~Kapitel 36~

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Mühsam schleppte ich mich nach Hause. Ich fühlte mich so hundeelend. Es war als müsste ich unglaublich viel Kraft aufbringen, um einen Fuß vor den anderen zu setzen.

Die gut gefüllten Straßen New Yorks kamen mir einsam und leer vor. Das ist, was sich in meine Seele brannte. Ich war umgeben von Menschen und trotzdem war ich so allein. Als stände ich in einem Glaskasten auf dem Time Square, der meine Schreie dämpfte. Als könnten sie mich sehen, anstarren und konnten den Hilferuf trotz allem nicht hören.

Und auch wenn das klang als würde ich die Schuld von mir schieben und sie in den Personen suchen, die nicht erkannten, was in mir vorging, sah es in meinen Gedanken völlig anders aus. Es gab überhaupt keinen Zweifel daran, dass diese ganze Situation meine Schuld war. Und es schien als war ich lediglich eine zu gute Schauspielerin und Lügnerin.

Selbst wenn ich mir eingestehen konnte, dass das was sie mir angetan hatten nicht meine Schuld war, war es trotzdem ich, die ihre Eltern angelogen hatte, um eine Party zu besuchen. Ich war diejenige, die sämtliche Situationen, in denen ich die Wahrheit hätte sagen können, an mir hatte vorbeiziehen lassen.
Hätte ich mich überwunden und mich meinem Vater anvertraut, bevor Brendan realisierte, dass er mich mit diesen Bildern in der Hand hatte, hätte vielleicht noch alles gut werden können. Doch nun?
Ich war bereits in die Falle getappt. Wie eine Bärenfalle hatte sich die Situation in mein Fleisch gebohrt, mich eingeschlossen und hilflos zurückgelassen. Und ich hatte nicht die Kraft mich aus der Fessel zu befreien. Alles was ich tun konnte, war die Personen um mich herum zu schützen. Sie durften nicht für meine Fehler bestraft werden. Das musste das einzige Mal in meinem Leben sein, unter Beweis zu stellen, dass ich von einem Helden abstammte. Dieses eine Mal lag es an mir, sie zu schützen.

Zuhause angekommen musste ich wohl oder übel meinem Vater und Pepper gegenübertreten. Sie saßen auf dem Sofa und unterhielten sich aufgeregt über etwas, verstummten jedoch, als sie mich sahen.

„Du sollst doch anrufen, wenn du später nach Hause kommst. Normalerweise solltest du vor 45 Minuten hier sein", warf Dad mir direkt vor, bevor ich überhaupt die Chance hatte mich zu erklären.

„Ich weiß", krächzte ich. Etwas tropfte vor mir auf den Boden.

„Wie siehst du denn aus? Wieso bist du nicht mit dem Bus gefahren bei dem Wetter?", wollte Pepper nun wissen und ich nahm wie automatisch eine meiner nassen Haarsträhnen in die Hand. Mein Blick fuhr aus dem Fenster und musterte den Regen, der gegen die Scheiben prasselte. Wann hatte es zu regnen begonnen? Wie war ich überhaupt nach Hause gekommen? Ich verließ die Schule und.. nun war ich hier.

„Wo bist du gewesen?", fragte Dad und riss mich damit aus meinen Gedanken. Ich sah zwischen ihnen hin und her.

„Musste nachsitzen", gab ich zu und war überrascht, wie leicht es mir fiel, einfach mal die Wahrheit zu sagen. Die Konsequenzen waren mir völlig egal, ich hatte einfach nicht mehr die Kraft ihnen etwas vorzumachen. Die Fassade bröckelte und das konnte ich nur verhindern, wenn ich ihnen aus dem Weg ging.

„Was soll das heißen du musstest nachsitzen? Und geht das nicht viel länger? Wie kannst du dann schon Zuhause sein?", hakte er weiter nach und bereitete mir Kopfschmerzen.

„Bin abgehauen", antwortete ich ehrlich und begann zu frieren. Wie konnte mir der Regen nicht auffallen?

„Abgehauen? Du wurdest zum Nachsitzen verdonnert und bist darüber hinaus einfach abgehauen?! Was ist denn los mit dir, Taylor?", entgegnete er sauer und jagte mir eine Gänsehaut ein.

So wie ich ihn kannte, war sein Problem nicht das Nachsitzen an sich. Hätte ich es ihm erzählt, hätte er mich vermutlich noch ausgelacht. Sein Problem war, dass er ein übervorsichtiger und ängstlicher Vater war, der genau wusste, wann ich zuhause sein musste und direkt in Panik verfiel, wenn ich mich verspätete, weil er wusste wie gefährlich die Welt da draußen war. Und ich konnte es so gut verstehen. Ich bereute ihn nicht angerufen zu haben, doch machte das überhaupt noch etwas aus auf der Liste der Dinge, die ich bereute?

„Ich ... muss duschen", antwortete ich überfordert und ging teilnahmslos an ihnen vorbei, ohne auf eine Antwort zu warten.

„Du kommst sofort..-", begann Dad und ich konnte aus dem Augenwinkel erkennen, wie er aufsprang. Doch Pepper griff nach seinem Arm.

„Gib ihr etwas Freiraum und lass sie duschen", flüsterte sie ihm zu, woraufhin er verstummte. Meine Schritte wurden schneller, bis ich oben ankam und mich im Badezimmer einsperren konnte. Kraftlos ließ ich mich an der Tür auf den Boden sinken, hielt mir den Mund zu und kniff panisch die Augen zusammen. Tränen liefen über meine Wangen und die Luft wurde knapp, weil mein Körper derartig verkrampfte, dass ich nicht mehr atmen konnte.

Als meine Heulerei endlich verebbte, schälte ich mich aus der nassen Kleidung und stellte mich unter die heiße Dusche. Ich hielt mein Gesicht in den Wasserstrahl und genoss das Brennen des heißen Wassers auf meiner von den Tränen gereizten Haut. Ich konnte nicht einschätzen, wie viel Zeit verging, in der ich nur still unter dem Wasser stand.

Irgendwann verließ ich die Dusche, trocknete mich ab und schmiss mich in bequeme Kleidung. Leise schlich ich in mein Zimmer und setzte mich dort auf meine Fensterbank, um den Tropfen dabei zuzusehen, wie sie an meinem Fenster hinunterliefen.

Hysterisch lachte ich auf. Das war alles so eine verdammte Scheiße. Wie konnte eine einzige beschissene Entscheidung so viel zerstören? Wieso fand ich nicht die fucking Überwindung, meinen Eltern alles zu erzählen? Wie konnte ich ihnen all das antun? Und Peter? Er verdiente es nicht, all das mit mir durchzumachen. Wieso war er nicht längst davongerannt? Alles was ich je tat, war Menschen zu verletzen oder das Schlechte in ihr Leben zu bringen.

Als hätte er gewusst, worüber ich nachdachte, vibrierte mein Handy und Peters Name leuchtete auf. Ohne darüber nachzudenken, drückte ich ihn weg. Nur kurze Zeit später, schrieb er mir eine Nachricht, ob es mir gut ging. Ich öffnete sie, las sie und konnte sehen, dass er online war. Dann rief er wieder an und erneut drückte ich ihn weg.

Ich konnte jetzt nicht mit ihm sprechen. Er würde aus mir herauskitzeln, was Brendan zu mir gesagt hatte und das wollte ich nicht. Er durfte es nicht rausfinden. Es würde ihn endgültig dazu bringen, meinem Vater etwas zu erzählen.

Natürlich fiel es mir schwer. Natürlich fühlte ich mich wie der schlechteste Mensch auf Erden ihn einfach zu wegzudrücken. Ihn von mir zu stoßen nach allem, was er für mich getan hatte. Doch seien wir mal ehrlich, sie waren alle besser dran ohne mich, nicht wahr? Wäre ich nicht mehr in seinem Leben, hätte er es leichter, richtig?

+++
Denkt ihr, es ist eine gute Idee Peter von sich zu stoßen? Könnt ihr ihre Gedanken verstehen? Ich hoffe ehrlich gesagt nein. Hoffe inständig, dass keiner von euch derart dunkle Gedanken nachvollziehen kann.

Ich versuch zwar immer alles so realistisch wie möglich zu gestalten und ich weiß, dass es euch zur Weißglut bringt, wie naiv sie manchmal ist zu denken, sie müsste alles alleine schaffen. Allerdings ist es tatsächlich oft so, dass sich die Opfer abkapseln und alles alleine regeln möchten, weil sie einfach keine Last darstellen wollen.
Demnach seid gnädig mit ihr und denkt nicht, sie wäre absolut irre, Peter jetzt von sich zu stoßen. Ich muss das so machen, um die Story richtig zu erzählen, auch wenn das bedeutet, dass ihr Handeln manchmal unsymphatisch und nicht nachvollziehbar rüber kommt.

Hoffe euch gefällt das Kapitel <3

Love you 3000, T.

Darkest Nights | Peter Parker FF Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt