Kleiderwahl - Teil 2

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Kapitel 107

Lilyanna

"Das Kleid ist perfekt!", entgegnete ich und erhob mich, noch bevor jemand dagegen einen Einwand erheben konnte. Aber natürlich ließ sich Owellya es sich nicht nehmen, es schlecht zu machen.

"Die roten Kristalle könnten als Blut interpretiert werden", wandte sie ein und Lady Holly runzelte die Stirn, als sie die Stickereien in Verbindung mit den Steinen betrachtete.

"Es sind eindeutig Lombuschbeeren", meinte diese und Xenia nickte ihrer Cousine zustimmend zu.

Ich nahm das Kleid entgegen und drückte es gegen meine Brust. Es war etwas groß, aber das würde sich noch nachbessern lassen.

"Wollt ihr als blutige Königin gelten, Hoheit?" versuchte es Owellya weiter und ich warf ihr einen triumphierenden Blick zu.

"Unbedingt, Lady Owellya. Ich habe nicht vor Gnade gegenüber meinen Feinden zu zeigen", entgegnete ich ihr scharf und daraufhin verstummte sie endlich, während Xenia und ihre Cousine sich bereits Notizen machten, was an Änderungen notwendig wäre, um es für mich passend zu gestalten.

Es hatte ein schönes Gewicht und als ich mich damit drehte, gefiel es mir ,wie leicht der Stoff sich in der Luft bewegte, ich wollte es am liebsten sofort anprobieren.

"Die Schleppe könnte etwas zu lang sein. Der König besteht darauf, dass die Hochzeit im Innenhof des Palastes stattfindet und der Schnee, der sich darin verfangen könnte, wird sie sicher ruinieren", dachte Charlotte laut nach und nahm Maß, um zu sehen, wie weit es gekürzt werden müsste.

Owellya schlürfte derweilen weiter ihren Tee und verkniff sich jedes weitere Kommentar.

"Ist der Ausschnitt nicht etwas zu tief?", fragte Xenia und deutete auf meine Brust. Mich würde ein tiefer Ausschnitt ganz und gar nicht stören, aber bei dem Gedanken daran, wie kalt das für mich werden könnte, erschauderte ich.

"Dass was wie bei der Schleppe entfernen, könnte ich dort wieder einnähen. Das würde schön aussehen", meinte Holly, die sich dazu bereit erklärt hatte, mir mit ihrem Geschick bezüglich Nadel und Faden zur Seite zu stehen. Einen Diener an dieses historische Stück zu lassen, wurde mir verboten und so würden sich meine Gesellschafterinnen daran versuchen müssen. Wenn ich mir allerdings Charlottes Kleider ansah, die sie nach Aussage auch selbst nähte, war mein Hochzeitskleid damit in perfekten Händen.

"Ich könnte es bis Morgen für eine erste Anprobe fertig haben", meinte Holly und maß noch einmal die Ärmel nach.

"Es scheint nicht viel anzupassen zu sein", sagte sie und lächelte mir freundlich entgegen. Doch da fiel Owellya wieder ein.

"Es bringt Unglück, das Kleid vor der Hochzeit zu tragen", meinte diese und ich sah sie wieder strafend an, doch da keine der anderen Ladys Einwand gegen diesen Aberglauben einlegte, musste sie wohl auch damit recht haben. Also würde es wohl keine Anprobe geben.

"Dieser Unterstoff wird sicher eine Herausforderung", murmelte Holly und besah sich das Innenleben des Kleides.

"Aber es wird mich da draußen warm halten, also lass es lieber drinnen", kommentierte ich und folgte ihrem Blick auf die graue Wolle, die so geschickt eingearbeitet war, dass sie neben den weiß und den Gold nicht zu sehen war.

Nicht, dass meine Hofdame noch auf die Idee kam, es zu entfernen. Zwar konnte ich mich darauf verlassen, dass Ducan mich da draußen nicht erfrieren lassen würde, aber ich wollte auch nicht vollkommen unüberlegt durch den Schnee stampfen.

"Dann habt ihr wohl Euer Kleid gefunden, Hoheit. Wenn ihr mich entschuldigen würdet? Ich bin noch verabredet", meinte Owellya dann sichtlich wütend, knickste aber dennoch tief und ergebend vor mir und rauschte davon, bevor ich zustimmend nicken konnte.

Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt