Spuk

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Kapitel 142

Lilyanna

Es gelang mir nicht wirklich, mit ihm zu kommunizieren. Seit nun fast zwei Wochen versuchte ich ununterbrochen auf mich aufmerksam zu machen und abgesehen davon, dass ich langsam verstand, wie die Regeln für einen Geist waren, hatte ich nicht viel erreicht. Ich konnte Dinge berühren, wenn ich mich konzentrierte, bei Magiern war es einfacher und ich möchte behaupten, dass sie auch was bemerkten, aber es reichte nicht aus, um sie stutzig werden zu lassen. Da war es einfacher, Gegenstände zu manipulieren.
Ich hatte es ein paar Mal geschafft eine Teetasse umzuwerfen, doch Ducan hatte sich kaum darum geschert, er schien so tief in sich selbst vergraben zu sein, dass ich mir nicht einmal sicher war, ob er mich bemerken würde, wenn ich wirklich wieder vor ihm stand, geschweige den als Geist.
Dazu kam, dass ich ihn kaum wieder erkannte. Er war immer kalt und unnahbar gewesen, aber nie so. Fast könnte man ihn als grausam bezeichnen. Mir war das Glühen seiner Augen nicht entgangen, als er einige Abgesandten der Herbstlande ihrer Strafe zuführte und sie den Lombuschbeerenlauf durchmachen ließ, bei dem es natürlich niemand bis zum Ende schaffte. Aufgespießt von den Dornen, würden ihre Überreste dort ein Festmahl für die Krähen werden.
Ich hatte nahe bei ihm gestanden, seine Hand berührt und habe mit Tränen in den Augen zu ihm aufgesehen. In ihm brodelte soviel Trauer und Zorn, dass fast ständig Blitze um seine Finger schwirrten. Und seine Haarspitzen blieben fast durchgehend schwarz. Ich vermutete, dass das an den konstanten gebrauch an Magie lag, den er aufwandet, um meinen Körper am Leben zu halten.
Im Laufe des Tages wurde das schwarz mehr, am Abend wieder weniger, aber es verschwand nie ganz und könnte schwören, dass er immer etwas mehr Magie aufbrauchte als er dazu erlangen konnte. Die Frage war also, wie lange er das schaffte, meinen Körper der Art verharren zu lassen. Vielleicht würde sich das legen, wenn er sich wieder beruhigte, doch auch darüber schien er nicht wirklich Kontrolle zu haben.
Ich musste mir schnell etwas einfallen lassen, um mit ihm Kontakt aufzunehmen. Ihm von dem Wasser zu berichten, das mich zurückbringen konnte.
Gerade saß Ducan auf seinen Thron. An seiner Seite: mein gläserner Sarkophag, den er mit einer Sänfte immer in seiner Nähe behielt. Ich schätzte, dass die Nähe es ihm leichter machte die Magie zu wirken, aber es könnte auch mehr dahinter stecken.
Ich hatte mich auf dem Thron neben ihm fallen gelassen und saß da, wie eine Geisterkönigin und lauschte den Anliegen der Menschen, die bei Ducan eine Audienz erhielten und dachte darüber nach, was ich tun sollte.
Schatten lag zu Duncans Fußen und sah mich aus halb geschlossenen Augen an, zwar schiene die Schattenwölfe mich wahrzunehmen, aber nicht so auffällig, als dass sie deswegen irgendwie anders agierten. Als wäre es normal, für sie, dass ab und an ein Geist in ihrer Nähe herumhuschte.
Bei diesem Gedanken blieb ich hängen. Er klebte an mir wie die Fäden eines Spinnennetzes, aber ich bekam ihn nicht zu fassen. Nicht wirklich.
"Die Außenwand des Königsturms muss repariert werden. Dringend, mein König. Dafür brauche ich extra Mittel", meinte ein Mann mittleren Alters. Des Königs erster Baumeister der für die Pflege, Restauration und ab und an auch Umgestaltung und Erweiterung der Palastanlage verantwortlich war.
Ducan betrachtete den Mann aus gelangweilten, müden Blick, während dieser seine Mütze zwischen seinen Händen malträtierte. Die Leute hatten mehr Angst als sonst vor ihrem König. Ich konnte es ihnen nicht verübeln.
"Wozu? Er ist nicht bewohnt und nicht mehr zu gebrauchen. Er ist nicht besser als ein Grab. Soll er doch zusammen fallen!", meinte Ducan hart und es war Eugen, die gute Seele, die sich zu dem Winterkönig herunterbeugte und intervenierte.
"Er ist Teil der Palastanlage und würde bei einem Zusammensturz wohl auch den Bewohnten Teil beschädigen. Zudem stellen herabfallende Steine, bis er wirklich zusammengebrochen ist, eine dauerhafte Gefahr dar. Es ist wohl besser, ihn zumindest zu erhalten. Als Mahnmal." Das letzte Wort betonte Eugen deutlich.
Es schmerzte mich zu wissen, dass der Anblick dieses Turms für Ducan nichts weiter als ein Grab zu sein schien. Ein Grab...indem es spuckte.
Ich erhob mich so schnell das sogar Schatten die Ohren aufgestellt und mich ansah als wäre ich verrückt geworden, aber ich hatte lediglich eine Erleuchtung. Vielleicht konnte ich keinen Kontakt zu dem lebenden Aufnehmen, aber vielleicht zu den Toten! Und wenn es dort wirklich spukt... dann könnte ich mir dort Hilfe suchen!
Andererseits hatte ich immer noch keinen Plan dafür, wie es dann weiter ging. Angenommen ich kann Kontakt zu Ducan aufnehmen, was dann? Woher bekomm' ich dieses Wasser? Würde Eugen dafür eine Lösung haben? Ich wusste es nicht, doch eines wusste ich genau, ich durfte nichts unversucht lassen!
Schweren Herzens erhob ich mich von meinem Thron und berührte im Vorbeigehen Ducans Wange. Ich vermisste ihn so sehr. Seine Nähe, seine Wärme, seinen Körper und das Gefühlt seiner Magie auf meiner Haut, wenn er mich berührte. Es war fast ironisch, wie sehr mir jetzt, wo ich tot war, klar wurde, dass ich ihn liebte. Ich wollte an seiner Seite sein als seine Königin sein, seine Frau. Ich liebte ihn und würde dafür kämpfen, zu ihm zurückzukehren.
Immer.
Während ich durch den Saal schritt, sah ich plötzlich, dass Fünkchen sich von ihrem Platz vor meinem Sarg erhob und mir hinterher trottete, so wie sie es zu Lebzeiten immer gemacht hatte und ich beobachtete wie die Menschen auseinander huschten, um ihr Platz zu machen. Kurz blieb ich stehen, wartete bis sie mich eingeholt hatte und tätschelte ihr dann den Kopf, dass ihr Fell vor Magie surrte. Dann ging ich weiter...ich musste wissen, was in diesem Turm ist, ob es dort jemanden gab, der mir helfen konnte und, wenn ich ehrlich war, ich war dafür gestorben, um dorthin zu gelangen, um zu sehen, warum Ducan war, wie er war. Jetzt konnte mich dort zumindest nichts mehr umbringen.
Weil ich es mir nicht wagte durch Wände zu gehen - es fühlte sich an, als würde man durch etwas glibbriges waten - wie geister es angeblich taten und weil ich auch nicht wirklich wusste, wohin ich gehen musste, brauchte ich eine Weile, um den bewachten Gang zu finden, der ehemalig auf die steinerne Brücke führte, die den Palast mit dem Königsturm verband.
Ein prächtiges Tor und vier Wachen säumten den Weg und ich erkannte, dass es hier einmal sehr viel belebter sein musste. Denn vor dem Tor befand sich eine Art Salon, mit Sitzgelegenheiten, die sehr abgenutzt aussahen. Jahrhundertelang war dies wohl der Ort gewesen, an dem Bittsteller sich versammelten, Boten und Beamte. Denn jeder wusste, dass die königliche Familie auf der anderen Seite hauste. Hier hatte man sich versammelt, um auf sie zu warten oder auch nur um einen Blick auf sie zu werfen.
Nun war es verlassen und sah geradezu lächerlich prunkvoll aus, für einen so unbelebten Ort.
Die Wachen fixierten Fünkchen mit ihren Augen und ich erkannte, dass es wohl keine gute Idee gewesen war, sie mitgenommen zu haben. Ich konnte einfach an die Wachen vorbeihuschen, aber Fünkchen?
Ich sah sie an.
"Bleib!", trug ich ihr auf und sah, wie ihren Ohren zuckten, aber nicht so, wie sie es taten, wenn ich ihr sonst einen Befehl gegeben hatte. Und als ich einige Schritte nach vorne machte, kam sie mir nach.
"Bleib!", wiederholte ich, wieder ein Zucken, aber kein verstehen. Sie kam dennoch mit. Mist. Und nun?

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Information: 

SEit dem 15.12.23 ist nun endlich beide Bände von 'Der zweite Weg' verfügbar. Viel spaß beim Lesen. Link in meiner Bio. ^^

 ^^

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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt