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Kapitel 95

Ducan

"Hoheit", empfing uns Eugen mit einem erleichterten Ausdruck, den ich ihm definitiv nachfühlen konnte. Es war sicherlich nicht das erste Mal, dass er mich während meiner Abwesenheit vertreten hatte und ich wusste, dass er es absolut nicht mochte eine solche Verantwortung zu tragen, aber er tat es dennoch ohne zu klagen. Genau das war der Grund, warum ich ihm das Tagesgeschäft auch so gerne aufhalste.

Mein Hofmagier war alles andere als Machthungrig und damit eine absolute Ausnahme Erscheinung im Palast. Er würde weder versuchen mich zu stürzen, noch sich zu wohl in der Position fühlen. Eine solche Gewissheit war selten und ersparte mir Zankereien.

Als ich mich von meinem Pferd schwang und sowohl Fünkchen als auch Schatten die provisorische Leine abnahm, sah ich, weiter weg von den Ställen, einen von Owellyas Dienern stehen.

Eine Reise, wo man sich direkteren Problemen gegenübersah, ließ einen schnell vergessen, welche Durchtriebenheit hier im Palast herrschte. Und die meisten davon waren Lilyanna alles andere als gut gesonnen.

Und wo ich schon über Lilyanna nachdachte.

Die Prinzessin der Sommerlande, versuchte in genau diesen Moment, stur wie sie eben war, sich selbst vom Rücken ihres Pferdes heruntergleiten zu lassen. Scheinbar war es ihr lieber, sich das Kreuz bei einem Sturz zu brechen, als auf meine Hilfe zu warten. Aber eine solche Torheit würde den Untergang meines Hauses bedeuten, also griff ich schnell nach ihr, als sie tatsächlich mit einem Fuß an dem Sattel hängen blieb und verhinderte so ihren Sturz. Sie fiel direkt in meine Arme und gab dabei einen kleinen Laut von sich, der mir selbst kurz das Herz stolpern ließ. Für einen kurzen Moment sah sie erschrocken aus, bevor sie meinen Blick begegnete und wir uns einfach nur ansahen.

Sie war definitiv ein unbändiger Freigeist und ich hatte keine Ahnung wie ich damit umgehen sollte. Meine zukünftige Königin benahm sich nicht wie eine Lady und erinnerte mich nicht selten eher an ein ungezähmtes Pferd. Schön und prachtvoll, stolz und dennoch nichts, was sie jemals einsperren lassen würde.

"Du kannst tatsächlich keine einzige Minute auf Hilfe warten, oder?" fragte ich und sah aus den Augenwinkeln, wie Eugen angesichts der absoluten vertrauten Anrede beide Augenbrauen nach oben zog und uns noch intensiver beobachtete als zuvor.

Was ihm dabei alles auffiel, bemerkte auch ich schnell.

Ich berührte sie einmal mehr und ließ es zu, dass sie mich berührte. Ihr leichtes, abtuendes Schnauben, dass sie von sich gab, ließ ich ihr durchgehen, obwohl ich niemanden sonst gestattete, sich mir gegenüber so zu benehmen. Lilyanna war eine Ausnahme. Nicht, weil ich es so wollte. Sondern weil ich das Gefühl hatte, dass es so richtig war. Sie war zu stolz, um sich öffentlich von mir tadeln zu lassen und es würde dieses empfindliche Etwas zwischen uns zerstören, dass wir uns so hart erkämpft hatten.

Dennoch ärgerte es mich, dass Eugen mit seinem Plan letztendlich Erfolg gehabt hatte. Waren wir und näher gekommen? Ja. Ich musste ihm fast dankbar sein, denn hier im Palast hätte es vermutlich Monate gedauert, sie dazu zu bringen, mich in ihr Bett zu lassen. Und dass wir es nun teilten, war wichtig für die Zukunft meines Reiches.

"Ihr saht beschäftigt aus, Hoheit", gab Lilyanna an, hielt sich an meinen Schultern fest und ließ sich von mir anstandslos auf die Beine stellen, so wie kurz schwankte, sich dann aber fing und so ehrfurchtsvoll die Kleidung glatt strich, als würde sie sich erst jetzt wieder daran erinnern, dass wir zurück im Palast waren und nicht irgendwo in der Wildnis.

Ich hob meine Hand und löste ein kleines Ästchens eines Nadelbaumes aus ihrem durcheinander geratenen Haar. Sie sah definitiv nicht sehr Prinzessinenhaft aus, aber die sanfte Röte auf ihren Wangen und ihr leicht zerzaustes Haar nahmen ihr nichts von ihrer Schönheit.

Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt