Bleib bei mir

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Kapitel 120

Lilyanna

Ich versuchte die fragenden Blicke der Diener und einiger Adligen zu ignorieren, während ich die Gänge entlang lief und versuchte, meine Wut unter Kontrolle zu bringen.

Ich hätte Tristan sagen sollen, dass ich mich nicht vor meiner Verantwortung drücken würde, dass ich mich nicht von der Gnade meines Onkels abhängig machen würde, indem ich meinen Kopf einzog und hoffte, dass ich doch nicht wichtig genug war, um mich töten zu lassen. Nicht mehr. Noch vor wenigen Wochen hatte ich darüber anders gedacht und erst jetzt wird mir klar, wie sehr ich Lil schon vergessen hatte und wie naiv sie gewesen war, wie eingeschränkt in ihren Sichtweisen.

Es wäre eine wahrlich dumme Idee einen unbedeutenden Mann zu heiraten und damit auf den Schutz des wohl mächtigsten Mannes aller Reiche zu verzichten. Nur wenn man mich für Tod hielt oder ich es tatsächlich war, würde ich jemals außer Gefahr sein. Und damit ging es mir genau so, wie es jedem Mitglied der Königsfamilie erging. Ich war höchstwahrscheinlich kein Einzelfall. Ich hatte am eigenen Leib erlebt, wie nahe der Verrat jederzeit war. Selbst aus der eigenen Familie.

Dass ich selbst diese Tatsache so sehr verinnerlicht hatte, bestärkte mich in meinem Weg und ich verstand jetzt wirklich, dass ich das Mädchen von damals hinter mir gelassen hatte. Meine Zukunft lag bei Ducan und ich würde mit ihm zusammen die Probleme angehen, die das mit sich bringen würde.

Ob Ducan jemals diese Angst gespürt hatte? Konnte ihm überhaupt irgendetwas etwas anhaben?

Sofort fiel mir Kain wieder ein und all diese unheimlichen Kreaturen auf der anderen Seite der unüberwindbaren Gebirge im Norden. Wie unbedeutend meine Befürchtungen doch angesichts dieser Bedrohung waren. Wie verletzlich selbst der mächtigste von uns nichts Magiern je sein würde, das, was im Schatten lauerte, dem konnten wir nichts entgegensetzen. Niemals.

Während ich einige Treppenstufen hinauf ging und dabei meine Röcke vom Schnee befreite, den ich mit hineinbrachte, erfasste mich von einer Sekunde auf die andere eine wärmende Aura, die mir verriet, dass Ducan in der Nähe sein musste und auch wenn mit seiner Anwesenheit, seiner Nähe auch die Wut wieder zurückkam, wog die Enttäuschung über meine Begegnung mit Tristan schwerer.

Als ich also um eine Ecke bog und Ducan sah, war die Lust auf einen Streit mit ihm verflogen und ich überwand die letzten Stufen in Rekordgeschwindigkeit und warf mich regelrecht in seine Arme.

Zu meiner unendlichen Erleichterung ließ Ducan seine übliche steife Haltung fallen, als der Klang meiner Stiefel durch die Flure hallte. Die Arme, die er hinter dem Rücken verschränkt hatte, legten sich um mich, als ich mich an ihn lehnte und Mühe hatte, meine Tränen zurückzuhalten. Ich wusste nicht, warum es mich plötzlich so mitnahm, aber ich hatte das Gefühl auf verlorenen Posten zu stehen. So verletzlich wie noch nie zuvor und ich war schockiert von mir selbst, dass ich bei dem Winterkönig Trost suchte, als vor ihm davonzulaufen, weil mein Stolz von mir verlangte, das alles vor ihm zu verbergen. Ich wollte das nicht alleine durchstehen, ich konnte es nicht alleine durchstehen.

Laut Tristan würde ich nichts richtig machen können, zudem musste ich damit leben noch mehr Anschläge ertragen zu müssen, ob jetzt nun von der Seite meines Onkels, Owellya oder Kain...

Ich wollte nicht auch noch meine Beziehung zu Ducan aufs Spiel setzen. Wenn ich auch noch ihn verlor, hatte ich niemanden mehr und egal wie selbstbewusst und taff ich dann auch versuchen würde damit umzugehen. Ich konnte das nicht komplett alleine ertragen.

Also gab ich diesem Instinkt einfach nach, schmiegte meine Wange an Duncans Brust und schloss die Augen, während ich darum rang, meine Tränen für mich zu behalten und genoss das unendlich angenehme Gefühl, gehalten zu werden.

Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt