Vergebung

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Kapitel 36

Lilyanna

Vergebung. Als ich nach diesem furchtbaren Tag im Bett lag und über dieses Wort nachdachte, kam ich schnell zu dem Schluss, dass Ducan recht hatte. Ich war nicht bereit zu Vergeben. Ich sollte keinerlei Wut auf Ducans Vater oder jemand anderen verspüren, da an allem eigentlich nur mein Onkel Schuld war, dennoch war ich wütend darüber, dass niemand gekommen war, um mich aus diesem einfachen Leben zu befreien, das ich nach meiner Flucht hatte leben müssen.

Cedric hatte mich aufgenommen und ich war ihm dankbar für jede Sekunde, in der er mir beibrachte, was es hieß zu überleben. Aber in der Nacht, wenn ich so dalag wie in diesem Augenblick, dann hatte dich den Wunsch verspürt gerettet zu werden.

In den alten Geschichten, die meine Mutter mir immer vorgelesen hatte, wurden die Prinzessinnen immer gerettet und so war es nur natürlich gewesen, dass ich noch Jahre dem Gedanken nachhing jeden Moment aus meinem Elend befreit zu werden, schließlich war ich ja eine Prinzessin. Doch das war nie passiert und erst jetzt wurde mir klar, dass ich neben Angst und Hoffnungslosigkeit auch Wut gespürt hatte, auf die Menschen, die mich scheinbar vergessen hatten.

Ich hatte die Wut verdrängt, mich darauf konzentriert einfach zu überleben und hatte vielleicht auch irgendwann geglaubt, dass ich mit den einfachen leben besser dran war, aber die Wut war nie verschwunden.

Könnte ich also Ducans Vater vergeben? Ducan selbst? Oder irgend einen anderen?

Die Frage brannte in meiner Kehle wie Feuer, ohne das ich eine Antwort darauf kannte.

Vergebung war schwer. Ich konnte ja nicht einmal mir selbst vergeben, denn es war meine Schuld, dass diese Frau gestorben war, das Kain gefangen genommen wurde und ... das Ducan eine andere heiraten würde.

Meine Kehle wurde eng als ich daran dachte. Ich war wieder Lilyanna, die Prinzessin aus den Sommerlanden aber ich hatte ihre Zuversicht nicht mehr. Ich war in dem Bewusstsein groß geworden, dass Ducan nicht nur mein König, sondern auch mein Ehemann sein würde und ich wusste nicht wie ich Lilyanna sein sollte ohne ihn als meinen Verlobten. Sollte ich vielleicht doch um diese Verlobung kämpfen? Die Zitadelle stand auf meiner Seite und das Gespräch heute mit Ducan hatte mir eine Seite an ihm gezeigt, die alles andere als kalt und unnahbar war. Er hatte Angst seinen Vater zu verlieren.

Nein.

Ich war noch nicht beriet dazu zu vergeben und egal ob es eine Lüge war oder nicht, ich wollte nicht riskieren Ducans Vater zu begegnen und ihm tatsächlich Schaden zuzufügen, weil ich ihm eben nicht vergeben konnte. Und so lag der Brief vom ehemaligen König Liam immer noch unbeantwortet auf meinen Beistellstich. Ich wagte es mich auch nicht ihm eine Nachricht zu schicken, was hätte ich ihm auch schon zu sagen?

Vergebung. Was war mit Ducan? Könnte ich ihm vergeben, wenn schon nicht seinem Vater? Er hatte die Schuld, an meinem Schicksal, wie selbstverständlich auf sich geladen, aber im Grunde konnte er doch nichts dafür, dass sein Vater die Suche nach mir aufgab. Er hat erst vor wenigen Jahren die Krone erhalten. Und der Rest? Wie konnte ich ihm verübeln, dass er sich eine andere Frau suchte, wo er mich doch für Tot gehalten hatte? Dennoch tat es weh. Vergessen und ersetzt zu werden tat immer weh und sich mit diesem Schmerz auseinander zu setzen, musste ich, wenn ich wieder Lilyanna sein wollte. Und ich musste wieder sie werden. Auch damit hatte Ducan recht. Das war mein Schicksal und ich musste aufhören weglaufen zu wollen.

Ich schloss fest die Augen und beschloss, dass ich für einen Tag genug mit diesem Thema gehadert hatte und sagte mir, dass am nächsten Morgen noch genug Zeit dafür da wäre, sich diesen Dingen zu stellen. Doch der Schlaf wollte nicht kommen.

Chroniken der Winterlande Band 1 & 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt