unerwarteter Besuch - Teil 2

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Kapitel 105

Lilyanna

Aus irgendeinem Grund überraschten mich seine Fähigkeiten gar nicht, ich hatte immer gewusst, dass er kein normaler Mensch war, hatte selbst oft vermutet, dass er ein Magier sein könnte. Aber das bedeutete auch, dass er wusste, wer ich war.

"Natürlich wusste ich das, mein Kind. Aber mit meinen Fähigkeiten hatte das wenig zu tun, selbst einige meiner Söhne kamen schnell dahinter. Schließlich suchte die halbe Welt nach dir. Doch es war wichtig, dass du erst einmal bei mir bleibst, bis du alt genug bist. Ich fürchtete, das Schicksal hatte schlimmes für dich vorgesehen, solltest du zu früh in diesen Palast gelangen. Du hast hier mehr Feinde als du glaubst. Du bist ein Ärgernis für fast alle Seiten. Inklusive für Ducan, also musste ich ihn anders von dir überzeugen", sagte er und ich runzelte die Stirn.

"Was bist du?", fragte ich, denn langsam ahnte ich, dass er nicht einfach ein versteckter Magier war und für meine Frage erntete ich ein Lächeln von ihm, das ich ebenfalls bereits kannte.

"Wenn ich es dir erzähle, glaubst du mir sowieso nicht, warum also den Atem verschwenden? Es gibt wichtigere Fragen, die du dringend klären musst, Lil. Auf wessen Seite du stehst zum Beispiel", meinte er und darüber musste ich keine Sekunde lang nachdenken.

"Ducans", erwiderte ich und versuchte tatsächlich all die anderen Fragen über Cedric zu verdrängen, denn wenn er sagte, dass es die falschen Fragen waren, machte mich das zwar neugierig, aber ich kannte ihn lange genug, um auf ihn zu hören. Er hatte mir beigebracht, meinen Blick auf das Wesendliche zu behalten.

"Das freut mich zu hören. Ich wusste, es lohnt sich, dich und auch ihn am Leben zu erhalten, auch wenn es meine Geschwister wahrscheinlich in den Wahnsinn treibt."

Ich runzelte die Stirn. Er hatte nie zuvor Geschwister erwähnt.

"Er wäre als Bastard geboren, wenn dein Vater nicht zufällig einer Herbstadligen über den Weg gelaufen wäre, in die er sich augenblicklich verliebte, ist dir das eigentlich klar? Die Affäre von Ducans Mutter konnte nur in einer Ehe enden, wenn dein Vater sich dazu entschloss eine Andere zu heiraten. Ich war schon immer dafür, dass die Throne eher ihrem Herzen folgen sollten, als der Politik. Aber auf mich hört sowieso niemand. Du darfst dich davon nicht leiten lassen, Lil. Das ist wichtig. Nenn mich einen Romantiker, aber rein politische Entscheidungen sind wenig nachhaltig. Liebe ist das Einzige, was einen Menschen tatsächlich dazu zwingt, etwas zu beschützen, auch wenn es einem selbst schadet." erklärte Cedrik und ich versuchte mich noch von meiner Neugierde nicht treiben zu lassen, die mir befahl, ihn weiter auszufragen.

"Rätst du mir, mich nicht so spät krönen zu lassen?" fragte ich und Cedric wirkte jetzt etwas fahrig.

"Oh, nein, Kind. Das ist ein wahrer Geniestreich von deinem König, ich bin nur besorgt über den nächsten Schritt, den er wird tun müssen, sobald die kleine Prinzessin geboren ist. Die Winterlande werden eine Allianz mit den Herbstlanden anstreben. Das ergibt nur Sinn, denn sie vermuten, dass du dort Unterstützer hast aufgrund der Abstammung deiner Mutter und die Nähe der Herbstlande verspricht Nahrung für das Reich. Aber König Triton ist ein Opportunist und in diesem Sinne erzieht er auch seine Söhne. Auch dein Onkel hat mittlerweile eine Tochter, für die er eine gute Partie sucht. In den Herbstlanden gibt es keine emotionalen Bindungen, Kind. Nichts, was von Dauer sein könnte, du musst langfristiger denken", meinte er und ich berührte unwillentlich meinen Bauch und mein Herz begann zu stolpern, als ich daran dachte, tatsächlich eine Tochter zu bekommen.

Das war die bestmögliche Option für die Winterlande.

"Königin Jenna hat meines Wissens nach nun bereits den fünften Sohn geboren. Sie ist eine wahre Gläubige. Der Gedanke, dass sie auch nur in Betracht ziehen würde, sich gegen die Zitadelle zu stellen, ist lächerlich, selbst wenn ihrem Land dadurch Schaden könnte. Sie wird von dem Gefühl der Ehre angetrieben. Langfristig ist es besser, daraufzusetzen. Gefühle sind wichtig. Stell dir nur einmal vor, was aus dir geworden wäre, wenn Ducan keine Gefühle für dich entwickelt hätte", meinte er und lächelte vielsagend, während mir noch der Kopf schwirrte.

Die Verlobung meiner Tochter. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht und die Idee, dass die Herbstlande sich auf die Seite meines Onkels stellen könnten, trotz der Zitadelle, trotz der Herkunft meiner Mutter und dem, was Oswald ihr angetan hatte, war erschreckend und dennoch für einen Opportunisten eine kluge Wahl. Königin Jenna von den Frühlingslanden wäre somit tatsächlich eine bessere Wahl.

Die Herbstlande waren für die Sommerlande ein wichtiger Handelspartner. Fast alle Luxusprodukte erhielten die Sommerlande von ihnen. Von den schweren Weinen, den herben Nüssen bis hin zu den Farben für die prächtigen Kleider. Und wenn mein Onkel eines interessierte, waren es diese Güter.

Ich erschauderte bei dem Gedanken, was das bedeuten könnte. Zwei abtrünnige Königreiche von der Zitadelle. Die beiden treuen geografisch voneinander getrennt und damit angreifbar. Das wäre ein Skandal und für mich kaum vorstellbar.

"Halte dich an Gefühle, Lil", riet mir Cedric noch einmal, bevor er sich erhob und in Richtung des Fensters lief, das eigentlich undurchdringlich war.

"Oh, bevor ich es vergesse", meinte Cedric, dann drehte er sich noch einmal zu mir um und zog eine goldene Kugel aus der Tasche, die mir einen so heftigen Schlag in die Magengrube versetzte, dass ich fast zusammenbrach als ich sie erkannte.

Ich zitterte, während ich sie anstarrte und Cedric legte sie fast schon nebensächlich auf eine der Kommoden, wo sie sich eigentlich durch das Holz brennen sollte, so bedeutungsschwanger war sie.

Diese Kugel war der Grund, warum ich den Putsch meines Onkels überlebt hatte. Ich hatte in den Dienstbotengängen damit gespielt, wie schon unzählige Male zuvor. Sie fiel mir aus der Hand, kullerte davon, brachte mich weg von dem Massaker und zeigte mir, wie schwerwiegend der Verrat meines Onkels war. Ich hatte aus einem der Gänge heraus beobachtet, was er meiner Mutter antat.

Als ich dann von einem Diener gefunden und rausgeschmuggelt wurde, war die Kugel in den Gängen zurückgeblieben.

So glaubte ich zumindest.

Ich spürte, wie mir schwindelig bei ihrem Anblick wurde.

"Woher..." hauchte ich in den Raum hinein, doch als ich mit den Augen nach Cedric suchte, war er verschwunden. Die Kugel aber blieb und erinnerte mich daran, dass es kein Traum war, weder Cedrics Anwesenheit hier, noch die Ermordung meiner Eltern.

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