Kapitel 18
Lilyanna
Ich schlich mich weiter zu den Verliesen vor, ohne auf die immer weiter fallenden Temperaturen zu achten oder mir Meister Eugens Ermahnung zu Herzen zu nehmen, dass ich damit gegen das Gebot von König Ducan verstieß. Es war mir egal, was dieser herzloser König von mir wollte: Ich musste zumindest sicher gehen, dass es Kain gut ging. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen zu warten, bis meine Identität bestätigt ist und dann, mit der Macht einer Prinzessin, darauf bestehen ihn sehen zu können, aber nachdem was Ducan angedeutet hatte, war meine Sorge um ihn größer geworden. Kain war ein weiteres Mal vom Winterkönig gefoltert worden, um meine Identität zu bestätigen oder eben mich der Lüge zu entlarven. Zumindest hatte es danach geklungen. Ich musste wissen, dass er noch lebte und sehen, ob ich auch jetzt schon etwas für ihn tun könnte.
Also widersetzte ich mich nicht nur Ducan, sondern auch Eugen und verschwand durch die Dienstbotengänge, nicht in Richtung meiner Gemächer, sondern stieg weiter zu den Verliesen herab.
Ich musste mich zweimal verstecken, weil mir Dienstboten entgegenkamen und ich keinen weiter vertrauen wollte, bevor ich den eiskalten Ausgang erreichte, der nicht einmal durch einen Wandbehang bedeckt war. Hier standen nur zwei Mauern-übereinander und ließen einen beißenden, kalten Zug durch den Gang wehen, der mich bereuen ließ, nur dieses Sommerlandkleid zu tragen. Aber zurückgehen war keine Option, wer weiß, ob ich ein zweites Mal so weit kommen würde, denn ich rechnete stark damit, dass die Wache mein Fehlen irgendwann auffallen würde und dann darauf kamen, dass ich die Dienstbotengänge benutzt hatte. Dann würden sie mir diese Fluchtmöglichkeit nehmen und ich würde Kain vermutlich nicht noch einmal erreichen können.
Als ich mich den schlängelnden Eingang erreichte, hörte ich blecherne Stimmen und die schweren Schritte von Männern. Lautes Lachen erklang und ein Donnern erklang, dass sie wie eine Faust anhörte, die auf den Tisch gehauen wurde.
„Du betrügerischer, Halunke! Einsperren müsste man dich, so wie du mich hier abziehst!", meinte einer, aber es klang weder aggressiv noch tatsächlich vorwurfsvoll. Es war ein Spaß unter Männern, wie ich ihn schon so oft gehört hatte, wenn Männer Karten spielten. Cedric hatte in seinen Bordellen oft mit anderen Männern und auch Frauen gespielt. Es war neben Trinken und Fluchen eines seiner liebsten Beschäftigungen.
„Keine Angst, wenn du keinen Sold mehr für Kohlen hast, wärme ich in der Nacht deine Frau für dich", scherzte der andere zurück und beide Männer lachten.
„Meine Frau würde dich wohl eher am Schlafittchen packen und höchstpersönlich verfeuern, bei deinem hässlichen Gesicht!" wieder ein Lachen. Ich schaute um die Ecke und stellte fest, dass diese Männer nur sehr laut waren und nicht direkt vor dem Ausgang hockten und ihrer Spielsucht frönten.
Sie waren rechts von mir, in einen kleinen abgetrennten Raum, hinter einem Durchgang, hatten aber dennoch freie Sicht auf die Tür, rechts von mir, die vermutlich in die Verliese führte. Und wahrscheinlich zusätzlich auch abgeschlossen war. Ich suchte mit dem Blick weiter den Raum ab und sah auf einem weiteren Tisch direkt an der Wand mir gegenüber einen Schlüsselbund, den die Wachen sicherlich dort abgelegt hatten.
Wenn ich daran kam, würde ich hinter dieser Mauer hervorkommen müssen, durch den Raum rennen, genau durch das Sichtfeld der Wachen. Sie würden mich sehen, aber mir blieb kaum etwas anderes Übrig. Wenn ich schnell war, oder besonders leise würde ich es dennoch schaffen den Schlüsselbund zunehmen und dann zur Tür zu hetzen, die ebenfalls seitlich in ihrem Augenwinkel zu sehen sein würde. Alles sehr Risikohaft, aber die Menschen wären überrascht, wie wenig sie tatsächlich sahen, wenn sie nur abgelenkt genug waren. Ich ging in die Hocke und machte mich klein um so nicht nur leiser, sondern auch weniger wahrnehmbar zu erscheinen. Wenn Leute in meine Richtung schauten, sahen sie selten auf den Boden, auch wenn ich mir hier sicher war, definitiv eindeckt zu werden, falls sie die Köpfe in meine Richtung drehten.
Das Kleid machte mir diese Bewegung schwer und seine Farbenpracht half auch nicht weiter, aber zumindest schlug mein Herz bei meinem Tun so schnell, das es die Kälte vertrieb und ich sogar ins Schwitzen kam. Ich versuchte schnell zu sein, huschte zu dem Tisch mit den Schlüsseln, nahm den Bund mit beiden Händen um ein Klappern zu vermeiden und huschte wieder in mein Versteck hinter der Mauer des Dienstbotenganges. Dann sah ich langsam die Schlüssel durch und horchte auf eine Bewegung der Männer. Sie lachten weiter und spielte ungehindert Gut. Das hatte schon einmal funktioniert und wieder dankte ich Cedric innerlich dafür, dass er mir die Kunst des Diebstahls so gut beigebracht hatte. Vielleicht keine Eigenschaft, die eine Prinzessin haben sollte, aber eine, die mir mehr half als Tanzschritte und das Wissen darum, welches Kleid man zu welchem Anlass trug. Nicht das ich eines davon noch wirklich beherrschte.
Ich suchte nach einem Schlüssel, der vermutlich zu der Tür rechts von mir gehörte und fand einen, der sowohl vom Stil her, als auch vom alter zu dem Schloss passen könnte und atmete noch einmal tief durch bevor ich einen weiteren Schlagabtausch der Wachen abwartete. Als es so weit war, holte ich tief Luft, huschte zur Tür und ...
es klackte.
Der Schlüssel passte in das Schloss aber als ich ihn herumdrehte war das Klacken der Tür so auffällig, dass ich unmöglich nicht gehört werden könnte.
„HE! DU DA!", rief einer der Männer hinter mir und ich beeilte mich die Tür aufzuziehen, in den Gang zu huschen und die Tür hinter mir wieder zu verschließen, bevor der Mann mit einer Faust auf die Tür einhämmern konnte.
„HE! MACH AUF, MÄDCHEN! GIL! HOL DEN ERSATZSCHLÜSSEL AUS DEN LAGER! SCHNELL!" brüllte der Mann hinter der Tür und rüttelte so heftig daran, dass ich erschrocken zurückwich und einen Moment nur versteinert dastehen konnte. Dann ging mir auf, dass es einen Ersatzschlüssel gab und mir vermutlich nicht viel Zeit blieb, bevor ich von dem Wache zurück in meine Gemächer gebracht werden würde und ich mich beeilen sollte.
Natürlich hatte ich damit gerechnet zurückgebracht zu werden, das hier war keine Flucht nur ein kleiner Ausflug, aber ich hatte schon auf mehr als nur ein paar Minuten gehofft.
Also rannte ich los und suchte nach Kain.
Es gab unzählige Zellen und Gänge, und alleine meiner Erfahrung mit den Labyrinthartigen Seitengassen der Armenviertel, war es zu verdanken, dass ich nicht die Orientierung verlor. Und dank der Götter, die mir Glück schenkten waren nur wenige Zellen belegt und ich fand meinen Freund schnell, obwohl ich nicht wusste, ob es Glück bedeuteten ihn so sehen zu müssen. Was hatte Ducan ihm nur angetan?
Beta: Noch nicht
Weil einige mich mal darum gebeten hatten, zu verraten, was mich so inspiriert.
Manchmal reicht dazu nur ein Bild. #MeanDucaninthehouse :D
Mein Tipp: Printerest. Inspiration kommt nie aus dem Nichts!
Bild von https://www.deviantart.com/fanat08/art/Wesker-in-the-world-of-fantasy-709372316
gefunden auf Pinterest.
DU LIEST GERADE
Chroniken der Winterlande Band 1 & 2
Romantik(jeden Freitag) Die Prinzessin, die sie einmal war, ist fast vergessen. Ihr Zuhause unerreichbar fern und dieses kalte Herz, das einst ihr gehörte, hatte nun eine Andere. Lilyanna hat sich längst mit ihrem neunen Leben als Flüchtling und gelegentlic...