Kapitel 4
Ich saß auf den Holzschemeln des Flachdaches und ignorierte das Stöhnen unter mir, das sogar noch hier draußen zu hören war. Einer von Cedrics "Damen" ging ihrer Arbeit nach und ich saß hier oben, auf dem Dach des Bordells und betrachtete den Sternenhimmel, wo der gebrochene Sichelmond gerade über die Spitzendächer des Palastes aufging. Wie Zähne ragten die Türme in den Himmel und überragten majestätisch die kleinen Gebäude um den Palast herum. Vor den Toren des Winterhofes erhob sich eine große Mauer, die die Königsfamilie von den Vierteln der Adligen trennte und diese wiederum umgab noch eine Mauer, die den Adel vor dem Rest der Bevölkerung schützte.
Zwei Mauern, zweimal Wachposten und kein Beweis meiner Herkunft. Ich hätte nie eine Chance gehabt zu Ducan zu gelangen. Nein, es war gut, so wie alles gelaufen ist. Ich hatte überlebt und nur das zählte, da machte es auch keinen Sinn, vermeidlich verlorene Chancen hinterherzutrauern.
"Na, so einsam, Prinzessin?", fragte Kain hinter mir und ich lächelte in mich hinein. Niemand wusste, wer ich war, auch er nicht, aber er hatte mich schon immer "Prinzessin" genannt. Wegen meiner Haare und wegen meiner vermeintlichen Herkunft. Der Bastard eines Adligen. Er würde nie erfahren wie richtig er lag.
"Ich bin keine Prinzessin", erwiderte ich aus Gewohnheit lächelnd und sah ihn an, als er sich neben mir fallen ließ und mir ein Brot reichte. Wo hatte er den das schon wieder her?
"Grece bringt dich um, wenn du das aus der Küche gestohlen hast", sagte ich und biss hinein. Kain lächelte und diese Grübchen kamen zum vorschein, die viele andere Mädchen so toll an ihm fanden. Er war attraktiv, und das wusste er genau, dennoch hatte er bei mir nie für dieses Kribbeln im Bauch gesorgt, wie es andere immer beschrieben. Doch das hatte mich nie daran gehindert mich gut in seiner Nähe zu fühlen. Vielleicht würde ich ihm irgendwann eine ernsthafte Chance geben, denn er hielt kaum damit hinter den Berg, was er für mich empfand. Leider fühlte ich mich schlecht dabei jemanden so nahezukommen und belügen zu müssen.
Trotz der zwölf Jahre in der Kriminalität, hatte ich nie vergessen, was meine Mutter mir immer gesagt hatte: Liebe war Vertrauen, deswegen durfte man seinen zukünftigen Mann auch nicht belügen. Ich hatte als Kind geglaubt, Ducan zu lieben, ganz einfach, weil er meine Bestimmung zu sein schien. Jetzt wusste ich nicht einmal wie sich diese "Liebe" anfühlen sollte.
Ducan war genau vor mir, uns trennten gerade einmal zwei Mauern und ich wusste, dass ich ihm niemals näher kommen würde, als jetzt. Selbst wenn, würde er mir wohl kaum glauben, wer ich war. Und wenn selbst das passieren sollte, würde ich ihn lieben können? Würde ich so dankbar für seinen Zorn gegen meinen Onkel sein, dass ich mich verlieben würde? Oder wahr es besser so zu leben wie jetzt, mit der Freiheit heiraten zu können, wen ich wollte?
"Nicht aus ihrer Küche und für dich riskiere ich gerne meine Hände. Am liebsten hätte ich dir das heute auch abgenommen. Ich versteh nicht, wie Vater dein Leben so aufs Spiel setzen konnte", sagte Kain und klang ehrlich bedauernd, während ich mich wieder gedanklich vom Palast losriss. Ich hatte da nichts zu suchen. Da gab es Nichts für mich.
"Er tut, was er tun muss und ich bin nun mal eine bessere Diebin als du oder irgendjemand anderes. Ich hatte die beste Chance das zu überleben, als irgendwer sonst", sagte ich und er schwieg eine Weile dazu, ließ sich dann nach hinten fallen und sah in den Himmel, während ich weiter auf den Palast starrte. So nah und doch so unmöglich zu erreichen. Ich hasse mich dafür, dass ich wieder diese Sehnsucht verspürte, die ich all die Jahre so gut zu unterdrücken vermocht habe. Aber diesen Stein in der Hand zu halten, seine Kälte, seine Magie zu spüren, hatte mich aufgewühlt.
Wäre ich die, die ich vorgebe zu sein, würde ich Nichtmal wissen, dass es Magie war, die ich da gespürt hatte. Normale Menschen kamen nie mit Magie in Berührung, auch nicht mit magischen Gegenständen, selbst Adlige taten das eher selten. Aber die Königsfamilien der vier Reiche waren anders.
Sie spürten die Magie und ab und an gab es sogar Personen, die sie nutzen konnten. Aber so jemanden hatte ich, selbst als Prinzessin, nie kennengelernt. Wenn ich Ducan hätte erreichen können, hätte sich das aber wohl geändert. Es hieß, einer seiner Lehrmeister sei ein Magieanwender und er selbst dazu imstande sie zu Nutzen. Ob die Gerüchte stimmten? Oder waren es nur Rühmungen des Königshauses, womit sie dem einfachen Volk um sich herum klarmachten, wie erhaben sie doch waren? Ich wusste es nicht.
Man hatte als Kind auch mich auf eine Magie Begabung getestet, so wie jedes Kind ab einen gewissen Stand. Aber natürlich hatte sich kein solches Talent gezeigt. Es war einfach so selten, dass böse Stimmen behaupteten, so etwas gebe es in Wahrheit gar nicht, aber diese Zweifler würden verstummen, wenn sie je einen magischen Gegenstand berühren würden. Denn man fühlte es einfach und es war berauschend.
Es war Macht. Macht, die zur Herrschaft legitimierte. Jede der vier Königsfamilien berief sich darauf einen mächtigen Magieanwender, als Urvater zu besitzen, was sie zur Herrschaft berechtigte. Magie war eine Gabe der Götter und sie schenkten sie, wenn überhaupt, nur Mitgliedern der Königsfamilie. Es gab keinen Magieanwender, der nicht von königlichen Geblüts ist. Auch die Mitglieder des Zirkels stammten allesamt aus einen der vier großen Königshäuser, obwohl sie selbst sich Neutal gaben und sich in der Jahresfeste, einen Ort außerhalb der vier großen Königslande, nur mit der Erforschung der Magie beschäftigten und dann und wann als Vermittler auftragen, wenn eines der vier Reiche wieder Krieg suchte. Sie sicherten den Frieden auf dem Kontinent, deswegen benötigte Ducan wohl auch einen offiziellen Kriegsgrund. Den lieferte ich ihm jetzt. Oder besser: mein geglaubter Tod. Schon merkwürdig, wie ich ihm über all diese Mauern hinweg nutze, und er mich nur belastete.
Beta: noch nicht
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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2
Romance(jeden Freitag) Die Prinzessin, die sie einmal war, ist fast vergessen. Ihr Zuhause unerreichbar fern und dieses kalte Herz, das einst ihr gehörte, hatte nun eine Andere. Lilyanna hat sich längst mit ihrem neunen Leben als Flüchtling und gelegentlic...