die Knie gestützt, vergrub ich das Gesicht in meine Handflächen. Ein Traum .. nur ein Traum. Es kam mir jedoch so intensiv und real vor. Vielleicht deshalb, weil das nicht nur ein Traum war, sondern pure Erinnerungen. So hatte alles angefangen. Im Musikzimmer. In den Ferien. Ich war bei Teuta geblieben, da sie zu der Zeit hochschwanger war, während der Rest der Familie im Kosovo weilte. Meine Seele schmerzte. Ich fühlte mich so verloren und hilflos. Mit wackeligen Knien stand ich auf und ging ins Badezimmer. Ich riss den Spiegelschrank auf und starrte auf die Klinge die dort lag. 

„Du darfst das nicht machen! Nein!“, redete ich mir ein.

Mehrmals schlug ich gegen das Waschbecken. In meinem Inneren tobte ein Kampf. Meistens gewann ich, aber es gab auch Tage, an denen der Druck einfach zu stark war. Und das war einer davon! Ich griff zur Klinge, ließ diese jedoch erschrocken fallen, als es plötzlich leise an der Wohnungstür klopfte .. 

Lautlose SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt