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„Ssscchh!“

Mit der Hand drücke ich auf den Mund von Nikki. Sie hat viel zu laut aufgewimmert, was ein so großer Fehler war. Eingeschlossen in der Abstellkammer sehen wir uns an.

Dean, Jack und Harry sind irgendwo im Haus verteilt. Wir hören immer wieder ihre Schüsse, aber ich kann nicht abschätzen wie weit sie von uns entfernt sind.

Es ist schon etwas scheiße, dass Nikki nicht mit Waffen umgehen kann. Irgendwie kotzt es mich sogar an. Denn ich muss auf sie Acht geben, sie beschützten.

Vor der Tür schlendern Beißer herum. Wir hören ihren Schritten zu. Es ist ein reiner Gänsehaut Effekt, wenn man so darüber nachdenkt, dass nur eine Tür weiter der Tod auf dich wartet.

Aber ein Glück sind die Beißer nicht darauf gekommen, dass Nikki und ich uns hier drinnen befinden. Was mich wundert, denn sie sind auf irgendeine Art und Weise so was von fortgeschrittener geworden. Sie sind so schnell, ihre Reflexe sind nicht mehr so langsam und es kommt mir so vor als würden sie eiskalte Gefühle entwickeln.

Das alles kann mir mal jemand erklären.

Ich bin sprachlos deswegen.

Nach jedem Schuss den wir von draußen hören, zuckt Nikki zusammen.

„Hast du so was noch nie mitbekommen?“ flüstere ich zu ihr. Sie schüttelt den Kopf. Meine Stirn runzelt sich. „Wieso? Ich meine … ich meine du bist doch genauso lange unterwegs gewesen wie wir.“

Nikki nimmt meine Hand von ihren Lippen. „Ich habe mich mit meinen Freund in unserer Wohnung eingesperrt. Er hat uns immer Nahrung und alles geholt. Ich war nur in der Wohnung.“ Erklärt sie. Ich nicke und hacke damit das Thema ab. Also, ich kann Nikki gut leiden, aber sie hat etwas an sich was mich etwas wütend macht.

Vielleicht ist es auch die Tatsache, dass sie mit Harry geschlafen hat und sie deswegen für mich unsympathisch geworden ist.

Aber das ist jetzt auch nicht das Thema, sondern mehr die Beißer vor der Tür.

Ich öffne die Tür nur einen Spaltenbreit auf und spähe nach draußen. Es ist nur noch eine Frau, die ihr Unwesen auf dem Flur treibt.

Meine Hand greift zu meinen Gürtel, der komplett zu gepackt ist von Waffen und Granaten. Nervös fedle ich das scharfe Messer daraus.

„Was hast du vor?“ fragt Nikki, als ich gerade dazu bereit war raus zu gehen und die vergammelte Frau töten will. Wütend schließen sich meine Augen.

„Halt deinen Mund!“ knurre ich. Konzentriert sehe ich der Frau dabei zu, wie sie sich in meine Richtung dreht. Anscheinend hat sie mich gehört, was keineswegs schlimm ist, denn jetzt steuert sie schnell auf mich zu.

Als sie nur noch einen Meter von der Tür entfernt ist, öffne ich sie und nehme die Frau in Empfang. Ich packe nach ihrer Schulter, ziehe sie in die Kammer. Nikki fängt urplötzlich damit an zu schreien. Völlig davon betroffen sie anzusehen und dabei dem Beißer das Messer in die Schläfe zu stechen, kapiere ich nicht wieso sie das tut. Ich habe doch alles unter Kontrolle.

„Was sollte das denn?!“ maule ich sie an.

„Ich dachte … ich dachte du schaffst es nicht.“

Ich werfe die Frau neben Nikki hin, die zusammen zuckt. „Ach? Und da denkst du dein Schreien würde mir was nützten?! Ich habe alles unter Kontrolle. Vertrau mir doch mal, Nikki. Und jetzt komm, wir holen die anderen und verschwinden von hier.“

Ich gehe in den Flur.

„Paige!“

Ein dicker Stein fällt von meinem Herz, als ich Deans Stimme höre. Er kommt die Treppen runter, Jack und Harry hinterher.

Sofort nimmt er mich in die Arme, als hätten wir uns Jahre lang nicht mehr gesehen. „Alles okay?“ fragt er besorgt und sieht mich an.

„Ja und bei euch?“

Jack nickt mir zu, genau wie Harry. Beide von ihnen haben viel Blut im Gesicht geschmiert bekommen. Wahrscheinlich haben sie zu heftig mit den Beißern gekämpft.

„Lass uns von hier verschwinden.“ Meint Dean und verschränkt seine Hand in meine. „Habt ihr alle Waffen? Und vor allem wichtige Sachen eingepackt?“

Erst jetzt bemerke ich den schwarzen Rucksack auf Deans Rücken. Die anderen beiden Männer haben auch welche.

„Dann los.“ Dean zieht mich mit nach draußen in die Dunkelheit.

„Wo wollen wir denn hin?“ höre ich Jack fragen.

Dean zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung. Aber nicht mehr hier bleiben. Wir laufen erstmal, bis wir im nächsten Dorf oder so sind …“

:-:-:-:

„Ist es bei mir nicht viel besser, als bei denen, Roman?“

Seth und ich stehen im Haus von Dean, Paige, Jack, Harry und Nikki. Sie können uns nicht sehen, wir jedoch sie. Genauso können wir sie hören.

Seth grinst mir zu und man kann diesen Stolz aus seinem Gesicht erkennen. Es ist nicht zu übersehen. Sein Arm umschlingt meine Schulter. „Ich hoffe doch, dass du nicht zurück willst.“

Ich schaue in seine braunen Augen. „Auf keinen Fall.“

Der eigentliche Grund dafür, dass ich bei Seth und May bin, ist, dass ich May ausreden will das sie in einen Dämon verliebt ist. Sie denkt, sie liebt Seth. Der Seth von früher, aber jetzt ist er ja nur noch ein Püppchen für den Dämon. Ein seelenloser Körper, der nur lebendig gemacht wurde um als Marionette aufzutreten.

Nur ein Problem gibt es bei der ganzen Sache.

Ich habe May noch kein einziges Mal gesehen. Und sicher bin ich mir nicht, ob ich sie überhaupt noch einmal zu Gesicht bekomme. Seth ist da etwas … wie soll man sagen?

Ich darf sie nicht sehen. Er hat es nicht direkt gesagt, aber ich bin nicht blöd. Man merkt es. Vielleicht weiß er, dass ich May etwas Ausreden will.

„Du weißt, dass May mich liebt nicht wahr?“ fragt er und führt mich durch das Wohnzimmer des Hauses. Gerade sitzen Paige, Dean und irgendein Kerl an dem Küchentisch. Sie reden.

Über mich.

Ich hefte meinen Blick auf Dean, der anfängt zu weinen.

„Ich … ähm … ich weiß nichts davon.“ Stottere ich.

Bricht es nicht einem wortwörtlich das Herz, wenn man seinen besten Freund weinen sieht und man der Schuldige dafür ist?

Ich bin wie in Trance gefallen und für eine kurze Zeit bereue ich, zu Seth gegangen zu sein.

Seth nimmt seinen Arm von meiner Schulter. „Wir sollten von hier verschwinden. Zurück zu mir gehen.“

Und dann stehen wir auch schon wieder in diesem komplett weißen Raum.

Für mich gibt es nichts anderes, als diese Umgebung.

Seth will gerade weg, da packe ich nach seinen Arm.

„Wo ist May?“ frage ich ihn.

Er zieht den Mundwinkel hoch, reißt seinen Arm aus meiner Hand und lacht auf. „Bei mir, wieso?“

„Lass mich sie sehen.“

Seths Lachen vergeht, sein Kopf legt sich schräg. „Nö.“

„Wieso nicht?“

„Weil ich ganz genau weiß, dass du kleiner Scheißer ihr ausreden willst, das sie mich liebt.“

Ich greife nach seinem Kragen. „Du bist das Hinterletzte!“

Er lacht lauthals auf. „War doch keine so gute Idee bei mir zu landen, oder Reigns?“

UNLEASH HELL || h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt