Trick

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Kapitel 112

Lilyanna

Ich wartete darauf, dass die Diener die kleinen Pralinen auf den silbernen Tellern angerichtet und sich der Großteil des Hofes in den offenen Salon Räumen vor dem Thronsaal versammelt hatte. Auf beides musste ich nicht lange warten und die diebische Genugtuung, die mich dabei überkam, war mehr als erschreckend. Keine Prinzessin sollte sich so benehmen, so kalkuliert und manipulativ, aber dieser Hof ließ mir kaum eine Wahl und ich hatte lange genug auf der Straße überlebt, um mir selbst zu beweisen, dass es Situationen gab, in denen man die Moral beiseite lassen musste. Sonst würde man untergehen.

Es war fast zu jeder Tageszeit viel los in Salons, aber jetzt traten sich die Leute fast gegenseitig auf die Füße.

Bittsteller und Gesandte warteten auf Audienzen bei Ducan oder Eugen, an dem sie erst vorbeimussten, wenn sie den König der Winterlande auch nur zu Gesicht bekommen wollten. Für den Hof war es immer mit einer gewissen Aufregung verbunden. Es wurde Klatsch und Tratsch ausgetauscht, verhandelt und Geschäfte gemacht so lange man wartete. Man könnte es als großes gesellschaftliches Ereignis bezeichnen, in dem jeder Höfling sich hier in der Nähe aufhielt, um immer auf dem Laufenden zu sein.

Als ich mit dem wohl farbenfrohen Kleid, dass ich hatte finden können, durch die Gänge schritt, wusste ich, dass mir alle Blicke folgten.

Die Leute verstummten, als ich an sie entlanggleiten, nicht wenige unterbrachen ihre Gespräche in den Salons und stecken die Köpfe in die Halle vor der geschlossene Tür zum Thronsaal, der die Räume alle miteinander verband.

Es gab sogar einen kleinen Balkon, auf den man auf mich herabsehen konnte. Mein Magen flatterte voller Aufregung, doch ich weigerte mich, mir die Nervosität ansehen zu lassen.

Ich hatte mich bewusst für dieses Kleid entschieden. Ich zeigte meine Zugehörigkeit zu den Sommerlanden und dennoch hatte ich einen dunklen Mantel darüber gezogen, der zu kurz war, um von dem prächtigen, leichten Rock zu verdecken oder den tiefen Ausschnitt, der in manchen Kreisen sicherlich für Diskussionen sorgen würde.

Der Mantel war aus einem traditionellen Stoff, den hier viele trugen und um meiner neuen Heimat zu demonstrieren, dass ich definitiv bereit war, hier zu leben, hatte ich meine Haare aufgesteckt und mit silbernen Klammern befestigt.

Silbern, nicht golden. Duncans Farben. Auch das würde nicht unbemerkt bleiben und genau das aussprechen, was ich nicht erklären musste.

Ich gehörte ihm. Nur ihm. Nicht diesen Hof und auch nicht dieser Frau, die sich nahe an der Tür zum Thronsaal neben einigen anderen Adligen aufhielt und mich anstarrte. Sie sah wütend aus, obwohl meine Anwesenheit hier sie eigentlich erfreuen sollte, denn sie sollte glauben, dass ich mich nun entschuldigen würde. Hier vor allen anderen. Aber vielleicht war das verschlagene Lächeln auf meinen Lippen ihr Warnung genug, sich nicht zu früh zu freuen.

Xenia neben mir, die darauf achtete, dass die Schleppe meines Kleides immer perfekt lag, gab einem Diener hinter mir einen Wink und dieser wiederum gab den anderen Angestellten Bescheid.

Dann strömte hinter mir eine ganze Schaar von Bediensteten herein und brachten reich gedeckte Servierteller mit Unmengen an Süßigkeiten. Genug für den gesamten Hof, genug für jeden Tisch hier und in den Salons. Genug um vor jeder größeren Menschenansammlung stehenzubleiben und es freundlich jedem Mitglied des Hofstaates hier anzubieten mitsamt ihren Gästen.

Es wurde noch stiller.

Auch das letzte Getuschel verstummte und obwohl die stumme Aufforderung der Diener, jeder könne sich bedienen, definitiv verstanden wurde. Nahm niemand auch nur ein Stück.

Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt