Kapitel 5
"Dennoch, dir darf nichts passieren", sagte Kain wieder und er berührte meine Hand, was mich abermals aus meinen Gedanken riss. Ich sollte wirklich aufhören, über Ducan und Politik nachzudenken. Das ging mich nichts mehr an.
Es war nicht Kains erster Annäherungsversuch, aber wie immer zog ich meine Finger fort und sah ihn entschuldigend an. Er wirkte nicht beleidigt aber traurig und ich konnte nicht umhin festzustellen, dass er zwar nun als Mann galt aber noch immer nach einen halben Burschen aussah. Obwohl ich ja selbst, auch noch als Mädchen gesehen wurde, obwohl ich achtzehn und damit eine Frau sein sollte. Doch eine Frau war man erst, wenn man verheiratet war.
"Wird schon nicht.", sagte ich lapidar und betrachtete wieder den wunderschönen Palast.
"Fühlst du dich traurig wegen ihr?", fragte er und ich hatte keine Ahnung, wen er meinte aber fragen musst ich ihm danach nicht. Er erklärte es selbst.
"Ich meine Prinzessin Lilyanna. Du bist im selben Sonnenzyklus geboren und nach ihr bennat", sagte er und ich zuckte mit den Schultern. Es hatte nie jemand verdacht geschöpft wegen der Namensähnlichkeit und des passenden Alters. Es ist nicht unüblich ein Kinder nach hochgeborenen Adligen zu benennen, wenn sie im selben Zyklus geboren wurden. Ich antwortete Kain darauf nicht.
"Mich macht ihr Schicksal oft traurig", sagte Kain und ich sah ihn verwundert an.
"Wieso denn das? Du kanntest sie doch nicht"
"Nein, aber wenn das Leben nicht mal einer Prinzessinnen etwas Gutes beschert, was sollen wir armen, gewöhnlichen Trottel dann machen?" fragte er und schien ernsthaft traurig darüber.
"Vielleicht lebt sie irgendwo glücklich und zufrieden", sagte ich und selbst in meinen Ohren klang das naiv. Kain lachte leise und setzte sich wieder auf, ich spürte seinen Atem auf meiner Wange und ich riss meinen Blick vom Palast los und betrachtete ihn lange. Er war mir sehr nahe und spielte offenbar mit dem Gedanken mich zu küssen. Ich sollte ihn küssen, das wusste ich, es brachte nichts, an meiner Sittsamkeit oder an meiner Tugend festzuhalten. Ich war keine Prinzessin mehr und ich würde keinen Prinzen oder König heiraten. Ich sollte an meine Zukunft denken, eine realiesierte Zukunft als einfaches Mädchen. Auch diese mussten schließlich heiraten und Kinder bekommen, also warum es nicht mit Kain versuchen? Er sah gut aus, war nett und ich mochte ihn. Vielleicht mochte ich ihn sogar mehr, als nur als Freund aber dennoch drehte ich mein Gesicht weg und sah wieder zu dem Schloss, das einst mein Schicksal gewesen war.
"Manchmal weiß ich nicht was du willst", gab Kain frustriert von sich und diese Frage konnte ich ihm auch nicht beantworten. Denn momentan wusste ich nicht einmal, wer ich war, also wie sollte ich dann wissen, was ich wollte? Kain ist süß und nett, aber er war nicht das, was ich mir vorstellte, wenn ich daran dachte, mich einen Mann hinzugeben. Gerade wollte ich wieder beschließen, meine Vergangenheit endgültig zu begraben, da hörten wir Pferde auf den Straßen unter uns. Eigentlich nichts Ungewöhnliches aber für diese Tageszeit dann wieder schon. Als ich neugierig meinen Hals reckte und nach unten sah, blieb dann auch mein Herz fast stehen. Männer hoch zu Ross, mit Rüstung und blauen Umhängen auf denen eine weiße Lilie prangte. Das königliche Wappen.
"Ist das die Königsgarde? Was zum Teufel suchen die hier?", fragte Kain leise und dann sahen wir bei den Männer eine Frau, eine von Cedrics "Damen". Oh scheiße.
"Das ist eine der Huren, die für die Ablenkung gesorgt haben, während ich an den Diamanten gestohlen habe", sagte ich und Kain fluchte, leider etwas zu laut, denn die Männer entdecken uns, ebenso wie die Frau und sie zeigte mit einem Finger direkt auf mich. Nochmal: Oh. Scheiße.
"Diese Verräterin", fauchte ich, erhob mich schnell und sprintete über das Dach wo ich auf einen schmalen Sims vom Nachbarhaus sprang und dann auf den matschigen Boden einer Seitengasse. Kain folgte mir unaufgefordert und wir rannten gemeinsam los. Sowohl er, als auch ich konnte uns sehr genau denken, was genau die Königsgarde wollte. Sie suchten den Dieb des Diamanten und dank der Hure , die dafür sicher eine stattliche Summe bekommen hatte, wussten sie auch, nach wem sie suchen mussten. Ich lief die dreckige Gasse entlang, die zu einem weiteren Bordell führte, in dem ich Unterschlupf finden konnte. Ich hatte sonst keine Ahnung wo ich hin sollte, wenn sie mich erwischten, würden sie mich verhören und sonst was mit mir machen, um antworten zu bekommen, wo der Stein sich jetzt befand und ich könnte Cedric nicht verraten. Abgesehen davon, dass es mich vor den Galgen sowieso nicht bewahren würde. Den König zu bestehlen war Verrat.
"Lil, links!", hallte es hinter mir und ich sah rechts von mir zwei weitere Soldaten mit blauen Umhänge. Verflucht seien die Götter!
Ich schlug einen Hacken und lief, wie von Kain befohlen nach links ab, bemerkte dann aber, dass die Schritte hinter mir verhallten. Als ich mich umdrehte, sah ich, wie Kain sich einen herben Schlag von einem der Männer einfing, als er versuchte die beiden Soldaten davon abzuhalten mir zu folgen. Doch er hatte keine Chance.
Die königliche Garde des Winterkönigs bestand aus kampferprobte Kriegern, vor denen die meisten anderen Königreiche sehr viel Respekt hatten. Kain hatte bis jetzt nur ein paar Faustkämpfe mit angetrunkenen Männern standgehalten und kleinere Scharmützel mit Jungen in seinem Alter.
Er mag groß und kräftig sein, aber er ging direkt zu Boden, als ihn die Faust den Soldaten ein zweites Man ins Gesicht traf. Die Männer hatten es nicht mal für nötig gehalten ihre Waffe zu ziehen.
Ich stoppte und dachte darüber nach Kain zu helfen, wusste aber, dass es zwecklos war und wollte gerade schweren Gewissens weiterlaufen, als ich etwas in den Augenwinkel sah und kurz darauf auch mich eine Faust direkt ins Gesicht traf. In Gegensatz zu Kain der, zwar geschlagen schien aber immer noch die Kraft hatte meinen Namen zu schreien, gingen bei mir sofort die Lichter aus.
Beta: noch nicht
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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2
Romance(jeden Freitag) Die Prinzessin, die sie einmal war, ist fast vergessen. Ihr Zuhause unerreichbar fern und dieses kalte Herz, das einst ihr gehörte, hatte nun eine Andere. Lilyanna hat sich längst mit ihrem neunen Leben als Flüchtling und gelegentlic...