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▫Noel▫

Aufgeweckt wurde ich von Benny und dem Geruch von Essen. Es war Abend und Benny hat für uns beide gekocht gehabt. Er meinte zwar, es ist nur was Kleines und er könne nicht so gut kochen wie ich, aber trotzdem war ich fasziniert. Er...hatte für uns gekocht? Dabei war das doch meine Aufgabe! Aber...irgendwie war es angenehm mal nicht alles machen zu müssen.

So aßen wir und spielten dann noch ewig viele Runden Schach. Heute gewann Benny sogar das erste Mal gegen mich, was aber eher meiner Ablenkung und Müdigkeit zu verschulden war. Trotz dem Mittagschlaf war ich immer noch erschöpft und wir sind gegen acht Uhr auch ein wenig in den Garten gegangen, da wir ja nicht spazieren waren oder konnten. Ohne Mike durfte ich das Haus nicht verlassen, aber der Garten war in Ordnung, das hatte er Benny erlaubt. Wir bauten einen kleinen Schneeman aus dem vielen neuen Schnee, der gefallen war und saßen uns auch so einfach ein wenig hinaus, ein wenig der Stille lauschen. Doch selbst durch das bisschen frische Luft wurde ich noch müder. So beschloss Benny gegen zehn Uhr, dass wir jetzt schlafen gehen würden.

Mike hatte Benny ein paar extra Regeln gegeben. Zum Beispiel beim Schlafen sollte er mich wieder anketten, damit ich nicht doch weg ging. Oder er sollte mir, so wie Mike es immer tat, Klamotten heraus legen und mich abends oder morgens duschen schicken. All solche Kleinigkeiten eben.

Also gab er mir Klamotten und schickte mich damit ins Bad, er selbst wartete im Zimmer auf mich, sagte mir aber, dass ich mich bitte ein wenig beeilen solle. So war ich fünfzehn Minuten später wieder fertig und kam mit noch leicht nassen Haaren aus dem Bad. Benny saß auf dem Bett und...hielt meinen Bilderrahmen in der Hand.

Ohne groß darüber nachzudenken ergriff ich ihn und drückte ihn fest an mich. Er sollte nicht kaputt gehen! Es war mein Bild! Mein Geschenk! Meine...Familie!

Benny sah mich kurz überrascht und dann leicht traurig an. "Ich...tut mir leid, ich wusste nicht, dass du es nicht magst, wenn ich es anfasse." sagte er und rutschte dabei ein Stück zur Seite und deutete mit an, mich zu setzten. Das tat ich auch und hielt den Bilderrahmen immer noch fest in meinen Händen. Er...Er war mir sehr wichtig! Nichts konnte das jemals ersetzten...Es war Mikes erstes richtiges Geschenk an mich! Und es war eine der wenigen bildlichen, materiellen Erinnerungen, die ich an meine Familie hatte...

Ich zuckte mit den Schultern und senkte den Kopf. "Es...Also...Ich glaube es war eine Kurzschlussreaktion." hauchte ich leise und strich mit dem Daumen über das Gesicht meiner Mutter. Sie machte sich bestimmt immer noch und trotz der E-Mail Sorgen um mich...um ihren Sohn...

Er nickte und sah sich das Bild in meinen Händen an. "Du siehst drauf richtig glücklich aus." lächelte er mich schwach an und ich nickte sofort. "Ja...Ich war unglaublich glücklich. Das war letztes Jahr im Sommer, wir waren den ganzen Tag im Freibad, also wirklich den ganzen Tag! Wir sind morgens extra früh aufgestanden und waren um 10 Uhr schon dort! Wir haben Melone gegessen und ich bin mindestens hundert Mal mit Mariella und Laura" dabei zeigte ich jeweils auf ihre Gesichter, "die Rutsche gerutscht. Dann haben die beiden an dem Tag sogar noch ihr Seepferdchen gemacht und meine, also unsere Eltern waren unglaublich stolz. Direkt als sie es ausgehändigt bekommen haben ist dieses Bild entstanden." erzählte ich von dem Tag und merkte gar nicht, wie mir eine Träne über die Wange floss. Erst als Benny sie mit einem Tuch weg wischte bemerkte ich sie.

Er sah mich nun richtig traurig an und ich wusste nicht, was in ihm vorging. Ich verstand warum es mir gerade nicht so gut ging...ich vermisste sie wieder unglaublich sehr und wurde mir dem Fakt konfrontiert, dass ich sie wahrscheinlich nie wieder sehen werde, aber warum ist Benny dadurch...auch so bedrückt?

"Ist es schwer für dich über sie zu reden?" fragte er leise doch ich schüttelte den Kopf. "Ich...Es tut weh und ich vermisse sie ganz stark...aber es ist schön über sie zu reden, dann passieren alle Erinnerungen in meinem Kopf erneut und ich höre und sehe sie Lachen und Reden"' erklärte ich und lächelte ihn ehrlich an. Ja, ich liebte meine Familie...ich könnte ewig über sie reden!

"Willst du mir dann ein wenig was erzählen? Heute Mittag habe ich dir ganz viel über Mike und mich erzählt und jetzt erzählst du mir etwas über dich und deine Familie?" fragte er und ich nickte. Das hörte sich schön an. Mike wollte meine Familiengeschichten nie wirklich hören, er wirkte dabei immer so kalt und desinteressiert. Benny hingegen schien es ehrlich zu interessieren.

Er stand auf und ging zum Bettpfosten, dort nahm er die Kette, welche Mike dort schon fest gemacht hatte. "Ich mach dich nur schon mal fest und dann kannst du dich hinlegen. Dann kannst du mir bis du einschläfst ganz viele Geschichten erzählen und ich muss dich danach nicht mehr wecken." erklärte er und ich nickte. Kurzerhand hatte er den Ring vorsichtig um meinen Fuß gemacht und ich lag eingekuschelt in meiner Decke im Bett. So ganz ohne Mike war das Bett richtig groß und leer...

Benny saß sich auf die Bettkante, nachdem er die Rolläden geschlossen und das große Licht ausgemacht hatte. "Erzähl mir alles was du willst, ich höre dir gespannt und gerne zu." lächelte er mich an und ich nickte. Was konnte ich den am besten erzählen? Der Geburtstag der beiden? Meinen Geburtstag? Die Sache mit der Schaukelt im Garten?

"Letzten Frühling, an meinem Geburtstag, haben wir ganz viele Freunde und Verwandte eingeladen. Wir haben wirklich riesig gefeiert. Es war schönes Wetter, überall blühten Blumen und auf dem Tisch stand ein wunderschöner Blumenstrauß, der war nur für mich! Meine Tante hatte mir den mitgebracht, er hatte blaue und weise Blumen und ich fand in wirklich unglaublich schön. Das war das erste Mal, dass ich Blumen geschenkt bekommen habe." fing ich an zu erzählen und verlierte mich so in der Erzählung bzw. Erinnerung, dass ich nur noch vor mich hin lächelte und ewig weiter erzählte.

Ich weiß nicht, wie lange ich noch weiter erzählt hatte, aber irgendwann muss ich eingeschlafen sein, denn am nächsten Morgen wurde ich wach als Benny mir meine Fußfessel löste und die Rolläden schon wieder oben waren. Benny war echt ein Frühaufsteher...dabei hatten wir heute doch Sonntag oder?

Ob Mike gut angekommen war? Wie war es wohl bei seiner Familie? Hatten sie gemeinsam was besonderes gemacht oder gegessen? Haben sie irgendeine Tradition? Ob Mike Geschwister hat? Vielleicht. Ich könnte Benny fragen, aber das würde Mike wohl nicht so toll finden.

▫Upload: 23.06.2021▫

▫1125 Wörter▫

Double Checkmate || Shadowuniversum Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt