Briefe

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Kapitel 29

Ich wusste nicht wie lange die Pause dieser Diskussion tatsächlich wehrte, aber mir kam sie wie eine Ewigkeit vor. Eine unangenehme Ewigkeit. Und als sie endete, wusste ich nicht einmal, was ich noch sagen oder fühlen sollte.

„Euer Tod, würde den König dazu verdammen für immer das zu bleiben, was Ihr nun in ihm seht. Einen herzlosen Mann." Ich schnaufte nicht sehr prinzessinenhaft und wandte mich zur Tür. Ich wusste, dass ich hätte gehen sollen, aber ich wollte Eugens Erwiederung nicht einfach unkommentiert lassen. Ducan war ein herzloser Mann und ich war die Letzte, die daran etwas ändern wollte oder konnte.

„Und ich könnte das ändern?", fragte ich mit so viel Spott in der Stimme, wie es möglich war, wenn man absolut nichts Unterhaltsames an der Situation finden konnte. Ich bemitleidete mich selber, war gleichzeitig wütend auf mich, weil ich Schuld an dem Tod dieser Dienerin hatte, ärgerte mich über Eugen, sorgte mich um Kain und hatte Angst. Alles gleichzeitig. Es fühlte sich an als würde mir mein Innerstes zerreißen.

„Ja. Weil Ihr sein Herz besitzt und das meine ich nicht im übertragenen Sinne, Prinzessin. Ihr habt sein Herz. Und die Verlobung mit Owellya basiert nicht auf romantischen Interesse. Für keinen von beiden. Sie will Königin werden, um ihre Sippe zu retten und Ducan glaubt damit das Richtige für das Reich zu tun. Doch er zögert, seit Jahren schon. Und mittlerweile glaube ich auch zu wissen wieso. Es ist der gleiche Grund, weshalb ihr Euch nie auf Kain eingelassen habt, obwohl er immer bei Euch war und er ganz offensichtlich in Euch verliebt ist. Ihr habt Ducans Herz in der Hand gehalten und etwas in Euch weiß, dass es Euch gehört. Ihr seid dazu in der Lage ihn zu lieben und ich weiß, dass er dazu in der Lage sein kann Euch zu lieben, wenn ihr ihm nur die Gelegenheit dazu gebt. Kämpft um eure Verlobung, Prinzessin. Nicht für Euer Überleben, sondern für Euer Glück."

Mein Glück. Ich wusste nicht einmal was das sein sollte. Ich habe vor Jahren gedacht, dass ich Glück gehabt hatte meinem Onkel entkommen zu sein, selbst wenn ich so leben musste, wie ich es getan hatte. Es war das Beste, was ich in diesem Moment zu hoffen gewagt hatte. Ich war auf meine Art glücklich gewesen.

Nicht als Lilyanna, sondern als Lil.

Und jetzt? Wie sah das Glück einer Prinzessin aus? Ohne Thron, ohne Heimat, mit einem Onkel, der einen töten wollte und noch mehr unbekannten Feinden. Eingesperrt in einem Palast, der Gnade eines Mannes ausgeliefert, dem man ein Dorn im Auge war, einfach nur weil man atmete? Wie sollte da Glück aussehen?

Mir war egal warum Ducan Owellya heiraten wollte, dass es aber nicht aus Liebe geschah, überraschte mich wenig. Als Prinzessin oder König heiratete man nicht aus Liebe oder zumindest nur selten. Eugens Anspielung, Ducan könnte mich lieben, war absurd. Ich war mir sicher, dass Ducan zu solchen Gefühlen nicht fähig war, dennoch wusste ich nicht was er damit sagen wollte. Ich hatte sein Herz? Es war eine merkwürdige Formulierung.

Ich habe sein Herz in der Hand gehalten. Ich würde ihn lieben und er mich.

Am liebsten würde ich diese Worte einfach beiseite wischen und ihn einen Narren nennen, denn genau das war er. Aber etwas in mir rührte sich. Das kleine Mädchen von damals, das einsam in ihrem Bett lag und davon träumte gerettet zu werden. Damals als ich noch glaubte, verlobt zu sein,. Im Palast meiner Eltern habe ich mich darauf gefreut Ducan zu heiraten, denn ich war ein Kind gewesen, dass man mit den romantischen Geschichten ihrer eigenen Eltern gefüttert hatte.

Mein Vater hatte meine Mutter geliebt, das wusste ich und ich hatte nie daran gezweifelt, dass ich und Ducan uns lieben würden. Doch die Geschichte meiner Eltern hatte kein gutes Ende gehabt, genauso wenig wie meine eine hatte. Weil man als König oder Prinzessin einfach kein Glück hatte. Niemals. Die gewöhnlichen Menschen sehen die Pracht und den Glanz und glauben das wäre Glück. Und die Adligen, die sich dazu herablassen, sehen das einfache Leben, die Freiheiten und denken, das wäre Glück. Ich kenne beide Seiten und keine davon kommt Glück auch nur nahe. Vielleicht gab es einfach kein Glück auf dieser Welt, für niemanden. Es gab nur Probleme und wenn ich mich entscheiden muss zwischen Lil und Lilyannas Problemen, dann würde ich immer Lils wählen. Ja, es war nicht angenehm sich um Essen und Unterkunft zu sorgen, aber das war mir lieber als ständig in Angst zu leben, weil jeden Moment jemand kommen könnte, um einen zu töten, nur weil ich atmete.

Ich wandte mich von Eugen ab, ging auf seine Worte nicht ein und wollte den Raum nun endlich verlassen, als die Tür direkt vor mir aufgerissen wurde und ein junger Diener hereinkam. Keiner der normalerweise für diese Etage des Palastes zuständig war, so viel erkannte ich an seiner Kleidung auf Anhieb.

„Eine Nachricht", sagte er und verbeugte sich vor mir, dann vor Eugen.

„Ich komme gleich", meinte der Meister-Magier und ich atmete durch, um die Gelegenheit zu nutzen, endlich zu gehen aber der Diener schüttelte mit dem Kopf und wandte sich an mich.

„Nicht für Euch, Meister Eugen. Für die Lady. Von dem Königsvater", sagte er, verbeugte sich wieder vor mir und hielt mir ein Tablett hin, auf dem ein Stück Pergament lag. Ich starrte darauf und verspürte den Drang zu fliehen. So heftig, dass meine Hände zitterten und eine Vorahnung mich erfasste. Wenn ich nach diesem Zettel griff, würde ich noch mehr in dem Chaos versinken, der so unbedingt Teil meines Lebens sein wollte.

Der Königsvater. Ducans Vater. Liam. Ich wusste nicht viel über ihn. Nachdem er die Krone Ducan überreicht hatte, hatte er sich fast vollständig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Der Adel duldete das, weil sie ihn nie wirklich akzeptiert hatten. Er hatte vor seiner Heirat mit Prinzessin Lissa, Ducans Mutter, zum niedrigsten Adelsstand gehört. Dass er ein so unfassbar mächtiges, magisches Kind gezeugt hatte, hatte ihm die Krone gesichert und ihn zu einem würdigen König gemacht, aber das bedeutete nicht, dass man es ihm nicht übel nahm, die Unverschämtheit besessen zu haben, sich einer Prinzessin genähert zu haben. Böse Zungen hatten behauptet, er hätte die emotionale Schwäche von Prinzessin Lissa ausgenutzt. Ducans Mutter hatte gerade ihren Bruder und König beerdigen müssen und dann der Tatsache ins Auge gesehen plötzlich Königin eines Landes zu sein, auf das sie nicht vorbereitet gewesen war. Fast gleichzeitig hatte mein Vater die Verlobung gelöst und viele waren davon ausgegangen, dass ein Krieg ausbrechen würde.

Als Liam Lissa heiratete, sprach man in den unteren Ständen zwar von wahrer Liebe, aber der Adel vom Erschleichen einer Krone. Ich hatte mir nie eine Meinung über Liam gebildet. Die Jahre, die ich unter seiner Herrschaft verbracht habe, waren nicht besser oder schlechter gewesen, als die unter Ducan. Die Gewöhnlichen spürten da meist keinen Unterschied, ihnen war es gleich, wer regierte. Alles, was sie von ihren Königen hörten, waren Geschichten. Geschichten von Liebe und Hingabe. Und meistens waren diese Geschichten nichts weiter als Lügen.

Beta: geany

Beta: geany

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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt