8

2.5K 162 19
                                    

 Ich lehne mich zurück. Wir sehen einander an.

Sein Mund öffnet sich, er versucht etwas zu sagen, kriegt aber nur einen rauen Ton heraus. Mehrere male versucht er es, bis er sagt: „May ... May.“ Es sieht so aus, als ob er sich diesen Namen in sein Gehirn prägen muss, um ihn nicht wieder zu vergessen. Denn er schließt die Augen und seine Lippen lassen meinen Namen stumm über seine Zunge gleiten.

Ich lächle. „Ja, ja ich bin May.“

Er schaut zu mir hoch, die Lippen immer noch bewegend. Mein Herz rast noch mehr, es könnte jeden Moment durch meine Brust springen. In sein gesundes Auge zu sehen breitet in mir etwas aus, was sich besser anfühlt, als jedes andere Glücksgefühl auf dieser Welt. Ich habe Harry wieder bei mir. Auch wenn er vielleicht viel verlernt hat, wegen den Virus in ihm drinnen. Ich habe ihn wieder, für immer.

Ich wische über meine nassen Wangen, lächle den Jungen gegenüber mir an. Er versucht mein Lächeln zu erwidern, jedoch kriegt er nur ein leichtes schmunzeln hin.

„Sollen wir euch alleine lassen?“ fängt es hinter mir an. Ich schaue über meine Schulter zurück zu den vier Männern. Daryl hat mich das gefragt.

„Du ... du kannst hier bleiben, er kennt dich. Davon bin ich überzeugt ...“ sage ich zu ihn.

„Wir gehen dann.“ lächelt Seth mir zu und schließt die Tür, sobald Daryl im Zimmer ist. Ich wende meinen Blick wieder auf Harry, der auf seine Hände schaut.

„Harry?“ frage ich ihn, als Daryl sich neben mich kniet. Harry hebt seinen Kopf ein wenig. „Kennst du Daryl noch? Wir lernten ihn im Camp kennen.“

„Hey,“ sagt Daryl sanft, aber Harry reagiert über und drückt sich sofort wieder gegen die Wand. Sein zittern breitet sich über seinen Körper aus, sogar die Gänsehaut.

„Sscchh, Harry ...“ versuche ich ihn zu beruhigen. Daryl steht schnell auf und nimmt von uns beiden Abstand. Seltsam, Harry beruhigt sich wieder etwas.

„Das macht nichts. Hauptsache ist, dass du ihn wieder hast, Kleines.“ sagt Daryl und ich höre wie er die Tür öffnet. Der Holzboden knarscht unter seinen Schritten, er hat das Zimmer verlassen. Harry wird ganz ruhig, nur sein Blick sieht voller Panik aus.

Ich fasse nach seiner linken Hand. „Es ist alles gut. Nur wir beide sind hier.“ flüstere ich. Er versucht wieder ein Lächeln auf seine Lippen zu kriegen, aber ich lache leise, als es wieder nur das schmunzeln wird was seine Lippen zeichnet.

Mit den Daumen streiche ich sanft über seine graue Hand. „Nur du und ich.“ sage ich leise und sehe in sein weißes Auge.

Seine Lippen bewegen sich wieder. Versucht etwas zu sagen. „N – nur du und i – ch.“ wiederholt er meine Worte. Ich komme mir so vor, als würde ich einem Baby das Sprechen beibringen, aber dabei sitzt ein 19-jähriger vor mir, der die Worte wie Zucker von seiner Zunge lässt.

„Du brauchst keine Angst vor den anderen zu haben. Sie beschützen uns, Harry.“ sage ich.

„ - schützen ...“

„Genau, du brauchst keine Angst haben.“ Meine Finger zittern, als seine linke Hand Eiskalt wird. Ich weiß nicht, wie das jetzt passieren kann, aber es jagt mir Angst ein. Es ist von der einen zur anderen Sekunde passiert.

„Ist dir kalt?“ frage ich ihn.

Seine Augen richten sich in meine. Er schüttelt den Kopf.

„Sicher?“

Er nickt.

„Kannst du aufstehen?“ Ich richte mich auf, schaue auf den Jungen herab, der mich mit etwas großen Augen ansieht. Er ist überrascht, weil er vorhin erst noch versucht hat aufzustehen. Ich stelle den Stuhl vor ihn. „Ich helfe dir ...“ verspreche ich ihm und nehme seine beiden Hände in meine.

UNLEASH HELL || h.s.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt