~Kapitel 92~

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#Taylors Sicht

Die Wochen vergingen. Ich rechnete jeden Tag damit, einen Brief vom Gericht im Briefkasten zu finden. Doch nichts passierte. Wobei das so auch nicht stimmte. Es passierte eine Menge.

Allem voran der Alltag, den ich mir so gewünscht hatte. Ich hatte einiges nachzuholen in der Schule, was mir zum Glück nicht sonderlich schwer fiel. Ich wollte das Schuljahr nur ungern wiederholen also gab ich mir größte Mühe aufzuholen.

Noch dazu neigte sich das Schuljahr bereits dem Ende zu, es wurden viele Prüfungen geschrieben, die ich zum Glück gut meisterte. Peter und ich schrieben bereits Bewerbungen an die Universitäten, die wir gerne besuchen würden.

Zum Glück wurde es in der Schule auch wieder ruhiger um mich. Die ersten Tage und Wochen nach dem Vorfall auf dem Schulflur waren ziemlich anstrengend.

Ständig wurde ich angestarrt, irgendwann sogar angesprochen. Es war sogar in Ordnung, dass sie mich darauf ansprachen. Ich ging zwar nie ins Detail, trotzdem versuchte ich ehrlich zu sein und anderen damit vielleicht sogar Mut zu machen, sich in schweren Situationen Hilfe zu suchen und nicht so zu enden wie ich.

Mit Betty und Chiara, dem anderen Mädchen, das uns zur Polizei begleitet hatte, sprach ich viel. Wir versuchten uns gegenseitig aufzubauen. Denn obwohl unsere Geschichten so unterschiedlich waren, verstanden wir einander fast ohne Worte.

Sogar Liz ließ mich überwiegend in Frieden. Zwar schenkte sie mir noch immer böse Blicke, wenn ich versehentlich in ihre Richtung sah, doch es hielt sich in Grenzen.

Betty hatte sich mittlerweile auch von ihr abgewendet und verbrachte dafür mehr Zeit mit meinen Freunden und mir. Insbesondere Ned gefiel der Zuwachs in der Freundesgruppe. Ich konnte mich täuschen, doch der Fakt, dass er jedes Mal rot anlief, wenn Betty ihn ansprach, war ziemlich eindeutig.

Natasha hatte wieder angefangen mit mir zu trainieren. Ich wollte mich nie wieder so hilflos fühlen. Ich wollte, wenn es wirklich drauf ankam, in der Lage sein, mich selbst zu retten.
Oder vielleicht sogar andere.

Tatsächlich hatte ich mir auch den Anzug angesehen, den Dad für mich gebaut hatte. Natürlich hatte ich ihn nicht anprobiert oder ihm in den Kopf gesetzt, ich würde ihn irgendwann nutzen. Trotzdem hatte es mich interessiert.

Ich fand endlich ins Leben zurück. Und es war doch so anders. Nichts fühlte sich an wie davor. Doch es fühlte sich auch endlich nicht mehr schlimmer an. In mir war viel zerbrochen. Ich musste eine Menge aufarbeiten, trotzdem spürte ich beinahe, wie jeden Tag ein kleines Stück in mir heilte.

Und das hatte ich einer Menge Menschen zu verdanken.
Alle, die sich mir in den vergangenen Monaten angenommen hatten, halfen mir ein Stück weiter.

Doch ich konnte nicht leugnen, dass es im Endeffekt nur eine Person war, die mich gerettet hatte. Und zwar auf so unglaublich viele Arten, dass ich sie nicht aufzählen konnte. Peter Parker hatte mich im tiefsten Punkt meines Lebens aufgegabelt und ist geblieben. Er war da, in jeder verdammten Sekunde. Er schreckte nie zurück, wie schwer es auch wurde. Er hatte mich durch all die dunklen Nächte gebracht und über Wasser gehalten. Ich wusste, dass ich ohne ihn ertrunken wäre, doch das hatte er nicht zugelassen. Und ich wusste nicht, wie ich das je wieder gutmachen sollte.

Ich wollte nie wieder ohne ihn sein. Es war lächerlich kitschig. Es war, als wäre ich süchtig nach ihm. Als wären unsere Seelen miteinander verbunden und konnten nur vollständig sein, wenn wir beieinander waren.

Ich wusste nicht, dass diese Art von Liebe tatsächlich existierte. Doch er hatte mich eines besseren belehrt. Er war mein bester Freund. Er war meine Herz und alles, was ich brauchte. Wir konnten gemeinsam lachen aber auch weinen, wir wussten, was der andere dachte. Es war eine unglaubliche Verbindung, die kein Mensch je mit Worten beschreiben könnte.

Und obwohl ich täglich darauf gewartet hatte, traf es mich dann härter, als erwartet, als der an mich adressierte braune Briefumschlag auf meinem Schreibtisch landete. Die Zusage einer Universität hätte mir wesentlich besser gefallen. Aber natürlich war es da nicht.

New York Supreme Court. Ladung zum Termin. Strafrechtliche Verhandlung. Angeklagt: Brandon Cartwright. Zuerst Tränen aus Schock. Dann ein Lächeln. Schließlich doch wieder Tränen. Ich hatte es geschafft und doch hatte ich noch gar nichts geschafft. Dieser Termin würde die Hölle werden.

Wenn ich nur daran dachte, ihn je wieder sehen zu müssen, wurde mir regelrecht übel.

Und das, obwohl ich wusste, dass er mir nichts anhaben konnte. Nicht vor Gericht und auch sonst nicht. Vermutlich würde ich die Angst vor ihm niemals ganz loswerden. Denn er hatte einmal gewonnen. Das schien meinem Gehirn zu reichen, um ihn als gefährlich einzustufen.

Ich starrte angespannt auf den Brief in meinen Händen, als es an meinem Fenster klopfte.

Ich wirbelte herum und erkannte Peter in seinem Spiderman-Anzug vor dem Fenster hängen. Mit großen Schritten ging ich auf die Fensterfront zu und öffnete eines davon. Er stieg durch das Fenster in mein Zimmer und zog sich die Maske vom Kopf.

„Wir haben eine Haustür", gab ich schniefend von mir und versuchte zu überspielen, dass es mir gerade nicht gut ging, doch wem sollte ich was vormachen? Peter? Er spürte doch sowieso, was ich spürte.

„Echt? Die solltest du mir mal zeigen", antwortete er grinsend und lief auf mich zu.

„Sollte ich wohl", auch ich musste leicht grinsend. Bei mir angekommen legte er eine Hand an meine Wange und küsste mich innig. Und ich genoss jede Sekunde davon.

„Du hast den Brief also auch bekommen?", wollte er wissen und ich nickte.

„Deiner kam auch heute?", wollte ich wissen, was nach seiner Bemerkung ziemlich überflüssig erschien. Er nickte.

„Wie geht's dir?", wollte er wissen und ich zuckte mit den Schultern.

„Ich wusste, der Moment würde kommen. Aber jetzt fühlt es sich trotzdem komisch an", gab ich zu.

Alles wurde leichter in den letzten Wochen. Ich musste Brandon nicht mehr sehen. Es war, als wäre er nie da gewesen. Und das hatte so gut getan. Jetzt würde ich ihn wieder sehen müssen.

„Versteh ich. Aber diesen letzten Schritt schaffen wir jetzt auch noch. Und danach haben wir endlich Ruhe", sagte er und ich nickte lächelnd.

„Und Gerechtigkeit", fügte ich hinzu. Danach schlang ich meine Arme wieder um ihm.
So wie ich es immer tat, wenn es mir nicht gut ging. Und plötzlich war die Welt wieder viel schöner.

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Wie wird die Gerichtsverhandlung laufen?

Wünsche euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr ❤️

Love you 3000,T.

Darkest Nights | Peter Parker FF Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt