Zu oft

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Kapitel 151

Lilyanna

Die Frage war mehr gehaucht als tatsächlich laut ausgesprochen, aber es hinderte mich nicht daran, vor ihm zurückzuschrecken.
Diese zärtliche Berührung meiner Wangen. Mit den Fingerknöcheln über meinen Wangenmuskel.
So berührte mich Ducan nicht. Es waren seine Fingerspitzen, die sonst über meine Haut strichen und leichte Magie in meiner Haut prickeln ließen. Mein Ducan berührte mich, als könnte ich zerbrechen, dieser Ducan ...
Doch es gab jemanden, der mich einmal so angefasst hatte. Im Turm, nachdem er mich zusammen geschlagen hatte. Nein. Mein Herz pochte wie wild.
"Was?", fragte er und seine Stimme, auch wenn sie Ducan zum Verwechseln ähnlich erschien, war anders. Es war die Betonung, mit der etwas nicht stimmte.,
"Du hast mich noch nie Lil genannt", warf ich ihm entgegen. Mein Verstand ratterte, drehte und wandte sich. Schüttelte sich und versuchte all diese Ungereimtheiten zusammenzusetzen und eine Schlussfolgerung zu formen, die nicht sein konnte. Nein. Unmöglich.
"Nicht? Schade."
"Schade?", platzte ich sarkastisch heraus und lief in einem großen Bogen um 'Ducan' herum. Die Art, wie er den Kopf neige und mich mit den Augen verfolgte, wie er seine Hände gelassen an der Seite seines Körpers hängen ließ.
Das alles war falsch.
Weil er falsch war.
Das hier war nicht mein Ducan!
"Ja, Lil. Schade. Du gibst immer nur kleine Bröckchen an Informationen. Immer wenn etwas falsch läuft, behältst du es für dich. Solltest du nicht zu verliebt in mich sein, um nicht mit irgendwelchen Verdächtigungen zu mir kommen?", meinte der falsche Ducan fast schon beleidigt. Ich schnaufte.
Kain. Kain, der mich zusammengeschlagen und versprochen hatte, dass ich ihn lieben würde, Kain, der die Gestalt wechseln konnte.
Scheiße.
Ich rannte durch das Zimmer. Kümmerte mich nicht um die Kälte oder meine Erscheinung. Das alles hier war nicht echt und als ich die Tür zum Flur schnell auf schieß sah ich wie die Wände surrten, als hätten sie erst in der Sekunde zusammengesetzt. Wobei die Bilder allerdings in ihren Details falckerten...weil ich mich nicht an sie erinnern konnte.
Bei den Göttern. Es ergab Sinn. Ich könnte regelrecht spüren, wie meine Erinnerungen aus meinem Kopf gezogen wurden, um eine Illusion zu schaffen, die mich selbst gefangen hielt.
Ich wusste, dass es stimmte... Weil es schon einmal herausbekommen hatte, weil dies nicht das erste Mal war...
Die Verbindungstür war immer offen gewesen und so hatte ich nie genau auf sie geachtet. Deswegen hatte sie geflackert. Das hier war...
"O, was soll das denn, Lil?", fragte die Stimme hinter mir belustigt, während ich den Gang entlang lief. Den leeren Gang. Keine Wachen, kein Personal, kein...
"LIL?"
"LIL! DU WILLST MICH NICHT WÜTEND MACHEN!"
Ich beachtete Kains Ausbruch nicht, rannte weiter durch den Flur, die Treppe herunter zu den Orten, wo sich eigentlich die Höflinge tummelten. Der weiche Teppich unter meinen Füßen sagte mir, dass ich auf dem Weg zum Thronsaal war. Dieses Schloss war gespenstisch, wenn es so leblos vor mir lag. Aber es war nur ein Trugbild. Eines das ich selbst geschaffen hatte.
Verzweifelt hetzte ich weitere Treppen herunter bis in den Garten, der...nicht existierte.
Kurz vor dem Ausgang hielt ich an und starrte die fürchterliche Finsternis an, die hier herrschte.
Nein. Dunkelheit. Ich schreckte zurück.
Lediglich der zersplitterte Mond und die hell leuchtenden Sterne verschafften mir genügend Licht, um sehen zu können. War der Silberstreif am Himmel immer schon so intensiv gewesen? Im Garten wuchsen Pflanzen, die ich noch nie gesehen hatte. Blaue Rosen und dunkelgrüne Büsche, die fast schwarz aussahen.
Und es war ... warm. Nicht kalt, wie in den Winterlanden, nicht heiß wie in den Sommerlanden. Warm.
Mit rasenden Herzen trat ich einen Schritt nach draußen und wurde von einer einzigartigen Schönheit erfasst, die ich noch nie gesehen hatte. Der Mond und die Sterne strahlen hell und lieferten sich am vollständig sonnenlosen Himmel ein Schauspiel, von dem ich kaum die Augen nehmen konnte.
Die Weite des Gartens war überragend, die Bäume trugen kugelartige Blätter Ansammlungen auf ihren knorrigen Zweigen und als ich Grashalme unter meinen Füßen spürte, ging von ihnen ein blau pulsierendes Licht aus.
Wunderschön. Und beängstigend.
Schritte erklangen hinter mir. Kain hatte es immer noch nicht aufgegeben die Illusion aufrechtzuerhalten und sah immer noch aus wie Ducan.
Ich drehte mich der unmittelbaren Gefahr zu und ging weiter rückwärts.
"DU BIST NICHT DUCAN!", brüllte ich ihm entgegen, denn die Wut, die ich dabei empfand, weil er sein Gesicht missbrauchte, war grenzenlos.
Es fühlte sich an wie ein zusätzlicher Schlag in die Magengrube, das Gesicht des Mannes, den ich liebte auf ... ihn.
Instinktiv fasste ich an meinen Bauch, doch auch da brach die Illusion. Der Babybauch verdampfte in einem Gewühl aus schwarzen Schattenbändern, die schnell das Weite suchten.
"Fast 2 Tage hast du es geglaubt. Wir steigern uns langsam, Liebes" Sein Gesicht schmolz dahin und der Mann, von dem ich einmal dachte, er wäre mein bester Freund. Selbst seine Stimme flackerte.
Ich hatte es gewusst!
"Kain!", presste ich hasserfüllt hervor. Dieses Schwein!
"Dachtest du wirklich, ich hätte dieses Fläschchen nicht schon längst beseitigt, wenn es dich hätte retten können?", fragte er schadenfroh und amüsierte sich scheinbar ausgiebig an meine Dummheit. Doch ich würde mich nicht auf dieses Spielchen mit ihm einlassen.
ich musste hier weg, ich musste...
"Wo bin ich?", fragte ich und hoffte, dass ich von hier, wo immer das auch wahr, wieder den Weg zurück finden würde.
Den Weg zurück zu ihm. Ducan. Auch wenn ich bereits ahnte, wo genau ich war, ich wusste nur nicht, wie ich hierhergekommen bin. Wie es möglich war..
"Bei mir, wo du hingehörst. Aber du musst keine Angst haben, du bist schließlich schon eine Weile hier."
Eine Weile? Was meinte er damit?
"Lass mich zurück! Ich geh.." Sein Lachen unterbrach mich und dröhnte so entschlossen vom Garten wieder, dass ich beschloss, dass es keinen Sinn hatte. Als beschloss ich einfach wieder wegzurennen. Es machte kein Sinn, mit Kain zu diskutieren. Er war ein brutaler Bastard und seine Motive waren mir egal. Ich wollte zurück!
So schnell wie mich meine Beine trugen, hetzte ich durch den Garten, der, anders als ich es von meinem Fenster aus gesehen hatte, keine Mauer besaß. Alles, was er offenbarte, waren unendliche Wiesen, Bäume, Büsche und ... ganz weit in der Ferne ein Gebirge. So hoch, dass es den Horizont komplett einnahm. Nein, nein, nein.
Ich durfte nicht hier sein. Das konnte nicht sein. Die Gebirge, die den Schattenlande von den Winterlande trennten, war unüberwindbar. Wenn ich auf der anderen Seite war...würde ich Ducan nie wieder sehen.
Ich würde... Ein Schluchzen erfasste meine Kehle und die Tränen brannten heiß in meinen Augen, während sich die Erkenntnis in mir breit machte.
Mein Herz machte einen Satz, wollte brechen, verzweifeln, sich zusammenziehen, nicht nur wegen der körperlichen Anstrengung.
Nein. Bitte nicht. Bitte, bitte nicht!
Bitte, liebe Götter, lasst es nicht zu! Gebt mich ihm zurück! Lass mich zurück!
Ich rannte dennoch weiter, solange bis ich nicht mehr konnte und das Lachen, das hinter mir ertönte, verklang. Solange bis ich Kain nicht mehr sehen konnte. Aber dennoch schallte seine Stimme durch die Luft, als wäre er überall und nirgendwo.
"Du entkommst nicht und keine Angst, Lil. Wenn du aufwachst, wirst du dich an nichts hiervon erinnern."
Ich rannte schneller, versuchte zu entkommen, auch wenn meine Beine vor der ungewohnten Anstrengung brannten, auch wenn mein Blick auf die Ferne gerichtet blieb.
Nein. Bitte!
Dieses Gebirge, dass ich in Wochen nicht erreichen würde, geschweige denn überqueren könnte.
Nein. Nein. Nein.
Ich wollte zurück zu ihm... ich wollte.
Bitte!
Ich schrie als sich vor meinen Füßen der Boden wegbrach, sich eine Schlucht auftat, die mich fast hatte, in den Abgrund stürzen lassen.
Das Ende der Illusion. Ich sah es, den auf der anderen Seite der Schlucht war es nicht mehr so schön.
Es war verdorben und stank. Der Boden tot und ekelerregend war durchzogen von grünlich schimmernden Wasser. Und darüber krauchten unheimliche Wesen. Spinnen und schlangen in nebligen Dunst und fraßen sich gegenseitig.
Nein. Nein.
Ich musste herüber, ich musste durch sie hindurch.
Ducan!
DUCAN!
Eine Hand landete auf meiner Schulter, packte mich und drehte mich herum. Kain.
"Du wirst schlafen und ich einen Fehler weniger begehen, liebste Lil. Wir haben alle Zeit der Welt. Abgesehen von den Namen ... was hat mich noch verraten?", fragte er, schlug seine Hand weg und spuckte ihm ins Gesicht.
Ich würde ihm nichts verraten, ich würde...er schlug mich. So hart, dass ich auf den Boden auftrifft und hörte mit einem Klingeln im Ohr wie er mit dem Finger schnippte und alles um mich herum schwarz wurde. Doch etwas hörte ich noch...
"Versuch 121...Lil. Langsam wird es frustrierend mit dir"

Und dann begann es von vorn..

Ich war mir sicher, ins Nichts abgedriftet zu sein, doch als ich mich wieder daraus hervor kämpfte, hoffte ich fast, wieder zurückkehren zu können.

so wie schon einmal.

Mein Körper schmerzte, mein Mund war trocken und meine Kehle fühlte sich an, als bestünde sie aus Sand. Rau und körnig wie ein Reibeisen. Als wäre einer der Sandstürme aus meiner Kindheit über den Palast gefegt und ich hatte vergessen, in meinem Gemächern die Fenster abzudichten.
Doch so war es nicht. Die angenehme Wärme meines Heimatlandes fehlte, stattdessen war
da nur...Frost.

Wie zuvor.

Die Kälte, in meinen Gliedern, sorgte dafür, dass ich mich tiefer in die Decke vergrub und grummeln mein Gesicht fester in das Kissen kuschelte, mir die Decke bis zur Nasenspitze zog.

Das habe ich schon einmal getan. Oft. Zu oft.

Warum war es so kalt? Ich mochte keine Kälte und so bitterlich waren selbst die Nächte in den Winterlanden nicht. Zumindest nicht, wenn man in so einem bequemen Bett lag. Es war, als würde diese Kälte in mir herrschen.
Der Kamin muss ausgegangen sein und Ducan sich einmal mehr seinen königlichen Pflichten hingegeben haben, denn das Fehlen seiner wärmenden Aura war nicht anders zu erklären als...
Erinnerungen überkamen mich.

Wieder und wieder und wieder.

Von meinem Vater, Cedrik, meiner Mutter, meinem Onkel....Kain.
Der Wirbel aus alten Kindheitserinnerungen und dem, was gerade erst passiert war, erfasste mich, ordnete sich zu einem Bild. Ein Kaleidoskop aus bunten Fragmenten, das nun ein bizarres Mosaik ergab.
Erschrocken schlug ich die Augen auf und als das Licht in meinen Augen brannte, schrie ich leise auf und drückte meine Hände auf mein Gesicht. Warum taten sie so weh? Warum fühlten sich meine Muskeln so desorientiert und unbeweglich an? Warum kam es mir so vor, als wäre alles an meinem Körper bleischwer und kalt?
Weil...
Weil ich tot war.

Die Erkenntnis riss mich aus meinem Gefühl des Unwohlseins und schlug mir einen Strudel aus purem Entsetzen entgegen. Ich war tot.

Ich war... nein, nein nein... Gefangen...ich war gefangen...

"Lilyanna."

Der heisere Klang von Ducans finsterer Stimme, nahm meine Sinne ein und dann bewegt sich die Matratze unter mir und ich spürte, wie ein schwerer, männlicher Körper sich über mich schob. Einer, der mir sehr gut vertraut war, denn ich hatte ihn schon öfters auf mich gespürt. Und in mir...

Falsch. Falsch. Falsch.

"Ducan", krächzte ich und nur vorsichtig wagte ich es, die Hände von meinem Gesicht zu nehmen. Ich blinzelte gegen das Licht an, um ihn anzusehen, wiederzusehen, zu berühren, zu...

Zu oft. Viel zu oft.

"Ducan", ich hörte, wie meine Stimme in einem Wimmern unterging. Ich begann unkontrolliert zu schluchzen, der der Gedanke wieder bei ihm zu sein, riss mein Herz entzwei und setzte es noch in derselben Sekunde wieder zusammen. Froh, wieder bei ihm zu sein, froh, ihn zu spüren, froh, von ihm berührt zu werden.
"Shht. Es ist alles in Ordnung."
Er zog mich an seine Brust, bettete mein Ohr an seinen mächtigen Herzschlag und hüllte mich in seinen unverkennbaren Geruch ein. Ich ließ meine Augen geschlossen, weil es mich so schmerzen ließ, doch es hielt mich nicht davon ab, die sehnsuchtsvollen Tränen nachzugeben, die mich überkamen.
Alles prasselte auf mich ein, die Geschehnisse der letzten Tage, die Sache mit Kain und die Dinge, die erfahren hatte. Über die Götter, meine Eltern, Cedrik. Einfach alles.
Ich klammerte mich an den König der Winterlande und weinte, suchte Trost in seiner Umarmung und das Prickeln der Magie, die ich so sehr vermisst, hatte
Ich hatte ihn vermisst!

Wie 121 mal zuvor. Und wie ich die nächsten hunderte Male...bis ich ihn liebte. Bis ich im glaubte oder mein Verstand zersprang wie ein eines der kostbaren Spielzeuge, die mir Duncans Eltern als Kind zukommen lassen. Als Versprechen auf ein Leben...das nun in Trümmern lag.

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Fast ist es übrigens soweil ^^ der dritte Band der Woman's World reihe kommt heraus. 

Die Geschichte wird es auf Amazon zu kaufen geben und könnt ihr euch auf wunsch sogar ins Regal stellen ^^ Am 29.3.

Erotisch und spannend. 

Seid dabei!

Seid dabei!

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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt