~Kapitel 55~

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Triggerwarnung: Ich weiß das ganze Buch ist eine einzige Triggerwarnung aber an manchen Stellen ist es mir nochmal besonders wichtig darauf hinzuweisen, dass die folgenden Inhalte in dem ein oder anderen etwas auslösen könnten.

"Shit.. fuck.. fucking shit..", murmelte ich erschrocken, als ich das Chaos musterte, dass ich gerade verursacht hatte.

Ich war im Begriff, mir aus Schock die Hand vor den Mund zu halten, doch glücklicherweise hielt ich inne, als ich das dunkelrote Blut an ihr herunterlaufen sah. Wie gebannt starrte ich meine Hand an, wartete darauf, dass der Schmerz einsetzte, doch nichts dergleichen geschah. Es war als wäre ich blind für Schmerzen geworden.

"W-wieso..", murmelte ich leise.
Tiefe Schnitte zierten meine Hand. Es sollte höllisch weh tun. Es sah schrecklich aus! Wieso zum Teufel konnte ich dann keine Schmerzen spüren?! Fuck! Irgendetwas müsste ich doch spüren können! Panik breitete sich in mir aus.
Was war nur los? Wieso tat es nicht weh? Panisch griff ich nach einer der großen Spiegelscherben, die vor mir im Waschbecken lagen und ohnehin von meinem Blut bedeckt waren. Ich hielt sie in meiner blutigen Hand, sah für einen kurzen Moment meine Reflexion und schloss danach langsam doch mit Nachdruck meine Hand, die Scherbe noch immer dazwischen.
Ich ballte eine Faust, spürte wie die scharfe Scheibe meine Haut durchschnitt. Das Blut rann an meinem Handgelenk runter und endlich.. ein tiefer Atemzug.

Der Schmerz, er war da, er war real. Ich war noch am Leben.

Als hätte ich gerade ein Ventil geöffnet, aus dem all die Angst, die Anspannung, der Hass entweichen konnte, ließ ich mich auf meine Knie sinken.
Tiefe Atemzüge. Endlich so viel Luft in meiner Lunge, dass ich das Gefühl hatte endlich wieder atmen zu können. Der Schnitt in meiner Haut ließ mich atmen. Er ließ mich fühlen.
Schmerz. Der Schmerz war alles an das ich denken konnte, mein Gehirn war in Alarmbereitschaft. Kein Platz für Ängste, kein Platz für die bösen Bilder, die mein Gedächtnis prägten. Nur der Schmerz und ich. Zwei alte Freunde, die einander aushalfen.

Mein Blick fiel wieder auf die Spiegelscherbe in meiner Hand. Vorsichtig wischte ich das Blut von ihr, um mich darin erkennen zu können. Ich wollte das Elend sehen. Ich wollte sehen, was aus mir geworden war.

"Du bist schwach", flüsterte das Spiegelbild mir zu. Es lächelte mich an. Da war sie, diese dunkle innere Seite. Durch den Spiegel kam sie zum Vorschein. Ich öffnete den Mund, wollte antworten, doch mir wurde klar, wie verrückt das war.

"Sie dich doch an", fuhr sie heißer fort "du bist erbärmlich. Du bist genau wie deine Mutter. Schwach, gebrechlich, eine Last für deinen Vater".

Meine Unterlippe bebte, doch weiterhin lächelte mir das Spiegelbild entgegen. Es sollte aufhören. Ich wollte das nicht hören. Ich konnte Dad nicht verlieren. Ich konnte nicht das einzige verlieren, das von meiner Familie blieb.

"Du bist eine Schande für ihn. Er liebt dich doch überhaupt nicht. Wärst du doch nur wie Morgan. Er vergöttert sie. Du bist wie deine Mutter. Er hat sie verlassen. Er wird auch dich verlassen", hielt sie mir vor.

"Sei still", murmelte ich verzweifelt "bitte sei still.. hör auf damit!". Panisch hielt ich mir die Ohren zu, kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Doch die Stimme ließ nicht nach, sie warf mir weiter vor, wie fehl am Platz ich doch war. Sie redete immer und immer weiter.

Natürlich konnte ich sie nicht stoppen. Wie auch? Sie war schließlich nur in meinem Kopf.

"Verdammt sei jetzt still!", stieß ich aus und blickte wieder in die Spiegelscherbe.

"Ich hasse dich.. ich hasse hasse hasse dich.. du bist.. Agh!", sprach ich verzweifelt. Schmerz. Das Ventil. Mein Kopf war leise. Vielleicht sollte ich.. nein. Nein das sollte ich nicht. Aber.. vielleicht..

Fest biss ich die Zähne aufeinander und zog ohne weiter darüber nachzudenken den Stoff meiner Sportshorts etwas nach oben. Wie von selbst fand meine Hand, die noch immer die Scherbe fest umschlungen hatte zu meinem Oberschenkel. Niemand würde davon erfahren, niemand würde es sehen können. Zittrig berührte ich die Haut, legte die Scherbe dort an und.. schloss die Augen.

Drei tiefe Atemzüge, bevor ich mir auf die Lippe biss und die Scherbe unter stetigem Druck von der linken bis zur rechten Seite meines Oberschenkels zog. Tränen schossen mir in die Augen und ich legte den Kopf erleichtert in den Nacken. Die Stimme war verschwunden. Ruhe. Verfickt gute innere Ruhe.

"Taylor?! Bist du okay? Wir haben einen lauten Schlag gehört!", drang die panische Stimme meines Vaters von der anderen Seite der Tür zu mir durch.

Fuck! Es war als erwachte ich aus einem Traum. Was hatte ich getan?! Panisch sah ich mich um. Der zertrümmerte Spiegel, die blutige Hand, mein Bein... mein Bein.. was zur Hölle hatte ich getan!?

"Taylor! Kannst du uns hören Liebling?!", rief mir nun Pepper entgegen "Tony tu etwas..", hörte ich etwas gedämpfter.

"Ich.. ich bin okay!", rief ich panisch zurück und fixierte die Tür, um sicher zu gehen, dass ich sie zuvor abgesperrt hatte.

"Mach die Tür auf!", forderte Dad und ich sah mich hektisch um. Was sollte ich tun? Was sollte ich sagen? Wie sollte ich ihnen das erklären?

"Ich bin.. ich bin gefallen!", antwortete ich und rappelte mich ungeschickt auf. Die Glasscherbe warf ich zu den restlichen ins Waschbecken und griff zu einem Handtuch, mit dem ich meine Blutspuren von den Teilen des Spiegels wischte, die noch an der Wand hingen. Anschließend drückte ich es auf die Wunde an meinem Bein, bevor ich die schwarze Sporthose darüber zog, in der Hoffnung sie würden nichts erkennen können.

"Was?! Mach die Tür auf Spätzchen!", rief Dad erneut panisch. Ich checkte das Bad nach irgendwelchen Spuren ab, befand es jedoch für sicher. Ich wickelte das Handtuch um meine Hand und atmete tief durch.

"Der.. der Spiegel ist kaputt..", murmelte ich.

"Ich scheiß auf den Spiegel!", rief Dad. Fuck. "Taylor.. shit.. ich bin nicht sauer, der Spiegel ist egal.. mach einfach die Tür auf, okay?", sagte er nun ruhiger und ich gab endlich nach. Etwas anderes wäre mir überhaupt nicht übrig geblieben.

Dad öffnete die Tür sobald ich sie aufgeschlossen hatte. Sein Blick fuhr zunächst verwirrt durch den Raum, blieb dann jedoch bei mir stehen. Er musterte das blutige Handtuch.

"Verdammt Liebling.. ", murmelte er und kam auf mich zu.

"Hast du dich verletzt?", wollte Pepper wissen und mein Atem stockte. Wie? Woher? Aber..

"Was..", murmelte ich. Sie schüttelte hektisch den Kopf.

"So eine dumme Frage.. natürlich hast du dich verletzt. Wie konnte das denn passieren, Schatz? Lass mich deine Hand sehen", sagte sie und kam ebenfalls auf mich zu. Erleichtert atmete ich aus. Sie hatte gemeint, ob ich mir bei dem Sturz weh getan hatte, nicht ob ich.. verdammt.. ich hatte es wirklich getan..

+++
Zwei Dinge. Erstens: Ich weiß, dass der ein oder andere Tobsuchtsanfälle bekommt, weil sie noch immer so stur ist und es Tony nicht erzählt. Aber ich verfolge einen Plan, eine ganz bestimmte Storyline und deshalb muss ich es ganz einfach so machen, wie ich es gerade mache.

Zweitens: Ich finde es immer schwer über selbstverletzendes Verhalten zu schreiben. Weil es einerseits meiner Meinung nach in vielen Geschichten ein überstrapaziertes Thema ist. Auf deutsch: Es ist klischee, obwohl es das nicht sein sollte.
Ich möchte, dass das Thema respektvoll behandelt wird und distanziere mich ganz klar davon, dies zu verherrlichen oder irgendjemanden dazu zu animieren.
Taylor hat ganz offensichtlich tiefgehende Probleme und die werden durch ihr Verhalten nicht aus dem Weg geschaffen, sondern immer und immer größer. Es ist halt schwer über so ein Thema in der weise zu schreiben, dass es nachvollziehbar ist und gleichzeitig klar zu machen, dass es dennoch keine Lösung ist.
Es ist kein Ventil, es hilft einem nicht weiter und alles was bleibt sind schreckliche Narben, die einen für immer daran erinnern. Deshalb nehmt das bitte nicht auf die leichte Schulter und redet mit Menschen über das was euch kaputt macht, anstatt euch selbst noch mehr kaputt zu machen. Das hat euer Körper nicht verdient, das hat euer Geist nicht verdient. Ihr seid wunderbare Menschen und es gibt für jedes noch so große Problem da draußen irgendeine Lösung.

So das war jetzt beinahe länger als das Kapitel, deshalb werd ich mal die Klappe halten.

Love you 3000, T.

Darkest Nights | Peter Parker FF Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt