Kapitel 42

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Kapitel 42 : 

Irgendwie hatte ich absolut nicht mit Papa gerechnet. Meine Schritte verlangsamten sich, wenn auch ungewollt und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Er kam mir entgegen und stoppte direkt vor mir. Wir standen etwa 5 Meter von der Haustür entfernt, und über seine Schulter sah ich, dass schon mehrere Leute da standen und neugierig ihre Köpfe reckten. Ich wusste nicht, was ich sagen, geschweige denn tun sollte, aber das war auch nicht nötig, denn Papa ergriff das Wort. 

„Was willst du hier?“, sagte er ruhig. 

Die Frage verunsicherte mich. War es denn nicht offensichtlich, was ich hier wollte? 

„Ich will ..“
„Was? Dass die Leute noch mehr über mich reden, als sie es ohnehin schon tun? Ich weiß nicht, wie du dich überhaupt getraut hast, hier her zu kommen!“

Er sprach noch immer ruhig, aber ich merkte, dass es ihn Kraft kostete, seine Stimme nicht zu erheben. Einer meiner Onkels stieß zu uns und auch Teuta kam angerannt. Ihr weißes Kopftuch, das man bei uns zu so einem Trauerfall trug, war verrutscht. Sie hatte ein Taschentuch dabei, mit dem sie sich gerade Tränen aus dem Gesicht wischte. Total müde und ausgelaugt sah sie aus und ich verspürte instinktiv diesen Drang, sie zu umarmen. Aber ihre folgenden Worte ließen mein Gefühl in den Hintergrund rücken, denn sie machten mich wütend. Sehr wütend.

„Dafina, was machst du hier?“, fragte sie überrascht.
„Das selbe was du hier machst. Und Mimoza und Dona! Wie herzlos seid ihr eigentlich, dass ihr nicht einmal daran gedacht habt, mir Bescheid zu geben?“, zischte ich. 
„Pass auf wie du redest.“, mischte sich mein Onkel ein, aber ich ignorierte ihn. 
„Sie war auch meine Oma Teut!“ 

Meine Stimmte zitterte verräterisch. Ich wollte an meinem Onkel vorbei treten um ins Haus zu gehen, doch er hielt mich am Oberarm fest und sah mich verächtlich an. 

„Du hast hier nichts zu suchen. Es ist besser, wenn du gehst, bevor das hier eskaliert. Siehst du nicht, wie viel Schande du deinem Vater bereitet hast? Er kann den Leuten nicht mal ins Gesicht sehen und das ist deine Schuld.“ 

Er ließ von mir, trat einen Schritt zurück und breitete seine Arme aus. 

„All das, was gerade hier passiert. Es ist deine Schuld.“, fuhr er leise fort. 

Ich konnte es nicht fassen! Er machte mich gerade indirekt für den Tod meiner Oma verantwortlich!Papa stand schweigend da und starrte zu Boden. Teuta weinte und wich dabei meinem Blick aus. Es war kaum auszuhalten, das Atmen fiel mir schwer, ich spürte wie sich kleine Schweißperlen auf meiner Stirn gebildet hatten und meine Knie zitterten. Vor Wut. Vor Empörung. Vor Schmerz und .. und vor Schuldgefühlen. Was ein kleiner Teil meines Gehirns, sowieso schon die ganze Zeit über gedacht hatte, wurde mir nun eiskalt ins Gesicht geklatscht. Es war meine Schuld. Meine Augen suchten die von Papa, in der Hoffnung, er würde etwas sagen. Etwas tun! Irgendwas! Aber was er dann tat, entsprach nicht meinen Vorstellungen, denn er ging einfach ins Haus. Einfach so. Weg. 

„Babi! (Papa!)“, schrie ich verzweifelt. 

Ich wollte ihm hinterher, aber mein Onkel stellte sich mir in den Weg. Mein ganzes Leben lang, hatte ich diesen Mann respektiert, ja, ich hatte ihn sogar richtig gern gehabt. Er war immer derjenige gewesen, der mich gelobt hatte und sein Lächeln kam mir jedes mal so herzlich vor. Aber nun zeigte er sein wahres Gesicht. Ein Gesicht, in das ich am liebsten spucken würde. Aber ich hielt mich zurück. 

„Verschwinde von hier!“, blaffte er mich an.

Teuta stand plötzlich neben mir und legte ihre Hand auf meine Schulter. 

„Dafina .. vielleicht ist es besser, wenn du gehst.“, sagte sie kaum hörbar. 
„Was?!“

Ungläubig starrte ich sie an und riss mich von ihr los. Ich kämpfte mit den Tränen, als sie ihre Worte wiederholte. Ich kämpfte gegen den Schrei an, der in meiner Kehle lag, als ich realisierte, dass ich Oma nicht sehen würde. Und ich verfluchte innerlich gerade, alles und jeden! 

Lautlose SchreieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt