Angriff

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Kapitel 145

Lilyanna

Als die ersten Fäden sich um meinen Arm legten, konnte ich mir einen Schrei nicht verkneifen. Hatte sich Kains Berührung wie etwas Kratziges angefühlt, war das hier feucht und schleimig. Was mich aber letztendlich auch noch den letzten Nerv raubte, war der Gestank. Süß und säuerlich zugleich, wie Erbrochenes. Aber altes erbrochenes und ich spürte wie mein Magen rebellierte. Ich mochte Tod sein, hatte aber immer noch einen Würgereiz.
Ich zog an den Fäden und war erleichtert als sie rissen. Sie kurze Verwunderung darüber, huschte über Kains Gesicht und ich nutzte meine Chance zu entkommen.
Ich sprang von der Tür zurück als weitere, dickere Netze auf mich zuschossen und landete aber wieder in Kains Armen, der sich so schnell bewegte, dass ich es nicht einmal wahrgenommen hatte. Erneut hielt er mich fest umklammert, diesmal sodass ich in sein Gesicht sehen konnte. Es sah meinen ehemaligen besten Freund immer noch ähnlich, wirkte nur Pfahler und seine Augen düsterer. Es war schwer für mich, ihn mit dem Jungen in Verbindung zu bringen, mit dem ich aufgewachsen war. Sie waren so unterschiedlich. Nicht nur ihr Äußeres, sondern auch die gesamte Mimik.
"Du hast mich getötet", warf ich ihn anklagend entgegen und er nickte lediglich. Schmunzelte dabei. Nicht eine Sekunde lang, kam sein Lächeln ins Wanken.
"Ich habe dich zu mir geholt, wo du hingehörst. Ich verstehe, dass du einen König mir vorziehst, Lil. Ducan ist mächtig, aber das bin ich jetzt auch und wenn die letzte Verbindung zu dieser Welt durchtrennt ist, werde ich dich als Schatten wieder aufstehen lassen. Wir werden glücklich sein, das verspreche ich dir. Du und ich in dem Schattenlanden! Unser Königreich!"
Was? Hatte er vollkommen den Versand verloren? Wenn er glaubte, dass ich jemals aufgebe würde, irrte er sich gewaltig. Es war geradezu lächerlich.
Bei der Vorstellung zog sich alles in mir zusammen. Ich wollte mich gegen ihn wehren, doch die diese dunklen Seile schlangen ich schwerer um meinen Körper, während die Spinnen begannen aufgeregt, um uns herumzukrabbeln.
" Selbst wenn du das schaffst, vergisst zu etwas Entscheidendes, Kain! Ich würde gegen dich kämpfen, jede Sekunde, jeden Moment meines Seins. Ich werde immer versuchen zu Ducan zurückzukehren, in mein Leben zurückzukehren! Das ist es, was ich bin, was ich immer war. Ein Dickkopf, jemand aufsässiges. Du kannst mich nicht kontrollieren. Niemals. Das ich mich für Ducan entscheide, hat nicht mit Macht zu tun. Ich entscheide mich für ihn, weil ich ihn will. Und durch... dich will ich nicht. Ich wollte dich nie, Kain. Schon vor Jahren nicht, als ich dachte, ich würde ein einfaches Leben führen. Nicht in dieser Nacht auf dem Dach. Ich wollte dich nie!", stieß ich ihm mit so viel Verachtung entgegen wie ich konnte. Für den Hauch eines Momentes blitzte etwas Tödliches in seinen Augen auf. Dann aber trat das höhnische Lächeln zurück auf sein Gesicht. Wirkte bedauernd. Kain ließ seine Finger rüber meine Wange gleiten und am liebsten hätte ich mich direkt auf seinen Füßen übergeben.
"Oh, Lil. Aber ihn wolltest du zu Beginn auch nicht, schon vergessen? Dein König wird deinen Körper ewig nicht erhalten können. Sobald er deinen Tod akzeptiert, löst sich auch noch die letzte Verbindung an diese Welt. Du gehst ins Jenseits Über wo ich dich als Schattenbraut an meine Seite zurückholen kann. Ohne Erinnerung daran wer du warst oder was du wolltest. Du wirst vollständig mir gehören und wenn die Schattenlande sich ausbreiten, wirst du an meiner Seite über die ewige Nacht regieren. Eine Königin. Genau wie es dein Schicksal ist. Du hast dir nur den falschen König ausgesucht!"
Ich grinste selbst höhnisch.
"Du bist kein König. Selbst mit Krone wirst du nie einer sein. Das ist der Unterschied zwischen dir und Ducan, er ist..."
Der Schlag traf mich so unverhofft, dass ich erschrocken verstummte. Er war schmerzhaft, glühte auf meiner Wange. Eine kräftige Ohrfeige, wie sie so viele Männer ihren Frauen verpassten, als wäre es ihr Recht. War es nicht. Ich war nur wenige male in meinem Leben geschlagen worden und ich würde sicherlich nicht damit anfangen, es bei ihm durchgehen zu lassen.
Ich fuhr herum. Ein Sturm der Wut in mir, die mich auch deutlich anzusehen war. Dann spuckte ich ihm ins gesicht, rammte mein knie in seine Weichteile und versuchte mich erneut aus den Schattenfäden zu befreien.
Die Spinnen zischten auf, als Kain sich kurz sein Gemächt hielt. Doch es hielt natürlich nicht lange an und als er mich diesmal anblickte, wusste ich, dass er mir schlimmeres antun würde als mich zu Ohrfeigen.
"DU VERWÖHNTES MISTSTÜCK! ICH WERDE DIR ZEIGEN WO DEIN PLATZ IST!", schrie er und kam auf mich zu.
Ich rannte zurück zur Tür, zog an dem Knauf um diese verdammte Tür zu öffnen. Klagewölfe konnten gegen Schatten kämpfen, dafür waren sie erkannt und ich brauchte Fünkchens Hilfe. Doch eine Spinne, bäumte neben mir vier ihrer acht Beine auf und fixierte mich mit ihren klappernden Fängen.
Jeder dieser Schatten hätte mich bereits angreifen können, doch hatte es nicht getan und ich war mir sicher, dass diese Drohgebärde mich nur ein schüchtern sollte. Das Problem: Ich hatte keine Angst. Es gab nur weniges, das mich tatsächlich einschüchtern. Dieser Mut, diese Selbstüberschätzung würde irgendwann mein Tod sein. Das haben mir schon so viele Leute gesagt.
Die Tür vor mich erschütterte. Fünkchen musste sich mit aller Gewalt dagegen stemmen und ich betete dafür endlich diese Tür aufzubekommen. Plötzlich explodierte Schmerz in meinen Hinterkopf.
Kain hatte mich erreicht, meine Haare gepackt. Er zog meinen Kopf schmerzhaft nach hinten und dann schlug er meine Kopf gegen die Tür. Ich verlor die Orientierung, mein Schädel dröhnte. ich schmeckte sogar Blut in meinem Mund.
Er wiederholte den brutalen Angriff.
Mein Kopf schlug wieder gegen die Tür. Wäre ich nicht schon tod hätte er mir spätestens beim zweiten mal den Schädel gebrochen.
Bumm.
Noch einmal. Das klingeln wurde lauter. Mein Körper wollte angesichts der gewalt in sich zusammen saken. ich mochte nicht sterben können, doch es tat weh. So unendlich weh.
"DU-"
BUMM
"WIRST"
BUMM
"DIR WÜNSCHEN"
BUMM
"DAS NICHT GETAHN ZU HABEN!"
BUMM
Als er mich loßließ sakte ich die Knie. Ich spürte die Brüche in meinem Gesicht, den Nachhall der Gewalt in jeden meiner Knochen. Und ... ich glaubte ihm.

Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt