Kapitel 25
Ich war es nicht gewohnt meine Gefühle analysieren zu müssen. Ich hatte nie zuvor so viel empfunden wie in den vergangenen Tagen, als der Stein meinem Herz, immer näher gerückt war. Und sie bei mir zu haben, Lilyanna, die ihn berührt hatte und mit genau dieser Art Magie immunisiert worden war, machte mich emotional noch anfälliger. Besonders, wenn sie diese Emotionen in mir wach rief.
„Das Konfekt wurde nicht überprüft", sagte ich und Eugen nickte, also würde ich dafür eine Bestätigung brauchen.
„Nein, Sire. Ihr mögt keine Süßigkeiten. Die Küche versicherte mir auch, dass es nicht von ihnen in Auftrag gegeben wurde. Prinzessin Lilyanna forderte auch nichts dergleichen an." Lilyanna hatte es auch nicht gegessen, obwohl sie zweifellos seit langem keine solchen Delikatessen zu sich genommen hatte. Wahrscheinlich mochte sie ebenfalls keine Süßigkeiten, das hatte ihr das Leben gerettet. Jemand gab es in Auftrag und ließ es ihr bringen, der aber sie und ihre Vorlieben nicht kannte. Cedric fiel damit raus. Ich hatte ihn nicht wirklich verdächtigt, es aber auch nicht ausgeschlossen. Seine Wege waren schon immer unergründlich gewesen. Aber wenn er sie jetzt hätte umbringen wollen, hätte er vermutlich gewusst, dass sie das Konfekt nicht anfassen würde. Zumindest hatte er sie lange genug bei sich gehabt um es wissen zu können.
„Egal wer es anfertigte und die Dienerin mit der Auslieferung beauftragte: Sie bleibt wohl im Dunkeln, denn die einzige Zeugin ist tot." setzte Eugen seine Überlegungen fort und ich kam zu denselben Schluss. Dennoch würde ich nicht tatenlos dabei zusehen, wie ein Giftmörder durch meinen Palast spazierte.
„Sie ist kaum einen Tag hier und macht nichts als Probleme", knurrte ich in mich hinein und griff nach dem silbernen Kelch, in dessen Fuß einige goldfarbene Steine eingelassen waren. Sie hatten die Farbe von Lilyannas Haar und wenn sich das Kaminfeuer in ihnen brach und auf das helle Silber fiel, konnte ich auch Nuancen ihrer Haut erkennen. Milch und Honig. Ich war sicher nicht der einzige Mann, dem dieser warme Schimmer unter ihrer Haut im Gedächtnis geblieben war. Sie hatte sich und ihren Körper kaum verhüllt, nicht während der Audienz, noch danach. Lilyanna schnürte ihren Körper nicht ein wie es die winterländischen Frauen taten und die Männer hier waren einen solch offenherzigen Anblick nicht gewohnt. Meine Mutter hatte aus ihrer Jugend zwar Sommerlandskleider besessen um sich auf ihr Leben mit Juri in den Sommerlanden vorzubereiten, aber getragen hatte sie selten und niemals außerhalb ihrer Gemächer. Das sie die Kleider überhaupt getragen hatte, hatte ich einmal von meinem Vater erfahren, der es geliebt hatte sie in diesen leichten, farbenfrohen Stoffen zu sehen. Kein Wunder, sie verhüllten kaum etwas. Es hatte definitiv seinen Reiz.
„Sire, wenn ich so frei sein dürfte", holte mich Eugen erneut aus meinen Erinnerungen.
„Als könnte ich dich davon abhalten."
„Es kann unmöglich Lilyannas Onkel gewesen sein. Selbst wenn er Spione im Palast hat, die von dem Vorfall erfuhren, kann die Information unmöglich so schnell zu ihm gelangt sein, als dass er wenige Stunden nach ihrer ersten Audienz bereits einen Giftanschlag auf sie verübt haben könnte. Es war jemand aus dem Palast, der von ihr erfuhr und kein Risiko eingehen wollte. Ihr ungeklärter Status macht sie zu einem leichten Ziel, selbst wenn ihre Behauptungen noch offiziell unbestätigt sind." sagte er. Ich trank aus dem Kelch und stellte ihn dann beiseite. Das alles wusste ich selbst. Alles an Eugens Worten stimmte und es bestätigte meine Vermutung, dass Lilyanna in diesen Palast in Gefahr war, allerdings widerlegte es auch meine Theorie, dass es reichen würde, sie offiziell zu verleugnen.
„Ihr Status ist eindeutig", gab ich widerstrebend von mir.
„Nein. Sie ist ein Flüchtling, der zwar der Form halber unter Euren Schutz steht, aber keinen eigenen König hat, der im Falle einer Ermordung wirklich Druck auf Euch ausüben würde, diesen Vorfall aufzuklären. Und ihre Behauptungen bringen Euch in eine, für jeden offensichtlich, unangenehme Lage. Man könnte also leicht dem Glauben erliegen, ihre Ermordung käme Euch gelegen." Das Stimmte. Das könnte man tatsächlich glauben, weil es verdammt nochmal stimmte. Lilyanna brachte mich in eine unangenehme Lage und einige würden vielleicht sogar glauben, mir mit ihrer Ermordung einen Gefallen zu tun. Allerdings nur, wenn man davon überzeugt war, dass ich tatsächlich etwas für Owellya empfand, so wie es offiziell den Anschein machte.
Das brachte mich in eine Zwickmühle. Einerseits würde Lilyanna durch ihre Anerkennung, in Gefahr geraten, andererseits war sie das offensichtlich bereits jetzt. Ich konnte sie nicht so sehr bewachen lassen, wie es für eine Prinzessin notwendig wäre, weil das ihre Identität indirekt bestätigen würde. Kein König würde wegen einer Geflüchteten, einfachen Adligen solche Umstände auf sich nehmen. Andererseits brauchte sie diesen Schutz dringend. Egal was ich tat, es lief auf eine Sache hinaus.
„Nicht, wenn ich die Schuldigen finde". Das wäre eine Chance. Ich musste den Täter finden und zur Rechenschaft ziehen, dann wäre keine übertriebene Bewachung notwendig und das ich zumindest nachforschen ließ, gebot mir die Ehre und würden zeigen, dass man mir mit ihrer Ermordung keinen Gefallen tat. Sofern diese Nachforschungen nicht allzu anstrengend wären. Schließlich gab es ja niemanden der mir deswegen politischen Druck machte.
Wer in ein fremdes Land flüchtete stand nur unter einem eher formellen Schutz von mir. Die geflüchteten Adligen aus den Sommerlanden waren nicht meine Untertanen und waren deshalb bemüht entweder in ihre Heimat zurückzukehren oder zumindest ihre Kinder in die Reihen meiner Adligen einheiraten zu lassen. In der Regel besaßen die flüchtigen Verwandte hier, die meinen Gesetzesvertretern Druck machen konnten oder hatten selbst genügend Mittel, um für ihre Sicherheit zu sorgen.
Beides Traf auf Lilyanna allerdings nicht zu, zumindest nicht bei ihrem Status als gewöhnliche Adlige. Bei einer Prinzessin aber, einer angehörigen der Herrscherklasse, galten andere Regeln. Das Gebot der Götter nahm mich in die Verpflichtung, für ihre Sicherheit zu sorgen, und zwar um jeden Preis.
„Aber das werden wir nicht. Wir haben keine Zeugen und keine Hinweise. Ich werde wohl nicht mal sagen können, welches Gift verwendet wurde. Ihr wisst, wie schwer es ist, einen Giftmord aufzuklären ohne jeden zu verhören. Und wenn ihr das tut, wird es wieder Fragen aufwerfen, warum ihr Euch solche Mühe macht. Nein, mein König, in dieser Situation wäre sie als anerkannte Prinzessin weit weniger gefährdet." Das war Auslegungssache. Es würde einige Attentäter abschrecken und neue auf den Plan rufen, vorne weg ihren Onkel und Owellyas Familie.
„Ihr ratet mir also, ihre Identität zu bestätigen? Sagt ihr mir das als mein Berater oder als Vertreter der Zitadelle?", fragte ich und betrachtete ihn dabei eingehend. Vertraute ich Eugen? Meistens. Vertraute ich darauf, dass er auf meiner Seite stand, wenn die Zitadelle andere Pläne hatte? Auf keinen Fall. Und die Zitadelle würde Lilyanna als meine Braut sehen wollen und somit auch Eugen. In erster Linie war er der Zitadelle verpflichtet und danach erst mir.
Beta:Geany
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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2
Romans(jeden Freitag) Die Prinzessin, die sie einmal war, ist fast vergessen. Ihr Zuhause unerreichbar fern und dieses kalte Herz, das einst ihr gehörte, hatte nun eine Andere. Lilyanna hat sich längst mit ihrem neunen Leben als Flüchtling und gelegentlic...