Unter beobachtung

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Kapitel 116

Ducan

Ich sah dabei zu, wie Lilyanna durch einen der schneebedeckten Torbögen flanierte und dabei so frei und entspannt lächelte, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte. Als sie diesem Jungspund so absolut inakzeptabel mitten im Thronsaal um den Hals gefallen war, hatte es mich all meine Willenskraft gekostet, den Sturm in meinem Inneren zurückzuhalten und sie nicht sofort auf magische Weise von ihm zu lösen.

Ich glaubte nicht, dass ich jemals im Erwachsenenalter, so kurz davor gewesen war, die Kontrolle zu verlieren, doch dass der Drang immer noch direkt unter meiner Haut lauerte, während ich dabei zusah, wie Lilyanna sich mit ihm unterhielt, sie zusammen lachten, sie zusammen Erinnerungen austauschten, war inakzeptabel. Und das alles während ich hier oben in einem der Beratungszimmern am Fenster stand und durch die gefrosteten Scheiben versuchte meine Verlobte zu beobachten.

Ich hatte auf diesen Ort bestanden, als Lilyanna sich dazu entschlossen hatte, mit Tristan spazieren zu gehen und ich hatte es vor mir selbst damit gerechtfertigt, dass ich sie beschützen müsste, weil sie die Zukunft meines Reiches darstellte, aber so war es nicht. Nicht nur.

Es war Eifersucht, die mich antrieb. Heiß, dickflüssig und unaufhaltsam, schwappte die dicke Masse in meinem Inneren hin und her. Schaukelte sich hoch und drohte über den Rand zu laufen. Ich war es nicht gewöhnt auf etwas oder jemanden eifersüchtig zu sein und so war ich froh, dass Schatten neben mir immer wieder mit der Nase gegen meine Handflächen stupste, um die knisternde Magie aufzunehmen, die zwischen meinen Fingerspitzen immer wieder aufblitzte. Doch ich behielt die neutrale Miene bei, während ich dabei lauschte, wie Eugen mit den Botschaftern stritt.

"Die Zitadelle begrüßt eine Verbindung der Herbst und Winterlande und bietet euren König dazu auch noch die Hand einer Prinzessin an, die ein Anrecht auf den Sommerthron hat. Der zweitgeborene des Königs, könnte sich keine bessere Partie wünschen", meinte Eugen und die Botschafter wussten, dass er damit absolut richtig lag.

Der König der Herbstlande hatte zwei Söhne, für die er beide eine gute Vermählung suchte und die Frühlingslande hatten aktuell keine Prinzessin zu bieten. Doch der Botschafter war von Anfang an wenig geneigt, die Verhandlungen wirklich ernst zu nehmen. Andernfalls wäre es gar nicht notwendig gewesen, sie hier herzuzitieren. Würden sie die Verbindung ernsthaft suchen, wären sie von alleine gekommen.

"Eine theoretische Prinzessin, mit einem theoretischen Anspruch. Weder gezeugt noch geboren, noch in Besitz dieses Throns", gab er kurz angebunden zu bedenken und ich konnte es diesen Männern nicht verübeln, bei weitem nicht so zuversichtlich zu sein, wie ich selbst, was die Geburt eines Kindes anging.

Ich allerdings war es. Unabhängig von der Vision, die genauso gut von Kain und seinen Schatten erzeugt hätte sein können, wusste ich es einfach. Es würde funktionieren. Lilyanna würde noch vor ihrer Krönung ein Mädchen zur Welt bringen. Ich spürte es so real, wie ich die Magie in meinem Inneren spürte.

"Die Herbstlande sollten daran Interesse haben, Verbündete zu suchen, die es ihnen ermöglicht den Tod von Königin Hana zu rächen", fuhr ich dazwischen und sah genau wie der Botschafter kurz aufhörte, mit den Fingern auf der Tischplatte zu tippen. Eine kleine, aber verräterische Geste.

"Wir bedauern den Verlust von Königin Hana, sie war ein sehr vorteilhafter Einfluss in den Sommerlanden für meinen König, selbst wenn sie keine hohe Adlige gewesen war", meinte er und ich sah wieder zu Tristan und Lilyanna hinunter, die weiter durch den Schnee spazierten.

Ich bemerkte, wie Lilyannas Wangen bereits rot wurden und bewunderte die Entschlossenheit, mit der sie der Kälte meines Landes trotzte, weil sie eine wirklich private Unterhaltung mit ihrem Cousin hatte führen wollen.

Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt