Kapitel 128
Ducan
Es war, als würde ihr Schatten mich verfolgen. Lilyannas Wut hallte so deutlich in mir wieder, dass ich mir sicher war, sie einen, vielleicht zwei Tage davon überzeugen zu können, tatsächlich in ihren Gemächern zu bleiben. Aber auf keinen Fall länger. Es war nicht ihre Art, sich wie ein ängstliches Küken zurückzuziehen und das Letzte, was ich wollte, war es erneut zu riskieren, dass sie mir abhandenkam. Aber ich wusste mir nicht anders zu helfen und musste auf ihre Vernunft vertrauen.
Alles, was sie in diesem Schloss berührte, konnte sie umbringen. Der Gedanke ließ mich nicht los, er fraß sich in mein innerstes und machte es fast unmöglich, mich auf meine Pflichten zu konzentrieren. Ich hatte Eugen angewiesen, jeden Teller, jedes Buch, jeden Diener überprüfen zu lassen, bevor er sich ihr näherte oder zu ihr gelassen wurde. Ich würde nichts riskieren, egal wie sehr Lilyanna tobte, aber... ich konnte sie nicht für immer festhalten.
Ich seufzte. Ihre Vernunft. Sie hatte mir in der gesamten Zeit viel Mut, sehr viel Aufmüpfigkeit und Temperament bewiesen, aber nur wenig Vernunft also verdeutlichte ich den Wachen vor meinen Gemächern noch einmal meine Befehle, damit sie sich von Lilyanna nicht doch noch irgendwie aufs Kreuz legen ließen.
Die Götter wussten: Meine zukünftige Königin war gerissen und scharfsinniger als ihr guttat.
Für einen kurzen Augenblick zögerte ich, weil ich vergessen hatte, ihr zu berichten, dass unsere Vermählung nicht am Ende dieser Woche stattfinden würde. Der Todesfall einer Adligen war nichts, was man einfach übergehen konnte und die Traditionen verlangten eine gewisse Zeit der Trauerphase.
Die erneute Verzögerung machte mich nervös, weil ich nicht wusste, ob das im Interesse des Attentäters lag oder nicht, aber ich hatte gerade noch mehr Fragen im Kopf. Dieses Pergament ...
Ich erkannte die Abbildungen darauf, es waren dieselben, die ich in der Höhle gesehen hatte und sie erzählten die gleiche Geschichte. Ein gefallener Gott, der den Menschen half.
Ich musste mit Eugen darüber reden, aber vorher würde ich selbst einige Nachforschungen anstellen müssen. Denn es war mir nicht klar gewesen, bis gerade eben, aber ich hatte die Bilder auch schon vor den Höhlen schon einmal gesehen. Mitsamt einer Abbildung einer goldenen Kugel.
Mit langen Schritten machte ich mich auf den Weg in die Hälfte des Schlosses, in der ich mich nur selten wagte. Nicht weil ich nicht hingehen wollte, sondern weil der pure Schmerz, der mich hier erfasste, so unvorstellbar mächtig war, dass er drohte mich auseinander zu reißen.
Die Adligen, die meinen Weg kreuzten, verbeugten sich ehrerbietig, aber waren stiller als sonst. In den letzten Wochen hatte sich zu viel geändert und niemand wusste mehr so richtig, was in den nächsten Tagen passieren würde. Ich konnte es ihnen nicht verübeln, aber war momentan nicht dazu in der Lage, ihnen die Stabilität zu bieten, die sie brauchten. Diese Ruhe würde wieder einkehren, sobald Lilyanna meine Frau war. Wenn das Königspaar vollständig und die ersten Erben geboren waren, würde das Land aufatmen und Stabilität würde am Hof einkehren. Zumindest bis zum nächsten Schicksalsschlag.
So war es immer.
Als ich einige Gesellschaftsräume betrat, sah ich am Rande eines Salons diese Männer aus den Herbstlanden, wie sie sich leise unterhielten. Tristan, Lilyannas Cousin begegnete meinen Blick und verneigte sich, doch ich sah keine Unterwürfigkeit in seinen Augen.
Er mochte mich nicht, aber das taten die wenigsten hier.
Ich war nicht stolz darauf, gefürchtet zu werden, aber es half in diesem Fall ungemein. Schatten hinter mir knurrte in seine Richtung und alle in meiner näheren Umgebung zuckten zusammen.
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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2
Romance(jeden Freitag) Die Prinzessin, die sie einmal war, ist fast vergessen. Ihr Zuhause unerreichbar fern und dieses kalte Herz, das einst ihr gehörte, hatte nun eine Andere. Lilyanna hat sich längst mit ihrem neunen Leben als Flüchtling und gelegentlic...