Durcheinander

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Kapitel 24

Ducan

Das Knistern des Kamins, in der anderen Ecke des Raumes, hatte keinen wirklich beruhigenden Einfluss auf mich, während ich in meinen Schlafgemächern saß und trotz der späten Stunde hellwach den Erklärungen meines ehemaligen Magier-Lehrmeisters lauschte. Nichts von dem, was er mir sagte, gefiel mir und das lag weniger daran, dass Lilyanna sich weigerte mit ihm zusammenzuarbeiten und mir dadurch antworten verwehrte, sondern, dass eine Dienerin tot aufgefunden wurde. Die Frau hatte das Pech gehabt, von Lilyanna großzügig mit Konfekt entlohnt worden zu sein, als diese ihr half, sich durch die Dienstbotengänge in die Verliese zu schleichen.

Als wäre der Gedanke an einer Prinzessin, die Dienstbotengänge benutzte und an Dienern Süßigkeiten verteilte, nicht schon unangebracht genug. Nein. Diese Dienerin war auch noch an Lilyannas Stelle gestorben. Auch wenn immer noch die Chance bestand, dass dies alles nichts miteinander zu tun hatte, sorgte es dafür, dass sich alles in mir anspannte.

„Seid Ihr Euch sicher?", fragte ich Eugen noch einmal, der die Dienerin gefunden und ihren Tod festgestellt hatte. Sie hatte sich einige Stunden nach dem Verzehr der Süßigkeit krankgemeldet und war im Bett geblieben, wo sie auch gestorben war.

„Es wäre ein merkwürdiger Zufall, Hoheit." Das ist wahr, aber der Gedanke gefiel mir dennoch nicht. Es machte wieder einmal viele Pläne zunichte, die ich mir in den letzten Stunden zurechtgelegt hatte, um irgendwie noch Kontrolle über die Situation zu erringen. Und das war nicht leicht gewesen, weil Lilyanna absolut unberechenbar schien und ich ihre Handlungen nicht einfach so ignorieren konnte, wie ich es geplant hatte. Ich konnte auch sie nicht ignorieren. Ihre Wut, ihre vorwurfsvollen Worte und auch nicht den Anblick den sie bot. Sie war schön, sie war stark und sie war mutig. Eine gefährliche Kombination, wenn man bedachte, dass es für sie überlebensnotwendig war, unauffällig zu bleiben. Sie war nicht einmal ansatzweise das, was ich so viele Jahre befürchtet hatte zu bekommen, wenn der Tag kam, sie heiraten zu müssen.

Als junger Mann war alleine der Gedanke mir zuwider gewesen, diese fremdländische, verwöhnte Prinzessin zu ehelichen, dessen Bildung sich darauf beschränkte, die Hofetikette und Tanzschritte zu beherrschen. Selbst als junger Prinz hatte ich nie die Zeit gehabt mich mit solchen Nichtigkeiten zu befassen. Mein Vater war nicht als König geboren worden und hatte sich alles selbst beibringen müssen, während er mir etwas beibrachte. Auf die Ausbildung meiner Mutter hatte er sich kaum verlassen können. Zwar war sie als Prinzessin und Königin erzogen worden, aber aufgrund ihrer ursprünglichen Verlobung mit Lilyannas Vater Juri, war sie auf das falsche Land vorbereitet worden. Niemand hatte damit gerechnet, dass ihr älterer Bruder so früh versterben würde, sie die Krone erbte und dann auch noch die Verlobung mit Juri aufgelöst wurde. Das hatte beide Länder in ein sehr angespanntes Verhältnis gezwungen, bei dem Krieg in der Luft lag.

Meine Mutter hatte fast schon überstürzt meinen Vater geheiratet, der sich einerseits gefreut hatte seiner wahre Liebe ehelichen zu dürfen, sich aber plötzlich damit konfrontiert sah, dass jeder ihm seine Macht streitig machte. Allen voran die Mitglieder von Owellyas Familie. Dass er die Stärke besessen hatte, sich mit Juri und der Zitadelle auf ein Abkommen zu einigen, hatte viele der Kriegsliebhaber erzürnt und kaum war mir die erstgeborene Tochter der Sommerlande versprochen worden und wieder halbwegs Frieden eingekehrt, war ich sein nächstes Problem geworden. Ich und meine Kräfte.

„Hat die Prinzessin, die Frau als die Dienerin identifiziert, der sie das Konfekt gegeben hat? Könnte es eine Verwechslung sein?" fragte ich Eugen und riss mich so fast schon zwanghaft aus der Vergangenheit. Ich konnte die Vergangenheit nicht ignorieren, weil sie den Grund für meine und auch Lilyannas aktuelle Situation lieferte, aber ich brauchte meine Konzentration dennoch im hier und jetzt.

„Kaum, Sire. Die anderen Dienerinnen haben bestätigt, dass die Verstorbene das Konfekt in die Gemächer der Prinzessin brachte. Natürlich würde eine Identifikation durch die Prinzessin auch noch den geringsten Zweifel begraben, aber die Leiche ist kein schöner Anblick. Wenn es sich vermeiden lässt, würde ich davon absehen wollen, dass die Prinzessin sie sieht. Sie hat für heute bereits genug durchgemacht. Sie braucht Ruhe. Ich werde die Nacht durcharbeiten um zu bestimmen, ob es wirklich Gift war. Aber ich habe kaum Grund etwas anderes anzunehmen. Die Anzeichen sind deutlich."

Ich wollte das nicht wahrhaben. Es brachte alles durcheinander und bevor ich mich damit befasste, musste ich absolut sicher gehen.

„Und doch könnte es Zufall sein. Sie muss die Dienerin identifizieren und Ihr müsst feststellen, ob das Gift tatsächlich in diesem Konfekt war", gab ich in Auftrag und Eugen senkte ehrerbietig den Kopf.

„Sicher, Sire."

„Ihre Abendmahlzeit ist unauffällig?", fragte ich weiter, weil ich auch sicher gehen musste, dass sie momentan außer Gefahr war. Selbst wenn ich ihre Identität nicht anerkannte, war sie nun einmal wer sie war und ihr Tod, hier in meinen Palast, wäre ein Skandal ohne gleichen. Abgesehen davon drehte es mir der Magen um, zu wissen, dass ihr etwas geschehen könnte. Aus Pflichtgefühl natürlich nur. Es war nicht so, dass Lilyanna mein Mitleid hätte.

„Es ist dasselbe Mahl, das auch Ihr zu Euch genommen habt und durchlief somit die Standard Prüfungen nach sämtlichen bekannten Giften und wurde in der Zubereitung streng überwacht" Eine notwendige Vorsichtsmaßnahme für mich. Wie mein Vater war ich stets von Menschen umgeben, die versuchten die Macht dieses Landes an sich zu reißen. Ich hatte vor Jahren aufgehört blind auf Menschen zu vertrauen, das hatte ich ebenfalls Owellya zu verdanken. Neben der harten Erkenntnis, dass meine Macht und meine Position auch Nachteile haben konnten, zum Beispiel, dass jeder versuchte seine Vorteile aus mir zu ziehen. Vielleicht schweiften meine Gedanken deshalb so oft zu Lilyanna. Sie war nicht freundlich zu mir gewesen. Meine Stellung war ihr egal und sie hatte weniger Schamgefühl als alle Frauen, die ich bis jetzt kennengelernt hatte. Ihre Frechheiten, so sehr sie mich auch nervten, hatten etwas Erfrischendes an sich, was ich noch nicht in Worte fassen konnte.

Beta:Geany


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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt