44. Ein Versuch wäre es wert

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Claire

Das restliche Wochenende vergeht recht schnell. Am Samstag komme ich erst gegen Abends nach Hause und Sonntag habe ich mir einen ruhigen Tag gemacht, mit Popcorn und DVDs. Montag morgen weckt mich, wie immer, mein Wecker. Ich bin nervös bei dem Gedanken, Zayn gegenüber treten zu müssen. Wie soll ich mich verhalten? Ihn ignorieren? So tun, als würde nie etwas gewesen sein?

Die Zeit vergeht schneller, als es mir lieb ist und ich befinde mich auf dem Weg zur Schule. Heute ist es recht warm. Langsam kommt der Sommer. In zwei Wochen sind auch schon Sommerferien!

Meine Eltern haben mir versprochen, dass wir in den Urlaub fahren! Darauf freue ich mich schon am meisten! Wohin wir fahren, haben wir allerdings noch nicht geklärt. Ich vermute, dass es entweder Spanien oder aber Griechenland wird.

"Hey." Erschrocken zucke ich zusammen, als mich eine männliche Stimme aus den Gedanken reißt. Ich sehe hoch, in Milos Gesicht. Er grinst. "Hey." gebe ich nun ebenfalls lächelnd zurück. "Wie geht's?" fragt er. "Gut, danke. Und dir? Warum fährst du nicht mit dem Cross?" frage ich zurück. "Auch gut. Mein Cross ist Schrott." "Hattest du etwa einen Unfall?" frage ich sofort besorgt. "Keine Sorge, nein. Es ist nur schon so alt und ist heute nicht angesprungen." erklärt er. "Ah, verstehe." "Ich will dir nicht zu nahe treten, aber willst du mir vielleicht erzählen, was zwischen Zayn und dir vorgefallen ist?" Erstaunt sehe ich ihn an. "Hat Zayn dir etwas gesagt?" frage ich. Milo schüttelt verneinend den Kopf. "Der schweigt wie ein Grab, aber er hat Freitag gegen die Steinmauer unserer Schule geprügelt und außerdem hatte er total verweinte Augen. Das hat mir Shan erzählt. So, wie er sich angehört hat, würde ich sagen, dass es sehr schlimm war. Zayn ist nicht der Typ, der weint. Es muss also wirklich etwas vorgefallen sein, das ihn stark verletzt hat und anhand deiner Reaktion, als du ihn im Klassenzimmer gesehen hast, denn das ist mir nicht entgangen, habe ich eins und eins zusammen gezählt." erzählt Milo, während sich in meinem Hals ein Kloß bildet. "Scheiße." rutscht es mir heraus, weshalb ich mir sofort eine Hand vor den Mund schlage. Milo lacht.

"Erzähl schon. Was ist passiert?" Ich seufze. "Zayn hat mir Freitag in der Früh eröffnet, dass er für mich mehr als nur freundschaftliche Gefühle hat, aber ich kann ihm nicht trauen, schließlich ist er ein Player." Milo sieht überlegend gerade aus. "Um ehrlich zu sein, zweifle ich langsam an, dass er noch ein Player ist." "Warum?" hake ich nach. "Seit er mit dir abhängt, hat er sich verändert. Er hat seine Augen nur noch auf dich gerichtet und ignoriert die Weiber, die wir, du weißt schon, völlig. Er stößt sie regelrecht von sich ab." Ich schlucke schwer.

Habe ich Zayn das umsonst angetan?

Wir steuern die letzten zwanzig Meter auf den Schulhof zu. "Was soll ich deiner Meinung nach tun?" "Das fragst du ausgerechnet einen Player?" Milo sieht mich belustigt an. Ich lege den Kopf in den Nacken. "Ich schätze schon." murmel ich und füge hinzu: "Du kannst dich doch sicher in Zayn hinein versetzen. Als Player, meine ich. Wenn du wegen einem Mädchen weinst und gegen eine Wand schlägst, schaust du dann noch andere Mädchen an?" "Mir ist sowas noch nie passiert, aber ich denke nicht, nein."

Am Schultor stellt sich Milo vor mir hin. "Ich denke, du solltest ihm eine Chance geben." Er sieht einen Moment hinter mich, ehe er wieder mich anschaut. "Zayn ist kein schlechter Mensch, weißt du. Er beschützt die, die er liebt und rächt sich an Personen, die Personen verletzen, die er liebt. Aber das weißt du doch schon." "Ich habe nie behauptet, dass er ein schlechter Mensch ist." "Ich weiß. Na komm. Wir müssen in die Klasse."

Gemeinsam betreten wir den Schulhof. Alenia scheint noch nicht da zu sein, weshalb ich weiter mit Milo zu den Spinden gehe. An meinem angekommen, hält auch er an.

"Geh es langsam mit ihm an. Du musst ja nicht von jetzt auf gleich seine Freundin sein. Lern ihn näher kennen, verbringe Zeit mit ihm und unternehmt vielleicht gemeinsam was. Das ist mein Tipp an dich." Milo lächelt mich nochmals an, ehe er weiter zu seinem Spind geht.

Ich wechsle meine Schuhe und hole die Hefte und Bücher für den Unterricht heraus. Milos Worte schwirren mir im Kopf herum; 'Geh es langsam an. Du musst nicht gleich seine Freundin sein. Lern ihn näher kennen. Verbringe Zeit mit ihm. Unternehmt gemeinsam was.'

Ein Versuch wäre es wert.

"Guten Morgen." Ich drehe mich lächelnd zu meiner besten Freundin. "Guten Morgen." erwidere ich und warte, bis sie ebenfalls alles aus ihrem Spind geholt und die Schuhe gewechselt hat.

"Gibt es was neues?" fragt sie. Soll ich es ihr erzählen? Ich will meine Pläne vorerst lieber geheim halten. So werde ich nicht mit Fragen durchlöchert. "Nein und bei dir?" "Ich habe gestern eine neue Choreographie ausprobiert." "Echt? Und?" "Hat gut geklappt. An ein paar Schritten muss ich noch feilen, aber sonst läuft alles top." Gemeinsam begeben wir uns zu unserer Klasse. Automatisch gleitet mein Blick zu Zayns Platz, der jedoch leer ist. Auch Milo ist noch nicht hier. Ich setze mich auf meinen Platz und richte die Sachen für die erste Stunde her. Auch Alenia macht dies und gibt mir die Sachen, die sie nicht braucht, damit ich sie auf die Fensterbank legen kann.

Es ist zwei Minuten vor Unterrichtsbeginn und Zayn ist noch immer nicht aufgetaucht. Langsam verliere ich die Hoffnung, dass er überhaupt noch kommt. Als sich die Klassentür öffnet, sehe ich in Erwartung, unsere Lehrerin zu sehen, dort hin, doch es kommt nicht die Lehrerin sondern Zayn herein. Er sieht ausgelaugt aus.

Augenringe haben sich unter seine Augen gelegt, seine Augen sind glasig und auch seine Haare sind nicht so gestylt, wie sonst. Ich bin mir allerdings sicher, dass ich nicht viel besser aussehe.

Auf einmal sieht er direkt mich an. Reflexartig sehe ich weg und starre auf den Tisch. Ich bin müde, fällt mir auf. Letzte Nacht habe ich ganz und gar nicht gut geschlafen.

Als Zayn bei uns vorbei gegangen ist, lasse ich meine Stirn auf den Tisch sinken. "Alles ok?" fragt Alenia. "Ja. Bin nur müde." Mit diesen Worten schließe ich meine Augen, doch nur kurz, denn eine Durchsage wird gemacht.

"Liebe Schülerin und Schüler der zweiten Klasse. Frau Rainer ist in eine wichtige Besprechung verwickelt, weshalb ihr die erste Stunde frei habt."

"Und das sagst du erst jetzt?!" ruft Milo anklagend. Wie gut, dass ihn der Direktor nicht hören kann. Mir kommt eine Idee. Ich drehe meinen Kopf zu Alenia. "Lust auf McDonalds?" frage ich. Sofort fängt meine beste Freundin an zu grinsen. "Immer doch." Ich hole aus meiner Schultasche einen 10 Euro Schein. Wir stehen auf, wie auch andere Schüler und verlassen die Klasse. Die Badboys gehen gut zehn Meter vor uns. Ich presse meine Lippen nervös aufeinander. Bitte lass Zayn mich nicht bemerken!

Sie gehen nach draußen, zu deren Mopeds. "Fangen! Du hast's!" ruft auf einmal Alenia, tippt mich an und rennt. Ich lache und laufe ihr hinterher. Sie steuert das Tor an, doch bekomme ich sie zuvor noch zu fassen. Strauchelnd fallen wir zu Boden und lachen. Wir halten unsere Bäuche. "Ach, Claire." schmunzelt sie.

Wir wischen uns den Dreck von der Kleidung und gehen weiter. McDonalds ist nur zehn Minuten von der Schule entfernt. Als wir dort ankommen, erwartet uns eine Überraschung. Die Mopeds der Badboys stehen vor dem McDonalds. Auch Alenia bemerkt dies und sieht mich an. "Willst du rein oder nicht?" "Rein. Ich kann Zayn nicht ewig aus dem Weg gehen." antworte ich und außerdem werde ich mit ihm reden müssen. Wie ich das anstelle, ohne nur gestotter raus zu bringen, weiß ich noch nicht.

Wir fangen an zu bestellen. Alenia nimmt einmal Curly Fries mittel, einen Hamburger und eine White Chokolat. Ich nehmen einen Cheeseburger, einen Schinken-Käse Toast und ebenfalls eine White Chokolat. Alenia hat gleich wie ich, auch noch einen zehn Euro Schein. An der Kasse bezahlen wir gemeinsam und setzen uns anschließend zu einem freien Tisch in einer Ecke. Die Badboys habe ich bisher nicht gesehen. Vielleicht sind sie gegangen? Wir beginnen zu essen. Ich liebe diesen Toast! Aber White Chokolat liebe ich noch mehr!

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