Verantwortung - Teil 3

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Kapitel 35

Ducan

Als ich mit einem Blick über meine Schulter den ihren begegnete, dachte ich, sie würde loslassen, aber das tat sie nicht. Sie wich auch nicht vor der Stenge, die ich ihr vermittelte, zurück. Sie hatte mehr Mut, als ihr guttat.

„Es ist nicht wichtig", presste ich mühsam hervor.

„Das entscheide ich selbst!" Dieses sture Mädchen!

„Ich verschweige es nicht, weil ich Euch zornig machen will, sondern weil es zu wissen, nichts an eure Situation ändern. Es würde euch lediglich verletzen." sagte ich, damit sie nicht dachte, ich würde es ihr aus einen anderen Grund vorenthalten und ich war erstaunt, dass sie die Ehrlichkeit von mir nicht in Zweifel zog. Sie mochte mich nicht, vielleicht hasste sie mich sogar aber sie glaubte nicht, dass ich sie belügen würde.

Allerdings hatte sie da nur halb recht. Ich würde sie belügen, wenn ich glaubte, dass es mir etwas brachte, und zwar ohne zu zögern. Ich war ein König und musste mein reich über alles stellen, auch über unmoralischen verhalten oder über die Gefühle einer naiven Prinzessin.

„Was kümmert es Euch? Ihr seid nur dazu bereit Eure Pflicht mir gegenüber nachzukommen, wenn es Euch Vorteile bringt." Richtig. Ich war fast erleichtert, dass sie es endlich verstanden hatte. Persönliche Motive spielten in Positionen wie meine, keine Rolle, sie würden immer hinten anstehen. Aber ich musste dieses Gespräch endlich beenden, oder zumindest ihre Hand loswerden, ohne ihr zu verraten, was ihre Berührung mit mir machte. Das Prickeln zog sich durch meinen gesamten Körper und es war angenehmer, als ich mir eingestand. Irgendwie, befreiender, als würde meine Selbstbeherrschung, die meine tödliche Macht zurückhielt jetzt endlich einmal Pause machen können. Doch das war eine Illusion. Niemals durften meine Mauern wanken. Dass Eugen mir das Herz nahm, hatte nie ausgereicht, um mich unter Kontrolle zu halten, ich hatte auch stets an mir selbst und meiner Selbstbeherrschung arbeiten müssen.

„Haltet Euch von meinem Vater fern. Mit ihm zu reden wird Euch nichts als Kummer bringen. Er kann Euch nicht helfen. Er hat nur nach Euch geschickt, damit ihr ihm helfen könnt"

„Was könnte ich schon für Euren Vater tun?"

„Ihm von seiner Schuld befreien", gab ich ohne zu zögern zu. Vielleicht würde es mehr bewirken ihr zu sagen, warum sie von meinen Vater fern bleiben sollte. Eugen hatte ja so etwas angedeutet und ihr das zu sagen brachte mir keine Nachteile.

„Mir gegenüber hat er sich nichts zu Schulden kommen lassen.", sagte sie so naiv wie eh und je. Ich lächelte bitter.

„Doch das hat er. Er hat Euch aufgegeben. Wir alle haben das." Ich nutzte den kleinen Schock, den es bei ihr auslöste, um mich ihrer Berührung zu entziehen und sah dabei genau die Verbitterung in ihren Augen. Ja, sie hatte es vorher gewusst. Sie hatte immer geahnt das genau das passiert war: Sie war aufgegeben worden. Es wäre unsere Pflicht gewesen nach ihr zu suchen, bis wir entweder sie oder ihre Leiche gefunden hätten, aber stattdessen hatte sich mein Vater auf andere Dinge konzentriert und die Suche zu ihr nur halbherzig durchführen lassen. Von Owellyas Vater, der, im Nachhinein betrachtet, kein großes Interesse daran gehabt hatte sie zu finden. Ich traute es Zion zu, gar nicht nach ihr gesucht zu haben und als ich die Krone erhielt hatte ich deshalb von meiner Garde noch einmal nachprüfen lassen, ob Lilyana nun tot war oder nicht. Aber nach so vielen Jahren war es unmöglich spuren zu verfolgen. Aber ich hatte bei der Überprüfung von Zions damaligen Recherche die Aussage eines Händlers gefunden. Er war wegen dem Schmuggeln von Lebensmitteln ertappt worden und dieser hatte vor Zions Männern damals behauptet die Prinzessin in die Hauptstadt gebracht zu haben. Dieser Information war damals aber niemand nachgegangen. Zion hatte sie ignoriert und mein Vater hatte seinem Urteil vertraut.

„Sagt nicht, dass ihr ihm das verzeiht, wenn es nicht stimmt. Es ist nicht die Schuld, die ihm ins Grab treiben würde, sondern Mitleid. Solange er Schuld empfindet wird er kämpfen." sagte ich und dachte kurz daran, wie nahe mein Vater bereits an seinem eigenen ende war. Nicht weil das Alter ihn trieb, sondern die Tatsache, dass er nichts mehr hatte, wofür es sich zu leben lohnte. Dazu kam die Tatsache, dass es tage, gab an dem er sich nicht einmal mehr an mich erinnerte, oder daran wo er war oder was passiert war. Er war ein alter seniler Mann, der seine Ruhe verdient hatte, vielleicht auch die Absolution durch Lilyanna aber das würde ich nicht riskieren. Er war mein Vater und trotz seiner Gedächtnislücken, alles was ich noch hatte.

„Geht es ihm so schlecht?", fragte sie und ihre Stimme bebte geradezu vor Mitleid. Mitleid, dass mein Vater am allerwenigsten leiden konnte.

„Ihr seid zu weichherzig, Lilyanna. Ihr würdet ihm vergeben, nur um es ihm leichter zu machen. Unabhängig davon, ob ihr es so meint oder nicht. Er würde es wissen und daran zugrunde gehen. Wenn er eines nie gewollt hat, dann ist es, das jemand wie Ihr Mitleid mit ihm empfindet." Das war die Wahrheit. Wenn ich meine Sorge um Angst um seinen zustand durchblicken ließ, schickte er mich in der Regel fort und war dann für Tage nicht mehr bereit mich zu empfangen.

„Ihr habt Angst ihn zu verlieren.", sagte sie als wäre das eine Überraschung. Natürlich hatte ich Angst meinen Vater zu verlieren. Das hätte doch jeder. Hatte sie so eine schlechte Meinung von mir, dass sie glaubte, ich würde seinen Tot wollen?

„Haltet Euch von ihm fern, zumindest so lange bis ihr ehrlich meint, was ihr ihm zu sagen hättet"

„Ich will Euren Vater nicht ins Grab bringen, ich will nur..."

„Ihr wollt das, was wir alle wollen, Prinzessin. Ein ruhiges Leben. Um das zu bekommen hättet ihr sogar weiter in der Gosse gelebt und ihr glaubt es bekommen zu können, wenn ihr weiter davon lauft und so tut, als würde Euch das alles nichts angehen. Doch das tut es. Ihr seid, wer ihr seid, daran wird sich nichts ändern. Wenn ihr ein Leben in Ruhe und Frieden leben wollt, müsst ihr dafür kämpfen und das beinhaltet weniger naiv zu sein und die Augen für die Welt um Euch herum zu öffnen. Das habt ihr schon einmal getan, als ihr Euch den Gewöhnlichen angepasst habt, einem Leben in Armut. Jetzt ist es an der Zeit Euch wieder anzupassen, denn das hier ist nun Eure Welt. Verfolgt also Euren eigenen Rat und sorgt Euch um das, was ihr ändern könnt."

Beta: noch nicht


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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt