Kapitel 29 :
Um Gottes Willen! Was machten sie so früh hier? Erneut klingelte es, ich schlich lautlos wieder in Wohnzimmer und rüttelte wie verrückt an Kaan. Er schien in einen Tiefschlaf verfallen, aber ich schaffte es trotzdem ihn wach zu kriegen. Verwirrt massierte er sich den Nacken.
„Steh auf! Oh mein Gott, steh auf! Versteck dich!“, flüsterte ich panisch.
„He? Verstecken? Ich ..“
„Meine Eltern! Vor der Tür!“, ließ ich ihn nicht ausreden.
Ich packte ihn am Arm und zog ihn ins Bad. Dann legte ich einen Finger an den Mund und sah ihn flehend an. Erst jetzt war er richtig wach, das ließ mich sein beruhigender Ausdruck im Gesicht wissen. Er drückte mir einen flüchtigen Kuss auf die Lippen und zog dann die Tür zu. Puh. Und jetzt? Verdammt. Erst mal musste ich mich beruhigen. Einatmen. Ausatmen. Ding – Dong. Okay, Zeit aufzumachen, aber davor rannte ich noch schnell ins Wohnzimmer und beseitigte die Beweise von letzter Nacht. Die Champagner Flasche steckte ich in den Schrank und die Gläser... ja, wohin mit denen?! In die Küche. In die Küche! Schon wieder klingelte es. Da stand ich nun, mit zitternden Leib, vor der Tür und legte meine Hand auf die Klinke. Ich schaff das schon, redete ich mir ein.
„Ohh ..“, tat ich einen auf überrascht, als ich die Tür schließlich öffnete.
„Überraschung.“, lächelte Papa.
„Was hat das so lange gedauert?“, wollte Mama wissen.
„Bin gerade erst wach geworden.“
Ich umarmte die beiden, führte sie ins Wohnzimmer, und zog mir anschließend kurz was an. Gespielt ruhig setzte ich mich kurz darauf wieder zu ihnen. Sie gratulierte mir zum Geburtstag und überreichten mir ein kleines Paket. Es war ein wunderschöner Fotorahmen. Beim Anblick des Bildes, das dort zu sehen war, traten mir Tränen in die Augen. Es war ein schöner, unvergesslicher Sommer im Kosovo gewesen. Zugleich auch mein letzter, ohne böse Erinnerungen. Die ganze Familie hatte sich im Garten unseres Hauses versammelt, ich saß auf Papas Schoß und mein Lachen war so ehrlich .. so unschuldig! Das schönste an dem Bild aber war, dass Agron nicht drauf war.
„Du sollst nicht weinen Dafin.“, tadelte Papa mich. „Das Bild soll dich daran erinnern, dass wir dich alle lieben und immer für dich da sind, egal wie weit weg du von uns bist.“
Seine Worte trafen mich mitten in der Seele und ließen mich nur noch mehr weinen!
„Tut mir leid.“, entschuldigte ich mich und wischte die Tränen weg. „Ich geh ganz kurz runter zu meiner Freundin, hab nämlich keinen Kaffee da.“, log ich.
Ich wollte nicht lügen, aber es musste sein. Kaan stand schließlich im Bad. Mein Herz pochte lautstark gegen meinen Brustkorb, als ich vorsichtig die Badezimmertür aufmachte. Natürlich nicht ohne vorher zu schauen, ob die Luft rein war. Ich nahm Kaan an der Hand und zog ihn hinter mir her. Nachdem die Wohnungstür hinter mir ins Schloss fiel, atmete ich erleichtert aus. Kann verpasste mir grinsend einen Kuss auf den Kopf und verschwand dann in seiner Wohnung.
„Was tu ich hier gerade, verdammte scheisse?“, murmelte ich ungläubig vor mich hin.
Ich fühlte mich so mies! So schlecht! Meine Eltern verdienten es nicht belogen zu werden! Aber es war noch viel zu früh, um ihnen von Kaan zu erzählen...
Mama und Papa blieben nur bis nach dem Mittagessen. Ich ließ mir wie immer nichts anmerken und genoss stattdessen die Anwesenheit der beiden. Ich erkundigte mich nach Oma, die für ein paar Tage bei meinem Onkel war. Lachend meinte Papa, dass sie so fit sei, wie schon lange nicht mehr und, dass sie uns wohl noch viele weitere Jahre erhalten bleiben würde.
„Ishallah! (So Gott will!)“, antwortete ich lächelnd.
Oma war mein Herzblatt, ein Leben ohne sie, würde sicher schrecklich werden. Aber daran wollte ich im Moment nicht denken...
Gegen Mittag saß ich also wieder allein in meiner Wohnung herum. Papa hatte mir noch Geld da gelassen und meinte, ich solle schön shoppen gehen. Meine Schwestern hatten mich der Reihe nach angerufen und wünschte mir alles Gute. Teuta schlug vor, am Wochenende nachzufeiern, aber ich sagte entschieden ab.
„Ach komm, man wird nur einmal im Leben 20.“, jammerte sie.
„Das war mir 8 oder 9 cool. Mittlerweile ist sowas langweilig.“
„Spielverderberin!“
„Wir feiern meinen 30. Versprochen.“, lachte ich.
„Blöde Kuh.“
„Ich liebe dich auch Schwesterherz.“
Ein weiterer Lacher folgte und dann legte ich auf. Kaan ließ sich kurz darauf auch wieder blicken. Unbedingt wollte er mit mir raus, wohin es gehen sollte, verriet er mir nicht. Er sprach so lange auf mich ein, bis ich schließlich nachgab...
Ich staunte nicht schlecht, als wir eine halbe Stunde später, vor dem Kartcenter in Köln standen. Deshalb hatte er mich also darum gebeten, mir etwas bequemes anzuziehen. Ganz schön kreativ war er, das musste man ihm lassen. Ich war erst einmal Go Kart gefahren und hatte tolle Erinnerungen daran, deshalb freute ich mich gerade wie ein klein Kind.
„Cool, ne?“, grinste Kaan mich an.
Ich nickte begeistert und küsste ihn leidenschaftlich.
„Wenn du gewinnst, dann koche ich heute für dich.“, meinte er herausfordernd.
„Abgemacht!“, erwiderte ich selbstbewusst.
„Na ja, eigentlich koche ich sowieso für dich, weil du Geburtstag hast, aber das sollte ein Motivationsschub sein. Du verlierst sowieso.“
Ich warf ihm einen bösen Blick zu, den er mir amüsierten Lächeln quittierte und setzte dann siegessicher meinen Helm auf. Total aufgeregt betrat ich die Piste. Los ging es! Die Strecke war toll, die Kurven waren perfekt für mich. Es war ein Kopf an Kopf rennen zwischen Kaan und mir. Ich drückte das Gaspedal durch und spürte wie Adrenalin durch meinen Körper schoss. Letzte Runde! Oh, es war so genial! Und das Gefühl, als ich die Ziellinie vor Kaan überquerte, war unbeschreiblich. Ich sprang aus dem Kart, nahm den Helm ab und schüttelte einmal mein Haar durch. Völlig außer Atem rannte ich dann zu Kaan.
„Hast du das gesehen? Hast du? Hast du?“, lachte ich ihn aus.
„Ja, Ja. Hab dich gewinnen lassen.“, winkte er ab.
„Lügner!“
„Ich lüge nicht.“
„Gib es doch zu, dass ich besser fahre als du!“
„Okay, ist ja gut. Du fährst besser als ich, Frau Asllani. Du hast es drauf.“, grinste er.
„Sag ich doch.“, antwortete ich zufrieden.
„Thema Wechsel. Es ist Zeit für dein Geschenk. Augen zu.“, sagte er auf einmal.
Ich war noch immer außer Puste und meine Wangen glühten. Aber ich tat wie geheißen und schloss meine Augen. Kaan nahm mir den Helm aus der Hand und spielte dann an meinem Handgelenk herum. Kaltes Edelstahl traf meine Haut und eine angenehme Gänsehaut breitete sich in mir aus.
„Aufmachen.“, verlangte Kaan endlich.
Ich traute meinen Augen nicht. Das war gerade nicht ernsthaft eine Michael Kors Uhr?! Das Gehäuse war mit wunderschönen Kristallen verziert. Es war traumhaft!
„Kaan! Danke .. das ist .. wunderschön. Aber das war bestimmt so teuer ..“, stotterte ich gerührt.
„Für dich ist nicht zu teuer mein Engel.“, lächelte er.
Er nahm mein Gesicht in seine Hände und drückte mir einen langen Kuss auf die Stirn. Ich fühlte mich wie im siebtem Himmel. Es war fast schon unheimlich, wie glücklich ich gerade war. Ich hatte so das komische Gefühl, dass bald etwas schlechtes passieren würde. Kaans fröhliche Stimme, schaffte es den Gedanken in den Hintergrund zu rücken.
„Weiter geht’s! Ziehen wir uns um, hab heute noch was vor mit dir.“, lächelte er.
Zwei Stunden später, stand ich vor dem Spiegel in meinem Schlafzimmer und überlegte, was ich anziehen sollte. Kaan hatte unterwegs noch Eis gekauft. Im Januar. Egal, Eis geht immer, hatte er gesagt und ich hatte ihm Recht gegeben. Ich ertappte mich dabei, wie ich mal wieder vor mich hin lächelte. Das passierte in letzter Zeit sehr häufig, wenn ich an Kaan dachte. Er kochte gerade nebenan und meinte ich solle erst um Punkt 19 Uhr kommen. Also hatte ich noch knapp eine Stunde Zeit um mich hübsch zu machen. Letztendlich entschied ich mich für ein knielanges, rotes Kleid, das eng geschnitten war und so meine Kurven zum Vorschein brachten. Kurven, die ich eigentlich hasste. Aber seit ich Kaan kannte, war mir das alles egal geworden. Das war übrigens ein gutes Zeichen. Meine Haare glättete ich nur, aber bei der Schminke gab ich mir Mühe. Am Ende war ich mit meinem Ergebnis vollends zufrieden. Es klingelte an der Tür. Zu erst dachte ich, dass Kaan gekommen war um mich zu holen. Darum war ich umso mehr erstaunt, als Mergim vor der Tür stand. Er hielt ein kleines Päckchen in seiner Hand und lächelte mich an.
„Du hast bestimmt gedacht, dass ich dich vergessen habe.“, sagte er leise.
Ich nickte kaum merklich und versuchte die aufkommenden Tränen zurück zu halten. Es war so egal, dass wir „Streit“ hatten, ich war einfach nur mega froh, dass er doch an mich gedacht hatte. Wortlos fiel ich ihm um den Hals. Er erwiderte die Umarmung, löste sich jedoch wieder schnell von mir.
„Das ist für dich. Alles gute Dafin, wünsche dir nur das Beste, denn das verdienst du.“
„Danke Gimi ..“, flüsterte ich.
Ich öffnete das Päcken, in dem sich eine wunderschöne Kette von Tiffany befand. Der Anhänger war herzförmig und mit Steinchen besetzt. Schlicht, aber atemberaubend schön! Erneut drückte ich Mergim an mich und bat ihn herein zu kommen, doch er sagte ab.
„Du siehst beschäftigt aus, hast bestimmt noch was vor.“, sagte er leise.
Da er Recht hatte, hackte ich nicht länger nach. Aber ich reichte ihm die Kette und drehte mich um.
„Mach dran.“, sagte ich und schob mein Haar zur Seite.
Er folgte meiner Anweisung und ich bewunderte das gute Stück an meinem Hals.
„Bin dann mal weg Dafin.“
„Ich melde mich bei dir.“, sagte ich und schenkte ihm zum Abschied ein strahlendes Lächeln.
Bevor ich zu Kaan rüber ging, warf ich noch einen letzten Blick in den Spiegel.
„Passt so.“, murmelte ich leise vor mich hin.
Ich nahm meine Schüssel und verließ anschließend die Wohnung. Zwei mal läutete ich bei Kaan, aber nichts passierte. Komisch. Wieso brauchte er so lange? Diese Warterei, machte mich noch nervöser, als ich es ohnehin schon war. Dann endlich, wurde die Tür aufgemacht und was ich da sah, verschlug mir die Sprache ..
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Lautlose Schreie
General FictionDafina ist angehende Jura Studentin. Sie zieht von Mannheim nach Köln, wo sie an der Seite ihres besten Freundes studieren wird. Sie ist ein ganz normales Mädchen, doch der Schein trügt. Eine Kindheit voller schlimmer Erinnerungen, ein Schwager, der...