Kapitel 108
Lilyanna
Eugen hatte die Hälfte der Bibliothek zu seinem Nutzraum erklärt und als ich das zum ersten Mal wirklich verstand, wurde mir wieder einmal bewusst, wie unfassbar einflussreich dieser einfache Magier aus der Zitadelle doch eigentlich war.. Sein 'Labor', wie er es nannte, umfasste streng genommen nur den besonders alten Teil der Bibliothek, wo mich jetzt wieder merkwürdig blubbernde Gläser über kleinen Feuerstellen und zischenden Pulver erwarteten. Doch seine Spuren war im gesamten Saal auszumachen.
Eugens Lehrling verbeugte sich vor mir, deutete in einen der Gänge, die die ewig hohen Bücherregalen bildeten und machte dann einen großen Bogen um Fünkchen, die ihn begierig nach Magie anbetelte, bevor er sich weiter seinen Arbeiten widmete.
Ich folgte dieser unausgesprochenen Anweisung und begab mich in die Richtung, in der der Lehrling gedeutet hatte. Die Bücher in den Gang waren alt und mit Ketten an den Regalen gebunden, um einen Diebstahl zu verhindern, was mir einmal mehr vor Augen führte, dass dieser Teil der Bibliothek nie wirklich für die Unterhaltung der Palastbewohner
gedacht war. Obwohl sich sämtliche Unterhaltungsliteratur sowieso mittlerweile in den Lesesalons befand, denn Eugen brauchte Ruhe bei seiner Arbeit.
Neugierige Palastbewohner konnte er dabei nicht gebrauchen und wahrscheinlich gingen die meisten Hofmitglieder dem Magier eh aus dem Weg.
Selbst meine Leibwache, die mich hierher begleitet hatte, war der Zutritt zur Bibliothek verwehrt geblieben.
"Eugen?", fragte ich laut und lief weiter durch die engen Regalreihen. Mein Kleid, in dem typischen dunklen Grau, der hier herrschenden Mode, war dabei so berauschend, dass es die Ketten in den unteren Regalen zum Klirren brachte. Ich mochte die Mode in diesem Land wirklich nicht, aber wenn Ducan nicht in der Nähe war, war es fast Selbstmord in meinen dünnen Kleidern durch das eisige Schloss zu huschen.
Die dicken Palastmauern waren viel zu groß, um sie jemals wirklich warm zu bekommen und es lagen nicht überall Teppiche oder brannten in jedem Winkel die Kamine.
Ducan hatte mir erklärt, dass neben der Hungersnot, die sein Land immer mal wieder plagte, der Mangel an Feuerholz ein Problem war und hatte nicht vor, auch nur einen Ast zu verschwenden.
Dabei kam das Holz zum großen Teilen zu Spottpreisen aus den scheinbar unendlichen Wäldern dem Herbstlanden, die nicht schnell genug fällen konnten, wie der Wald wieder nachwuchs. Bäume waren dort eine regelrechte Plage und machten es dem Reich fast unmöglich, den Platz abzuringen, damit sich die Bevölkerung ausbreiten konnte. War ein Stück des Waldes gerodet, ist er kaum zwei jahrzehnte Später wieder nachgewachsen.
"Eugen?" rief ich wieder in den Gang hinein und erschrak fast zu Tode, als ein lautes, knackendes Geräusch, das mich an Radwagen auf Steinböden erinnerte, in meine Richtung kam.
Eugens Leiter, mit der er die oberen Regalreihen durchforstete, raste auf Rollen auf mich zu und stoppte kurz vor mir.
"Hoheit!", meinte er und ich drückte mir eine Hand auf die fest eingepackte Brust. Hier im Halbdunkeln, zwischen den Regalen war das alles mehr als gruselig gewesen.
"Bei den Göttern, Eugen! Ich bin gerade um ein Jahrzehnt gealtert!", warf ich ihn vor, doch der Magier lächelte nur und dieses sympathischen, warmen Augen funkelten.
"Ich denke, das würden die Götter nicht zulassen, aber ich entschuldige mich dafür, Hoheit. Ich wollte Euch nicht erschrecken. Wie fühlt ihr Euch heute Morgen? Ist etwas ungewöhnlich?", fragte der Magier noch während er die Leiter herunterstieg und dabei einen Stapel Bücher unter den Arm geklemmt hatte - gelöst von ihren eisernen Fesseln.
Ich verengte misstrauisch die Augen.
Ich hatte Ducan erst einmal nichts von Cedrics Anwesenheit erzählt, aber ich hatte vor, das nachzuholen. Ob ich aber Eugen davon berichten wollte, verunsicherte mich und so konnte ich nur hoffen, dass diese Frage nicht auf diese seltsame Begegnung mit meinen Ziehvater abzielte.
Es war schwer für mich, darüber nachzudenken, ohne die beklemmenden Fragen zu stellen, die sich dabei in meinem Gehirn auftaten. Was war Cedrik? Wie war er in den Palast gekommen und wie war er so plötzlich wieder verschwunden?
"Nein, ich fühle mich gut. Sehr gut sogar", meinte ich und betrachtete den Magier, der mich weiter interessiert musterte.
"Nun, das ist erstmal kein zufriedenstellendes Zeichen", überlegte er laut und ich blinzelte verwirrt.
"Nicht zufriedenstellend? Ich soll mich also schlecht fühlen?", fragte ich schockiert und wieder hoben sich Eugens Mundwinkel.
"Viele Frauen fühlen sich am Beginn einer Schwangerschaft unwohl. Ich vermute dahinter die extreme Umstellung des Körpers, aber ich bin nicht wirklich darauf spezialisiert. Weibliche Anatomie und Biologie ist Fach für sich in der Zitadelle. Das schöne Geschlecht ist kompliziert", meinte er und ich wusste nicht, was mich mehr schockierte.
Dass Eugen davon ausging, dass ich schwanger sein könnte oder dass es wohl tatsächlich Magier gab, die sich auf den weiblichen Körper und seine Eigenheiten spezialisiert hatten.
"Selbstverständlich bin ich nicht schwanger!", meinte ich. Vielleicht ein bisschen zu laut und zu inbrünstig und plötzlich wusste ich, was Ducan damit meinte, ich wäre in gewissen Dingen eine schlechte Lügnerin.
Aber was sollte ich auf Eugens Kommentar hin erwidern?
Dass ich bereits vor meiner Ehe mit dem Winterkönig mit ihm geschlafen hatte? Wäre das nicht verpönt oder skandalös?
Eugen lächelte gutmütig.
"Ich zweifle nicht an Eure Ehre, Prinzessin. Der König erzählte mir davon und selbstverständlich wird Eure Reinheit auch von mir wie üblich in Eurer Hochzeitsnacht bestätigt werden, nur um gewissen Gerüchten den Wind aus den Segeln zu nehmen. So wie es mein Vorgänger bereits bei Ducans Mutter tat", erklärte Eugen mit einem schelmischen Grinsen und da ich wusste, dass Ducan lediglich wenige Monate nach der Hochzeit seiner Eltern als kerngesunder, und definitiv nicht zu früh geborener Thronfolger zur Welt gekommen war, ahnte ich, dass es auch in höheren Kreisen nicht so verpönt war, der angeblich schönsten Nebensächlichkeit der Welt zu frönen.
Doch ich hatte gedacht, gerade in Königshäusern wäre eine zweifellose Nachfolge mehr als nur eine Formalität.
"Verstehe. Und wenn ich nicht zu den meisten Frauen gehöre?" fragte ich ihm und er nickte mir auffordernd zu und verließen die Reihen den Bücherregalen bis zu der Stelle, wo ein riesiger Esstisch stand. Dieser war über und über mit Schriften und Büchern überzogen und bot kaum genug Fläche, um an ihm wirklich arbeiten zu können. Eugen war wahrlich nicht sehr ordentlich.
"Dafür habe ich etwas gesucht. Es ist wichtig zu wissen, wann Eure Schwangerschaft beginnt, um Vorkehrungen treffen zu können, obwohl ich keinen Zweifel daran habe, dass der König nach gelungener Mission Euch dennoch des Nachts besuchen kommt. Ich freue mich ehrlich über Euer Glück, Hoheit", meinte er und grinste schelmisch.
Ich aber prustete. Dieser Magier mochte es lediglich recht gehabt zu haben und seinen Willen durchsetzen zu können und dabei hatte er es sogar gewagt, Ducan, den König der Winterlande unter Druck zu setzen.
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Chroniken der Winterlande Band 1 & 2
Romantizm(jeden Freitag) Die Prinzessin, die sie einmal war, ist fast vergessen. Ihr Zuhause unerreichbar fern und dieses kalte Herz, das einst ihr gehörte, hatte nun eine Andere. Lilyanna hat sich längst mit ihrem neunen Leben als Flüchtling und gelegentlic...