~Kapitel 22~

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"Solange ich denken kann, gab es immer nur May, Ben und mich. Ich hab nur wirklich wenige Erinnerungen an meine Eltern. May hat mir erzählt, dass sie bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen sind, als ich noch ganz klein war.
Meine Tante und mein Onkel haben mich also zusammen aufgezogen, bis auch mein Onkel verstorben ist. Das war um ehrlich zu sein noch härter als meine Eltern zu verlieren. Vorallem weil May danach eine Reihe an Fehlgriffen mit nach Hause gebracht hat, um sich irgendwie von dem Schmerz abzulenken. Aber seit einer ganzen Weile gibt es nur noch May und mich", erzählte er monoton und ich biss fest die Zähne zusammen, um nicht auch noch über seine Geschichte zu weinen, das stand mir nämlich nicht zu.

"Das tut mir so leid", flüsterte ich und wollte mir gar nicht erst vorstellen, wie es wäre beide Eltern zu verlieren. Das musste schrecklich sein. Und gleichzeitig bewunderte ich, dass wir eine weitere Gemeinsamkeit hatten, die uns auf eine schräge Weise verband.

"Es ist komisch, weil ich nicht wirklich traurig darüber sein kann. Natürlich hätte ich gerne Eltern aber es tut nicht so weh, weil ich mich sowieso nicht mehr an die Zeit erinnern kann, als sie noch hier waren. Deshalb ist May wie eine Mutter. Ich fühl da keinen Unterschied", erzählte er und ich versuchte seinen Gedanken zu folgen. Er spielte es runter, weil er sie kaum kannte. Ich hingegen empfand das als beinahe noch schlimmer.

"Ich bin froh, dass du May hast", merkte ich an und dachte an sie zurück. Sie war wirklich eine tolle Frau und unglaublich einfühlsam. Genau so eine Person verdiente Peter als Mutterersatz.

"Ich bin auch froh, dass ich sie habe", murmelte er gedankenverloren und ich konnte ihm regelrecht ansehen, wie sehr er seine Tante liebte.

"May's Fehlgriffe.. damit meinst du auch den Typen, der sie so schlecht behandelt hat?", harkte ich nach und Peter verspannte sich augenblicklich. Okay, das war nun wirklich eine bescheuerte Frage.

"Robert, ja. Oder wie ich ihn gerne nenne, Scheiß Wichser", murmelte er und ich sah überrascht zu Peter, da er mir eigentlich nicht wie ein Mensch wirkte, der oft fluchte oder Ausdrücke benutzte. Es schien ihm nahe zu gehen und nach allem, was ich von diesem Typen wusste, konnte ich es auch vollkommen verstehen.

"Dann hast du das alles mitbekommen?", fragte ich unsicher und Peter nickte gedankenverloren, ohne mich dabei anzusehen.
Er atmete tief durch, bevor er sich durch die Haare fuhr. So langsam bekam ich ein verschwommenes Bild davon, welch eine Last auf den Schultern dieses jungen Mannes lastete und er heimte sich damit meinen vollsten Respekt ein.

"Es tut mir so leid", hauchte ich und fühlte mich dabei völlig bescheuert. Als könnten meine Worte irgendwas von dem wieder gut machen, was er hatte durchmachen müssen. Trotzdem hatte ich die Hoffnung, dass es mir möglich war, ihn zumindest ein kleines bisschen besser fühlen zu lassen.

"Mir auch. Immerhin hab ich es zweimal verschissen", grummelte er wütend und ich schüttelte energisch den Kopf. Ich wollte nicht, dass ihn ein Gefühl von Schuld fertig machte.

"Nein. Sag das nicht", forderte ich ernst, doch er lachte nur ironisch auf.

"Es ist aber die Wahrheit. Ich konnte May nicht helfen. Und dich hab ich auch nicht gerettet", murmelte er. Wie er über sich selbst dachte, trieb mir erneut die Tränen in die Augen. Noch dazu blutete mein Herz bei dem Gedanken, ein Stück weit mit für einem Teil seiner Schuldgefühle verantwortlich zu sein.

"Doch das hast du!", widersprach ich ihm, ohne nachzudenken.

Es war genau eine Woche her. Und obwohl das nach einer so kurzen Zeit klang, kam es mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Und um ehrlich zu sein wusste ich nicht, was ich in dieser Zeit ohne Peter gemacht hätte.
Er war meine einzige Stütze, mein einziger Lichtblick in dieser Dunkelheit. Und auch wenn er es weder ungeschehen, noch weniger schmerzhaft machen konnte, hatte ich das Gefühl, es fühlte sich leichter an, solange er in meiner Nähe war.

"Peter, hey! Sieh mich an, bitte", bat ich sanft und wartete, bis er mir widerwillig entgegen sah. Auch in seinen Augen glitzerten Tränen und es brach mir das Herz ihn so zu sehen. Ich wollte nicht, dass er sich so fühlen musste.

"Du hast mich gerettet, okay? Das tust du.. jede Sekunde", murmelte ich einerseits beschämt, andererseits ehrlich wie selten zuvor. Er öffnete den Mund leicht, sagte jedoch nichts. Es war jedoch auch nicht nötig, ich genoss die Stille, die sich über uns legte.
Wir sahen uns lediglich in die Augen und kommunizierten beinahe über unseren Blickkontakt. Und in diesem Moment war einfach alles okay, so verrückt es auch klang.

"Danke", flüsterte Peter und ich lächelte ihm leicht entgegen. Ich genoss den Moment unglaublich. Mehr als ich es je erwartet hätte.

Nachdem ich beinahe die komplette Nacht mit Peter draußen verbracht hatte, schlief ich dementsprechend lang am darauf folgenden Samstag.
Meine Ausrede war schließlich, dass ich zu lang fern gesehen hatte, woraufhin mich Pepper wissend anlächelte. Ich wünschte das wäre tatsächlich alles, denn dann könnte es so einfach sein.

Wäre ich einfach so mit Peter ausgegangen, könnte ich ihn irgendwann mit nach Hause bringen, meiner Familie vorstellen und wer weiß, vielleicht würde sich tatsächlich etwas zwischen uns entwickeln.
Doch die ganze Freundschaft zwischen uns baute auf einer absolut großen Scheiße auf. Abgesehen davon, dass er mich im wohl erniedrigensten Moment meines Lebens zu Gesicht bekommen hatte und ich deshalb nun ein emotionales Wrack war, machte er sich deswegen auch noch Vorwürfe. Und ich wollte nicht, dass er sich mit mir abgab, weil er dachte er wäre es mir schuldig oder um irgendwas wieder gut zu machen.

Er hatte nämlich nichts wieder gut zu machen, ich hingegen schon.

Der Rest des Wochenendes verlief ruhig, meine Familie ging ihren Aufgaben oder Tätigkeiten nach und ließen mich damit alles in allem in Ruhe. Noch dazu musste ich sagen, dass ich mich absolut okay fühlte.
Natürlich ging es mir nicht gut, im Gegenteil. Es fühlte sich so an, als könnte niemals wieder irgendwas gut werden, doch es war okay.

Die Zeit mit Peter zu verbringen, gab mir Hoffnung, dass ich es schon irgendwie überstehen würde. Dass es mir wirklich gut ging, erwartete ich nicht einmal, ich wollte lediglich klar kommen.
War das denn wirklich zu viel verlangt?

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Love you 3000, T.

Darkest Nights | Peter Parker FF Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt