Nichts, wie es sein sollte

4.5K 387 22
                                    

Kapitel 48:

Lilyanna

Ducan brachte mich in einen Raum, der neben dem offiziellen Thronsaal lag und ich war mir sehr wohl darüber bewusst, dass er es dadurch schaffte, meine Flucht weniger als eine Flucht aussehen zu lassen, selbst wenn nach seiner Ankündigung doch noch irgendjemanden einfallen sollte, dass ich ja wie eine verrückte, panisch aus der Besprechung im Saal geflohen war. Doch danach sah es nicht aus. Als mich so unauffällig wie möglich umsah, interessierte sich niemand für meinen kleinen Fluchtversuch, alles, was sie beschäftigte, war die Tatsache, dass ich ihre Königin sein würde. Und das gefiel in meinen Augen so gut wie keinem am Hof.

Der Raum war mit warmen Wandteppichen ausgestattet und wirkte auch durch seine sehr bescheidene Größe so privat, dass ich mich automatisch versteifte, als Ducan die Tür hinter uns schloss. Für einen Moment war es ruhig im Raum und ich lenkte mich damit ab, das Dekor an der Wand und die schön bemalten Fenster zu bewundern, die durch die Eiskristalle daran aussahen, als hätten sie Risse bekommen.

Es war allerdings nur ein kläglicher Versuch mich davon abzulenken, dass ich einmal mehr mit diesem Mann jetzt alleine war, dessen bloße Anwesenheit mich verwirrte. In einem so großen Saal oder inmitten anderer Leute, war es leicht es zu ignorieren, aber Ducans Präsenz schüchterte mich ein. Und gerade jetzt, wo ich wusste, dass er mein Ehemann sein würde, spürte ich es wie ein Stein auf meiner Brust, der mir das Atmen schwer machte.

Ich flüchtete mich an das andere Ende des Raumes und gab vor, eine kunstvolle Vase zu begutachten, während ich ihn aus den Augenwinkeln beobachtete. Ducans steife Haltung, seine unleserlichen Gesichtszüge, die Kälte, die er ausstrahlte und vor allem, die Magie, die ich glaubte zu spüren, obwohl ich es eigentlich nicht können sollte. Aber scheinbar war nichts in meinen Leben, wie es sein sollte.

Gar nichts.

Ich, Kain, Ducan und Owellya. Niemand tat, was er sollte, war, was er sein sollte. Gerade Owellya, die ich noch gar nicht als mögliches Problem gesehen hatte, machte mir jetzt zu schaffen. Als ich in ihren Vater hineingelaufen war, General Zion, er musste ein enger Verwandter von ihr gewesen sein, sonst hätte sie nicht so nahe bei ihm gestanden und er hätte auch nicht praktisch in ihren Namen das Wort ergriffen, hatte mich unter seinen Blick regelrecht zerquetscht. Er war definitiv wütend auf mich, obwohl ich Owellya bei dem allen fast bedauerte.

Ich hatte gesehen wie viel Schmerz es ihr berietet hatte mich mit Ducan zusammen zu sehen und ich konnte das auch gut nachempfinden. Es muss für sie hundertmal schlimmer sein, als für mich, als ich von seiner erneuten Verlobung erfuhr. Ich hatte Ducan verloren geglaubt, ihn aber nie gekannt, nie die Chance gehabt, mich in ihn zu verlieben, aber Owellya hatte Jahre mit ihm verbracht. Ihr war sogar die Ehe versprochen worden und nun kommt irgendeine, verschollen geglaubte Prinzessin daher und nahm ihr alles weg, für das sie so hart gekämpft hatte.

Ihr konnte den Schmerz in ihren Augen nachvollziehen und den hasserfüllten Blick ihres Vaters konnte ich ebenfalls verstehen. Ich fühlte mich ja selbst immer noch wie eine Betrügerin, ganz so als würde ich jemanden etwas wegnehmen, warum sollte es dann anderen nicht auch so gehen?

Dennoch hatte mich die unverblümte Feingliedrigkeit des restlichen Hofstaates überrascht, der nach Ducans Verkündigung sogar noch schlimmer geworden war. Was sollte nur aus mir werden? Man hatte mich meines Lebens beraubt, mich gezwungen ein anderes zu akzeptieren, ein Mordanschlag gegen mich verübt und mich dann noch Situationen ausgesetzt, die so verstörend waren, dass ich mich immer noch nicht wirklich damit auseinandergesetzt hatte. Kain.

Ich hatte gedacht, er wäre mein Freund und nun wusste ich nicht einmal, was er überhaupt war, geschweige den, was ich für ihn empfinden sollte. Ein naiver Teil von mir wollte immer noch nicht wahrhaben, dass das, was letzte Nacht passiert war, kein Traum war.

Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt